Man kennt die Klagen deutscher Eltern auf Mallorca: „Alles nur auf Katalanisch an den öffentlichen Schulen." Oder: „Immer nur Frontalunterricht und Auswendiglernen." Es gibt zwar Alternativen wie die spanischen, englischen und deutschen Privatschulen. Aber dann heißt es wieder: „Dort wird nicht ordentlich Englisch gelernt." „Da wird kein Abitur angeboten." Oder: „Das ist zu weit weg. Die Fahrerei schaffen wir nicht jeden Tag." Eine Lösung sind Internate in Deutschland und Großbritannien, vor allem für ältere Kinder.

Jutta Birfelders Tochter Pia (13) ging bis vor einem Jahr in Porreres auf die öffentliche Schule. „Das war im Grunde auch in Ordnung. Aber sie war gelangweilt. Pia ist sehr kreativ und hier ist ja viel Auswendiglernen typisch", sagt Birfelder, die auf der Insel den Service „Mallorca Hochzeiten" betreibt. Die Familie fing an, nach Alternativen zu suchen. Eine andere Schule auf der Insel kam nicht in Frage. „Auf den spanischen Privatschulen wird ja auch viel auf Frontalunterricht gesetzt, und zudem wollten wir uns den Stress nicht antun, täglich zweimal weite Strecken mit dem Auto zu fahren." So kam ein Internat ins Gespräch, obwohl Birfelder zunächst wenig davon hielt. „Ich hatte immer die Einstellung, wofür habe ich ein Kind, wenn ich es dann doch weggebe." Aber auch Pia hatte Lust auf einen Wechsel.

Hauptsache glücklich

Heute sagt Birfelder: „Das einzig Wichtige ist doch, dass das Kind glücklich ist. Und das haben wir zu 100 Prozent erreicht." Pia besucht seit diesem Schuljahr die 7. Gymnasialklasse des Internats auf Schloss Hohenwehrda in Hessen. „Dort gibt es einen ganzheitlichen Ansatz, es gibt viele Aktivitäten, eine Werteerziehung, wo es um Respekt vor anderen Menschen und Kulturen geht. Und Pia, die ein Einzelkind ist, findet es toll, dass sie jetzt mit vielen anderen Kindern zusammen ist." Das Mädchen aus Mallorca konnte sein schriftliches Deutsch mit speziellem Förderunterricht verbessern. In ihrer Freizeit macht sie in den Gruppen Tanzen, Kreatives Gestalten, Reiten und Theater mit. „Da kann sie sich ausleben. Das ist großartig."

Robert Wedler (19) aus Bendinat ist überzeugt: „Wenn ich hier geblieben wäre, hätte ich den Abschluss nicht geschafft." Zu Ostern ist er gerade wieder nach Mallorca zu seiner Mutter gekommen, er lebt aber heute hauptsächlich in Großbritannien. „Ich bin nach der Schule gleich dort geblieben zum Studieren." An der Universität Southampton ist der Mallorca-Deutsche in „International Business Management" eingeschrieben. Bevor er mit 16 Jahren nach England aufs Internat wechselte, verbrachte der gebürtige Berliner seine komplette Schullaufbahn auf der Insel. Los ging es für ihn auf der mittlerweile geschlossenen Privatschule Scal in Magaluf. „Dort habe ich Spanisch gelernt." Dann wechselte Robert auf die englischsprachige British International School in Sant Agustí. Es gefiel ihm. „Aber es war wie auf dem Spielplatz. Es gab überhaupt keine Disziplin", erinnert er sich. Seine Noten ließen auch zu wünschen übrig. Mit Hilfe der Beratungsfirma „Tochter und Söhne" (siehe Interview rechts) suchte die Familie nach einem Internat. Mit ihrem Tipp traf sie ins Schwarze. „Die Schule war genau das Richtige. Es waren die besten zwei Jahre meines Lebens", sagt Robert heute rückblickend.

