Die fetten Jahre in Spaniens Solarbranche sind schon länger vorbei. Doch so düster wie jetzt sah es noch nie aus. Die konservative Regierung hat die Einspeisevergütung für alternative Energien Ende Januar per Dekret ganz gestoppt und damit neuen Solarparks den Garaus gemacht. Denn ohne Zuschüsse rentieren sich die Dach- und Freilandanlagen (immer noch) nicht.

Innerhalb weniger Jahre hat Spanien so die Kehrtwende von einer äußerst großzügigen Förderung bis zum völligen Förderungsstopp vollzogen. Die betroffenen Unternehmer sind schockiert: „Die Regierung hat die Photovoltaikindustrie mit System zerstört", sagt Klaas Reuss, der deutsche Geschäftsführer der Solarfirma Enertec in Santa Maria. Und auch sein Mitbewerber Heinz Torwie von Solarta prophezeit: „Einige Firmen werden verschwinden."

Auch in Deutschland wird derzeit heftig um die Solarenergie gestritten. Die Bundesregierung will die Förderung um bis zu 30 Prozent kürzen. Doch dort sind die Einschnitte bei weitem nicht so radikal wie in Spanien. Für kleine Anlagen auf Dächern, die in Deutschland den Großteil der Solaranlagen ausmachen, soll es statt 24,43 Cent je Kilowattstunde künftig nur noch 19,50 Cent Einspeisevergütung geben. Spanien will dagegen überhaupt keine Fördergelder mehr für Solarstrom zahlen und wurde dafür bereits von der EU-Kommission gerügt.

Besonders bitter für den ­Industriezweig, der spanienweit rund 111.000 Menschen beschäftigt: Von der Maßnahme sind auch viele industrielle Solaranlagen betroffen, die sich bereits in einem fortgeschrittenen Planungsstadium befanden und nun nicht gebaut werden. Noch im Jahr 2008 wurden in Spanien für die Sonnenenergie 47 Cent Einspeisevergütung pro Kilowattstunde bezahlt. „Damals wurde zu viel bezahlt und damit ein Boom ausgelöst. In kurzer Zeit wurde wahnsinnig viel gebaut", gesteht selbst Solarunternehmer Matthias Luckhardt, Geschäftspartner von Reuss. „Man hätte schon früher eingreifen müssen."

Die von der Regierung produzierte Solarblase habe auch dazu geführt, dass Solaranlagen­hersteller ihre Preise verteuerten und für Freilandanlagen geeignete Äcker um ein Vielfaches ihres Wertes verkauft wurden. „Für ein Grundstück in Santanyí, auf dem wir einen Solarpark bauten, bezahlten wir 800.000 Euro, obwohl es bestimmt nur 100.000 Euro wert war. Aber es hatte eben zwei Hochspannungs­leitungen", sagt Luckhardt.

Die Goldgräberstimmung begann, sich ab Herbst 2008 mit ersten Neuregelungen einzutrüben. Die Einspeisevergütungen wurden mehrmals gesenkt, bis zuletzt auf 26 Cent für Freilandanlagen. Eine weitere Maßnahme zur Eindämmung des Wildwuchses von Solaranlagen war die Einführung eines Registers, in das sich alle Firmen eintragen mussten, die von staatlichen Subventionen profitieren wollten. Allen neuen Projekten wurde darin ein Limit von 300 Megawatt Solarenergie pro Jahr auferlegt, wobei der größere Anteil auf Dachanlagen entfiel. „Schon dieses registro war ein schwerer Schlag. Viele, die drin waren, realisierten ihre Projekte nicht mehr, weil die Einspeisevergütung gesunken war, blockierten aber damit andere", sagt Luckhardt. Bereits in den Jahren 2009 und 2010 verlor die Solarbranche in Spanien laut dem Verband APPA rund 20.000 Jobs.

Wegen der Einschränkungen in der Vergangenheit haben die von Deutschen betriebenen Solarfirmen auf Mallorca bereits vor dem Moratorium der Regierung vom 27. Januar keine Freiland- und Dachanlagen mehr gebaut. Die Belegschaften wurden reduziert. „Wir hatten einmal zehn Monteure, jetzt sind es nur noch sechs", sagt Klaas Reuss. Insgesamt sind bei Enertec derzeit zwölf Menschen beschäftigt.

Mitbewerber Heinz Torwie, der mit seiner Firma Solarta in Artà das größte „reine" Solarunternehmen der Insel betreibt, reduzierte aus ähnlichen Gründen im vergangenen Jahr von 18 auf 14 Mitarbeiter. „Aber für diese Leute haben wir gut Arbeit", sagt der Ingenieur, der das Unternehmen bereits 1990 gegründet hat. Solarta baute gemeinsam mit der Firma Generació Fotovoltaica, an der Solarta zu einem Drittel beteiligt ist, sechs Solarparks. Ein Standbein für Generació Fotovoltaica ist bis heute die Wartung dieser und vier weiterer Parks. „Darunter sind auch Anlagen von einem mallorquinischen Investor in Málaga. Wir können die Anlage über Internet kontrollieren und falls notwendig einer Firma vor Ort Anweisungen geben", erklärt Torwie.

