Lorenzo Bravo ist Generalsekretär der UGT auf den Balearen.

Was erwartet die Mallorca-Urlauber, die für die Zeit rund um den 29. März gebucht haben?

Sie müssen sich keine Sorgen machen. Man muss auch keine griechischen Verhältnisse oder Ausschreitungen befürchten. Die Zeiten, als Urlauber persönlich bedient wurden, sind in vielen Hotels ohnehin vorbei. Heute gibt es Buffets, die stellen auch wenige Mitarbeiter auf die Beine. Der Generalstreik mag für manche Urlauber auch eine interessante Erfahrung sein, am Nachmittag gibt es eine Großdemo.

Werden Sie versuchen, Palmas Flughafen lahmzulegen?

Die Regierung wird eine Mindestversorgung vorschreiben. Wir werden sie respektieren, wenn sie nicht übermäßig ist. Viele Airlines verlegen auch ihre Flüge; das Datum ist für den Reiseverkehr nicht problematisch. Der Flughafen ist nun einmal das größte Gewerbegebiet Mallorcas mit mehr als 10.000 Angestellten aus den verschiedensten Bereichen, da hoffe ich auf eine breite Beteiligung.

Warum streiken Sie nicht zur Hauptreisezeit?

Wir wollten, dass der Streiktag mit der Debatte über die Arbeitsmarktreform im Parlament zusammenfällt. In Mai oder Juni, wenn das Gesetz verabschiedet sein wird, würde ein Streik keinen Sinn mehr ergeben.

Ministerpräsident Rajoy nimmt den Generalstreik billigend in Kauf. Was soll er noch bewirken?

Wir können schlecht untätig bleiben. Die geplante Arbeitsmarkt­reform ist ein Frontalangriff auf die Rechte der Arbeitnehmer: Es ist weniger eine Reform dieser Rechte als ihre Abschaffung. Und wir werden auch unser selbst wegen aktiv. Jahrelang waren die Gewerkschaften zu passiv.

Ihnen wird vorgeworfen, es sich im System bequem gemacht zu haben, statt sich einzusetzen.

Das ist nicht von der Hand zu weisen. Auch wir dachten, dass die guten Zeiten immer weitergehen. Jetzt müssen wir den Arbeitern beweisen, dass es sich lohnt, für ihre Rechte einzustehen. Wir wollen zudem die Unternehmer dazu bringen, dass sie die Reform im Betriebsalltag nicht anwenden.

In welchen Bereichen wird der Streik am meisten Auswirkungen haben?

In allen Bereichen, auch im öffentlichen Dienst.

Warum sollte die Teilnahme höher ausfallen als im September 2010?

Der letzte Generalstreik war ein strategischer Fehler. Der öffentliche Dienst hatte wegen der damaligen Gehaltskürzungen voreilig und schlecht vorbereitet zu einem Streik aufgerufen. Und dann wurde der Termin für den Generalstreik zu spät gewählt. Außerdem steht jetzt sehr viel mehr auf dem Spiel.

Die Streikteilnehmer müssen auf ihr Tagesgehalt verzichten …

Das macht vielleicht 40 bis 120 Euro aus. Die Reform beschneidet aber grundlegende Rechte. Ein größeres Problem sehe ich bei vielen Firmenchefs. Wir haben festgestellt, dass sie Angestellte unter Druck setzen, sich nicht am Streik zu beteiligen. Nach dem Motto: Dann brauchst du am nächsten Tag gar nicht erst wiederzukommen.

Thema Druck: Da wären auch die in Spanien häufig aggressiven Streikposten …

Wir machen nur von unserem Recht Gebrauch, die Arbeiter zu informieren. Die Unternehmer, vor allem in kleineren Firmen, haben viel mehr Einfluss auf die Mitarbeiter, und ihnen schaut nicht die Polizei über die Schulter wie bei uns.

In Deutschland gibt es kein Recht auf Generalstreik, der Arbeitsmarkt ist flexibler, die Abfindungen sind geringer. Was halten Sie vom Modell Alemania?

Wir haben hier eine andere Unternehmenskultur. In größeren deutschen Unternehmen sitzen Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat. Hier sollen wir nicht teilhaben. Es gibt weniger Demokratieverständnis, und die jetzige Reform stärkt einseitig die Arbeitgeber. In Deutschland werden Mitarbeiter auch nicht von heute auf morgen entlassen, stattdessen reduziert man Arbeitszeit und Gehalt im Rahmen von Kurzarbeit. So etwas haben wir bislang vergeblich vorgeschlagen. Ein wichtiger Unterschied ist zudem, dass in Deutschland Tarifverträge nur auf die jeweiligen Beteiligten angewandt werden – bei uns sind die meisten Angestellten nicht in der Gewerkschaft, profitieren aber trotzdem von dem, was wir aushandeln.

Der spanische Arbeitsmarkt braucht eine Reform – wie lauten Ihre Vorschläge?

Wir dürfen uns der Flexibiliserung des Arbeitsmarkts nicht verweigern. Wir brauchen aber auch eine Demokratisierung der Unternehmen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer dürfen sich nicht als Feinde sehen. Wenn wir Arbeiter wissen, dass es um unsere Firma schlecht bestellt ist, dann kneifen wir alle den Hintern zusammen und packen an. Und wenn es gut läuft, sollten die Mitarbeiter auch am Gewinn beteiligt werden. Wenn sie nicht einbezogen werden, gibt es Motivationsprobleme. Aber da stecken wir in Spanien noch im 19. Jahrhundert – nicht nur die Gewerkschaften, sondern die gesamte Gesellschaft.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 22. März (Nummer 620) lesen Sie außerdem:

- Mehr Flexibilität, weniger Abfindungen: Streitpunkte der Arbeitsmarktreform

- Gewerkschaften: Wer zum Streik aufruft

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