Weg von der Sonneninsel

Der Anfang fiel ihm allerdings schwer. Auf einmal weg von der lockeren Sonneninsel, weg von Freunden, alleine und hineingeworfen in den durchgetakteten Internatsalltag. Nun musste er jeden Morgen Kirchenlieder singen. Eigentlich wollte Robert sofort wieder weg. Aber er blieb. „Dort habe ich Disziplin gelernt", unterstreicht er noch einmal. „Auf eine gute Art und Weise. Vorher kannte ich das nicht, dass die Lehrer wirkliche Respektspersonen sind." Jetzt musste er auf einmal nachsitzen, wenn er zu spät kam. „Aber die Lehrer versuchen auch, das Beste aus einem herauszuholen. Nur deswegen habe ich die A-Levels geschafft", sagt er. In seiner Freizeit spielte er begeistert Rugby – bis er sich den Meniskus riss – und schloss viele Freundschaften mit Mitschülern aus aller Welt. „Bei der Autofahrt von England nach Mallorca habe ich jetzt bei Freunden in Paris gestoppt." Das Leben in der Gemeinschaft lenkte ihn auch von seinem Kummer ab. Kurze Zeit vor dem Schulwechsel war Roberts Vater gestorben.

Nur an das englische Essen gewöhnte er sich nie. „Das ist nicht zu vergleichen mit dem, was man hier bekommt. Ich find´s immer noch schlimm."

Auch Sofia Ochoa Neven DuMont (19) aus Sol de ­Mallorca gerät ins Schwärmen, wenn sie von ihrer Internatszeit erzählt. Es sei die schönste Zeit ihres bisherigen Lebens gewesen. „Es ist wie eine zweite Familie. Heute wohne ich in London in einer Vierer-WG, und das kommt mir schon wenig vor", sagt die Mallorca-Deutsche. Sie verbrachte ihre letzten drei Schuljahre auf dem Malvern College im britischen Worcestershire. Der Unterricht auf Englisch war kein Problem für sie. Sofia hatte schon in München eine internationale Grundschule besucht, bevor sie mit zehn Jahren nach Mallorca kam.

Heute beherrscht sie Englisch besser als ihre Muttersprachen Spanisch und Deutsch. Sie hatte sich zum Ziel gesetzt, statt der üblichen A-Levels das anspruchsvollere International Baccalaureate zu machen. Auf dem Internat fand sie Mitschüler, die ähnlich ehrgeizig waren wie sie selbst. „Dort ist jeder motiviert, das schafft eine gute ­Lernatmosphäre", sagt sie.

Viele Gespräche über Schulthemen und ihre Studienwahl führte sie auch mit ihrem persönlichen Tutor. „Dafür konnte sich jeder Schüler einen Lehrer aussuchen. Ich habe ihn dann einmal pro Woche bei sich zu Hause besucht. Das war toll." In dem ländlichen Gebiet lebten die meisten Lehrer etwa zehn Minuten von der Schule entfernt im nächsten Dorf.

Sofia glaubt, durch die Internatszeit auch an Unabhängigkeit, Reife und Weltoffenheit gewonnen zu haben. Wenn sie ihre alten Freunde trifft, die auf der Insel geblieben sind, dann denkt sie sich manchmal: „They are stucked in their little bubble" (sinngemäß: Sie kommen aus ihrer kleinen Blase nicht heraus). Heute studiert Sofia am London College of Fashion.

Die deutsche Privatschule Eurocampus arbeitet mit dem Landschulheim Am Solling in Niedersachsen zusammen. Bislang sind allerdings noch keine Schüler dorthin gewechselt. „Unsere Schüler ziehen andere Lösungen vor, wie etwa die deutsche Schule in Barcelona, eine spanische Schule nach der 10. Klasse oder Internate in Großbritannien", sagt Schulleiterin Gabriele Fritsch.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 12. April (Nummer 623) lesen Sie außerdem:

- Interview mit Internats-Berater Detlef Kulessa

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