Die Mutterfirma Solarta ist weiterhin mit dem Bau und der Wartung vieler Solaranlagen zum Eigenverbrauch auf Fincas ohne Netzanschluss auf Mallorca beschäftigt und baut solarthermische Anlagen, die für Warmwasseraufbereitung und Heizung genutzt werden. „Wir haben über 1.000 Kunden, da gibt es immer wieder etwas zu tun. Sei es Renovierung oder Erweiterung von bestehenden Anlagen", sagt Torwie. Dabei käme Solarta der Preisverfall der Photovoltaikmodule zugute, „Module, die wir 2008 noch für 1.200 Euro verkauften, bieten wir heute für 300 Euro an."

Auch das in Palma ansässige Unternehmen Puigcercos verzichtet mittlerweile auf das Geschäft mit Solaranlagen auf Dächern. „Zum Schluss bauten wir nur noch Installationen bis 20 Kilowatt, weil dafür die Förderung am höchsten war. Im Jahr 2011 kamen wir auf insgesamt 300 Kilowatt", erklärt Geschäftsführer Rafael Puigcercos. Pläne für weitere Dachanlagen im Jahr 2012 musste das Unternehmen wegen des Moratoriums fallen lassen. „Zum Teil mussten wir Kunden investiertes Geld zurückzahlen, weil sie nun nicht mehr den erhofften Gewinn erzielen können und die Dachanlage nun doch nicht realiseren."

Ein weiterer Betreiber, Baywa, will zwar im ersten Halbjahr noch vier neue Freilandanlagen auf der Insel fertigstellen, die zusammen mit den drei bereits bestehenden Anlagen eine Gesamtleistung von zehn Megawatt erbringen sollen. Gleichzeitig schließt der deutsche Konzern den Verkauf dieser Anlagen aber nicht aus.

Viele der Solarfirmen setzen nun ­große Hoffnungen in einen Vorstoß der spanischen Regierung zur Förderung von­ Eigen­verbrauchsanlagen. Gemäß des „Königlichen Dekrets" 1699/2011 vom 18. November soll es künftig möglich sein, Solarstromanlagen bis zu 100 Kilowatt an das Stromnetz anzuschließen, so dass einerseits die nicht genutzte Energie ans Netz abgegeben und andererseits bei Sonnenmangel Strom aus ebendiesem Netz bezogen werden kann. Damit würde eine einfache Möglichkeit für jedermann geschaffen, auf Solarstrom umzusteigen und sich weitgehend von der Entwicklung der Strompreise abzukoppeln, aber gleichzeitig nicht auf die Sicherheit der permanenten Versorgung verzichten zu müssen. „Eine Anlage für 5,5 Kilowatt würde rund 11.000 Euro kosten. Die Anschaffungskosten sind nach zehn Jahren amortisiert, aber die Anlage läuft 30 Jahre", rechnet Klaas Reuss von Enertec vor. Vermutlich werden die Anlagen sogar noch billiger, weil die Preise für Solarmodule durch den Druck chinesischer Hersteller weiter fallen dürften.

Anders als in Deutschland, wo es eine ähnliche Regelung bereits seit 2009 gibt, sollen in Spanien aber keine Vergütungen für in das Netz eingespeisten Strom bezahlt werden. Dies kritisiert der Verband der Produzenten von Erneuerbaren Energien (APPA). „Ein anderes Problem ist, dass das Limit bei 100 Kilowatt installierter Leistung liegt. Das bedeutet, dass sich die Installation zum Beispiel für große Supermärkte nicht rentiert. In Deutschland liegt das Limit bei 500 Kilowatt", erklärt ­Mischa Bechberger, bei APPA in Barcelona zuständig für internationale

Beziehungen.

Noch unklar ist außerdem, wie hoch die geplanten Gebühren für die Netznutzung und den Verwaltungsaufwand angesetzt werden. „Damit steht und fällt die Attraktivität der Regelung", sagt Bechberger. Eigentlich war ein halbes Jahr zur konkreten Umsetzung des Eigenverbrauchsdekrets geplant, doch die Vorgaben lassen auf sich warten. Bechberger geht davon aus, dass die Regelung noch in diesem Jahr kommt.

Theoretisch war es schon bisher Familien und Firmen möglich, ihre kleine Solarstromanlage mit dem Netz zu verbinden und damit auch von den bisher noch gezahlten Einspeisevergütungen zu profitieren. Doch in der Praxis machte das in Spanien kaum jemand, denn der Verwaltungsaufwand dafür war gewaltig und schreckte viele ab. „Ein sehr wichtiger Punkt ist, dass das Genehmigungsverfahren für Anlagen bis zehn Kilowatt extrem vereinfacht werden soll. Deswegen gehe ich davon aus, dass viele nun sagen: Jetzt macht es für mich Sinn", sagt Heinz Torwie von Solarta. Um auf das allgemeine Netz weitgehend zu verzichten, könnten künftig auch „intelligente Netze" genutzt werden. „Da wäscht dann die Waschmaschine, wenn ich gerade selbst viel Strom produziere. In diese Richtung geht es."

So bleibt Torwie bei allem Zähneklappern optimistisch. Der Durchbruch für die Solarenergie werde irgendwann kommen. „Schon jetzt müsste der Staat nur noch drei bis vier Cent pro Kilowattstunde drauflegen", sagt er. Müsste, aber er tut es nicht. Auf der Sonneninsel Mallorca stellt die Solarenergie derzeit nur einen Anteil von 2 Prozent am Gesamt­energieverbrauch dar.