Am Montag (12.12.) war es schließlich so weit. Ein Sprecher der spanischen Krone teilte mit, dass Iñaki Urdangarín, Ehemann der Königstochter (infanta) Cristina, nicht weiter an öffentlichen Auftritten der familia real teilnehmen wird. Der Grund: Urdangaríns Verhalten sei "nicht vorbildhaft". Damit zog der König buchstäblich die Notbremse, denn eine gerichtliche Vorladung des Schwiegersohns ist nur noch eine Frage von Wochen.

Unter dem Eindruck der Affäre hat sich Juan Carlos darüber hinaus entschlossen, ein weiteres Tabu zu brechen und die königlichen Finanzen öffentlich zu machen. Es geht um mehr als acht Millionen Euro, über deren Verwendung der Steuerzahler bislang nichts erfahren durfte.

Gemessen an der Zurückhaltung und Diskretion, mit der das Königshaus normalerweise agiert, waren das spektakuläre Schritte. Doch das Echo der spanischen Medien suggeriert, dass sich Juan Carlos zu spät von seinem Schwiegersohn distanziert hat, dass die Schadensbegrenzung nicht funktioniert. Kritisch wie nie zuvor nimmt Spaniens Öffentlichkeit dieser Tage ihre Königsfamilie unter die Lupe. Und der Verdacht, dass die Geschäfte Urdangaríns im Zarzuela-Palast schon seit längerem als zweifelhaft bekannt waren, beschränkt sich nicht mehr auf eingefleischte Anti-Monarchisten.

Der ehemalige Handball-Nationalspieler Urdangarín muss sich gegen schwerwiegende Anschuldigungen verteidigen: Vor allem zwischen 2004 und 2006 soll er aus seiner privilegierten Stellung als Mitglied der Königsfamilie schamlos Profit geschlagen und gewaltige Summen an der Steuerbehörde vorbeigeschleust haben (siehe rechts). Auf die Spur der fragwürdigen Geschäfte waren die Ermittler unter anderem bei der Aufarbeitung des Korruptionsskandals um die Palma Arena gekommen, eine vom ehemaligen Balearen-Premier Jaume Matas (PP, 2003-2007) in Auftrag gegebene Radsporthalle.

Die Summen, die Urdangaríns Firmengeflecht rund um das vorgeblich gemeinnützige Instituto Nóor von öffentlichen Stellen, aber auch von privaten Firmen für schwer nachvollziehbare Leistungen erhalten hat, sind beachtlich. So erzielten Urdangarín und sein Geschäftspartner Diego Torres allein mit der Organisation zweier Tagungen zu "Sport und Tourismus" in Palma 2005 und 2006 rund 1,4 Millionen Euro Nettogewinn.

Größer noch als der finanzielle Schaden für den Steuerzahler ist der ideelle für das Königshaus: Die Krone, für viele Spanier die letzte Bastion des Anstands, ist ins Gerede gekommen. Der "Fall Babel", wie ihn die Justiz nennt, bringt ein Geflecht aus Beziehungen, Privilegien und Gefälligkeiten ans Licht, das Urdangarín und der infanta einen mehr als fürstlichen Lebensstandard ermöglichte. Dabei konnten sie auf die zumindest stillschweigende Unterstützung des Königshauses zählen. Denn rückblickend betrachtet ergibt sich das Bild einer Familie, die taktisch, nicht moralisch agiert.

Das gilt auch für Urdangarín. Nur einen Monat nachdem die sozialistische Opposition im Balearen-Parlament im Februar 2006 die Regierung aufgefordert hatte, den Verbleib von 1,2 Millionen Euro zu erklären, die an das herzögliche Instituto Nóos geflossen waren, legte Urdangarín sein Amt in der "gemeinnützigen Stiftung" nieder. Und auch der Umzug der Familie im Jahr 2009 nach Washington erscheint heute wie eine Flucht: Das Königshaus, mutmaßt die Tageszeitung "El Mundo", habe zum Ortswechsel geraten, weil sich abgezeichnet hätte, dass Urdangarín ins Visier der knietief im Sumpf des Falls Palma Arena watenden Untersuchungsrichter geraten könnte.

Genau das wird der Königsfamilie heute vorgeworfen: Dass sie die ­Probleme unter den Teppich kehren wollte und auch dann niemand stutzig wurde, als Urdangarín und seine Frau neben anderen Immobilien - darunter fünf Wohnungen in Palma - einen Sechs-Millionen-Euro-Prachtbau im noblen Pedralbes-Viertel von Barcelona kauften.

Vor allem aber, dass das Königshaus erst jetzt entschieden durchgreift. In den Tagen vor dem eingangs zitierten Kommuniqué ging sogar das Gerücht um, der Monarch würde dem Paar den anlässlich der Hochzeit 1997 zugesprochenen Titel der Herzöge von Palma wieder aberkennen. Die Casa Real sah sich zu einem Dementi gezwungen.

Mit der nun ausgesprochenen Vertreibung des Herzogspaars aus dem Protokoll markiert das Königshaus nicht nur Distanz, es geht auch um Geld: Wie die ältere Königstochter Elena erhalten Cristina de Borbón und ihr Gatte von der Krone keine regelmäßige Zuwendung, sondern eine Art Honorar pro öffentlichem Auftritt. Unter die Armutsschwelle fallen die beiden dennoch nicht so rasch: Urdangarín wurde 2009 in den USA vom Telekommunikationsriesen Telefónica prompt mit einem 600.000-Euro-pro-Jahr-Job versorgt, einschließlich Riesenvilla und Fuhrpark. Dass er der Schwiegersohn des Königs ist, dürfte bei der Besetzung der Stelle eine wichtige Rolle gespielt haben.

Derartige Privilegien lassen wenig Gnade vom krisengepeinigten Volk erwarten. Die PR-Schlacht scheint denn auch so gut wie verloren. Den letzten Fehltritt leistete sich der Herzog, der seit Anbeginn der Affäre seine Unschuld beteuert, mit einer öffentlichen Stellungnahme, die er ausgerechnet an einem Samstag herausgab, dem 10.12., um neun Uhr abends - eine Stunde vor Beginn des Fußball-Klassikers Madrid-Barcelona. Das Timing zielte offensichtlich darauf ab, dass die Meldung im Torjubel untergehen würde.

Einmal mehr war Urdangarín schlauer, als ihm gut tat: Angesichts des allzu durchsichtigen Manövers stürzte sich Spaniens Presse erst recht auf die Affäre und zerlegte die Worte des Herzogs. Der hatte "zutiefst bedauert", dass die Medienberichte das Ansehen der Casa Real beschädigt hätten. Das Königshaus habe "nichts" mit seinen "privaten Aktivitäten" zu tun.Die Medien konterten, dass er sich als Geschäftsmann sehr wohl als Mitglied des Königshauses zu erkennen gab.

Im Palast brodelt es. Vor allem Kronprinz Felipe soll stinksauer auf den Herzog von Palma sein. Der Grund: Als Thronfolger wird Felipe den Prestigeverlust des Königshauses ausbaden müssen. Nur Königin Sofía ließ sich zu einer öffentlichen Geste der Unterstützung für die Herzöge hinreißen: Demonstrativ besuchte sie Tochter, Schwiegersohn und ihre vier Enkel in Washington.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 15. Dezember (Nummer 606) lesen Sie außerdem:

- Das System Urdangarín

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