Ohne Gleichberechtigung gibt es keine Demokratie. Das ist der Glaubenssatz von Esperanza Bosch. Die Psychologin (53) aus Palma ist eine der engagiertesten Feministinnen der Insel und war Anfang der 90er Jahre Mitbegründerin der Lobby de Dones, der Frauenbewegung ­Mallorcas. An der Balearen-Universität leitet sie eine interdisziplinäre Forschungsgruppe zu geschlechtsbezogener Gewalt. Am Frauentag (8.3.) wird sie wieder bei der Demonstration ab 19.30 Uhr auf der Plaça d´Espanya in Palma für die Rechte der Frau eintreten.

Vor allem unter der Zapatero-Regierung hat sich Spanien zu einem Vorreiter der Gleichstellungspolitik in Europa entwickelt. Braucht es überhaupt noch einen Frauentag?

Seit Beginn der Demokratisierung hat sich in Spanien viel bewegt, vor allem in den beiden letzten Legislaturperioden der Sozialisten. Zwei Gesetze sind besonders wichtig: das Gesetz gegen geschlechtsbezogene Gewalt und das Gleichstellungsgesetz. Es sind aber auch ehrgeizige Regelungen, die nicht einfach umzusetzen sind. Und jetzt sehen wir, wie mit der PP-Regierung und mit dem Vorwand der Krise viele Fortschritte wieder rückgängig gemacht werden, von denen wir nie geglaubt hätten, dass sie wieder zur Debatte stehen.

Zum Beispiel?

Es ist unerhört, dass das Recht der Frau auf Abtreibung in Frage gestellt wird (Die regierende Volkspartei plant, die von der Zapatero-Regierung verabschiedete Fristenlösung aufzuheben, Anm.d.Red.). Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich dafür wieder auf die Straße gehen muss wie in den 70er Jahren. Von der Umsetzung der gesetzlich festgelegten Gleichstellung ist nun auch keine Rede mehr. Und erst vor wenigen Tagen hat uns José Ramón Bauzá mit seiner Aussage überrascht, dass er nicht an Quoten glaubt (So antwortete der Balearen-Premier auf die Frage, warum in diesem Jahr nur Männer mit den Ramon-Llull-Preisen und der Goldmedaille der Balearen geehrt werden, Anm.d.Red.). Auch von den Einschnitten im Sozialstaat und der Arbeitsmarktreform, die zu mehr prekären Jobs führt und Kündigungen vereinfacht, sind die Frauen besonders betroffen. Genauso verhält es sich beim Pflegegesetz. Wenn es eingefroren wird, leiden die Frauen, weil sie es sind, die sich um Senioren und Kranke kümmern.

EU-Kommissarin Viviane Reding will Frauen jetzt mit Quoten in das Top-Management großer Unternehmen bringen. In Spanien sieht das Gleichstellungsgesetz einen Frauenanteil von 40 Prozent bis 2015 vor. Ist die EU-Regelung hier überhaupt notwendig?

Alle Maßnahmen, die Frauen den Eintritt in die Führungsspitze erleichtern, sind absolut begrüßenswert. Im spanischen Gesetz ist zwar die Rede von einem gleichen Anteil von Frauen und Männern in allen Arbeitsbereichen, aber leider wird dieses Ziel nicht mit Sanktionen unterstützt. Das ist ein Schwachpunkt, der mit einer EU-Vorschrift überwunden werden könnte. Heute sind nur knapp 14 Prozent Frauen in den Vorständen.

Was ist aus dem Gleichstellungsgesetz geworden, das in der vergangenen Legislaturperiode für die Balearen geplant war? Nachdem es die Volkspartei in der letzten Parlamentsdebatte der Legislaturperiode abgewiesen hat, ist es vom Tisch. Wir waren sehr enttäuscht, weil wir davon ausgegangen waren, dass es Konsens aller Parteien war. Mit dem Regierungswechsel zur PP sind aber auch viele anderen Gleichstellungs-Instrumente auf den Balearen quasi über Nacht verschwunden. Da, wo im Inselrat die Gleichstellungsstelle eingerichtet war, ist jetzt die Jagdbehörde untergebracht. Ist die etwa in einer Wirtschaftskrise notwendig? Gleichstellung dagegen schon. Sie sorgt dafür, dass uns kein kluger Kopf verloren geht. Es gibt auch keine Gleichstellungsbeauftragten- und Pläne mehr. Wie wichtig Gleichberechtigung ist, fällt der Rechten schwer zu verstehen.

Die Lobby de Dones ist auch unglücklich darüber, wie sich das balearische Fraueninstitut entwickelt hat. Stimmt. Das gibt es zwar noch, aber es ist jetzt eine Art Ufo. Man sieht es nicht, man weiß nicht, was es tut, man hört es nicht. Um es sehr vorsichtig auszudrücken, die von der Balearen-Regierung eingesetzte Leiterin Manuela Meseguer scheint das Thema nicht allzu sehr zu interessieren.

Was sollte denn das Fraueninstitut tun, wenn es funktionieren würde?

Die Einrichtung ist zuständig für die Überwachung und den Ausbau der Gleichstellung von Männern und Frauen. Es geht zum Beispiel darum, politische Vorgaben zur Gleichstellung zu entwickeln, gegen geschlechtsbezogene Gewalt vorzugehen und sie zu verhindern, Opfern etwa mit Frauenhäusern Hilfe anzubieten, gegen sexuelle Anzüglichkeiten vorzugehen, etc. Das Fraueninstitut der Balearen wurde 1999 auf unseren Vorschlag hin geschaffen, als eines der letzten in den spanischen ­Regionen. Unsere heutige Vorsitzende, die Anwältin und Feministin Francisca Más, hat es aus dem Nichts aufgebaut.

Das Frauenhaus auf den Balearen ist aber aktuell wegen der Krise nicht in Gefahr?

In anderen Regionen gibt es bereits Versuche, die Frauenhäuser zu privatisieren. Wir sind deswegen sehr auf der Hut, was hier passieren wird. Wenn die Wachsamkeit gegenüber geschlechtsbezogener Gewalt ­heruntergefahren wird, setzen wir auch Menschenleben aufs Spiel.

In Spanien ist man sehr sensibilisiert für Gewalt gegen Frauen. Gibt es tatsächlich mehr Fälle als in anderen Ländern? Die Statistiken dazu sind nicht vergleichbar, weil jedes Land andere Kriterien anlegt. In Ländern mit mehr demokratischer Tradition sind die Zahlen dazu sauberer. In ­Spanien ist Gewalt gegen Frauen immer noch ein Verbrechen, von dem man wenig erfährt. Nur zwischen 10 und 30 oder maximal 45 Prozent werden angezeigt. Dennoch glaube ich, dass wir in Spanien große Fortschritte erreicht haben, nicht nur was die Hilfe für Opfer, sondern auch was die ­Präventionsmaßnahmen angeht.

Wo kann man dabei ansetzen?

Es geht vor allem darum, mit frauenfeindlichen Ideen aufzuräumen, die aus unserer patriarchalischen Gesellschaft kommen. Die Männerrolle sieht Härte und Macht vor. Es gibt immer noch Männer, die glauben, sie können über ihre Frau oder Freundin bestimmen.

Werden Kinder immer noch nach traditionellen Rollen erzogen?

Ja, aber großen Einfluss haben außerdem auch Filme, Kinder-TV-Serien und Videospiele, wo es das süße Mädchen und den mutigen Mann gibt. Schlimm finde ich auch diese Romantikkomödien, wo die Studentinnen auf dem Campus wie auf einer Modenschau herumstolzieren und es nur darum geht, eine flachzulegen. Und unter den erwachsenen Vorbildern gibt es immer noch Ingenieure, die nicht wissen, wie ihre eigene Waschmaschine funktioniert.

Was raten Sie Frauen, deren Männer sie mit der Hausarbeit alleine lassen?

Die Aufgabe delegieren und dann verschwinden. Denn oft sagen die Frauen, ich mach es lieber selbst, weil wenn er es macht, wird es nicht gut, da mach ich es lieber gleich selbst. Das kann doch nicht sein. Wäsche aufhängen, abspülen, staubsaugen, den Einkauf planen und eine Tortilla zubereiten kann jeder.