Es steht sogar im Ehrenkodex: Frauen haben bei den Hells Angels nichts zu melden. Doch in der Not machen anscheinend selbst die hartgesottensten Rocker eine Ausnahme. Seit die wichtigsten Strippen­zieher, die von Mallorca aus die dubiosen Geschäfte der Höllenengel lenkten, im Gefängnis sitzen, ist das Weibsvolk gefragt. Vor allem die 31-jährige Isabelle Y. hat einiges zu tun, seit ihr 25 Jahre älterer Freund am 23. Juli zusammen mit gut 20 weiteren Personen aus dem Umfeld der Hells Angels bei der „Operation Casablanca" festgenommen wurde.

Die Deutsche ist die Lebensgefährtin von Khalil Youssafi, dem mutmaßlichen Vizepräsidenten des Mallorca-Chapters, und nun offensichtlich für die Aufrechterhaltung des Informationsflusses und die Koordination der angeblich kriminellen Machenschaften zuständig. Das zumindest geht aus den viele Tausend Seiten umfassenden Ermittlungsunterlagen hervor, die der Madrider Untersuchungsrichter Eloy Velasco Ende Oktober freigegeben hat. Darin wird Isabelle Y. nicht nur als Verdächtige aufgelistet, in den Augen der Ermittler gilt sie zudem als Khalils „direkter Draht" zur Außenwelt. Also diejenige, die dessen Befehle weitergebe und seinen Gefolgsleuten, wenn es sein muss, auch mal klar mache, dass Khalils „Status des Beschuldigten" seinen Herrschaftsanspruch noch lange nicht schmälere.

Aufgrund ihrer Schlüsselrolle hat die Polizei Isabelle Y. jedoch auch selbst in den Fokus ihrer Ermittlungen gerückt. Die Beamten hörten zwischen Ende Juli und Ende Oktober munter mit, wenn diese mit Khalil oder den Lebensgefährtinnen anderer Rocker - die nicht als verdächtig eingestuft oder gar der Mittäterschaft beschuldigt werden - telefoniert. Reger Austausch herrscht unter anderem zwischen Isabelle Y. und der Lebensgefährtin von Rocker-Boss Frank Hanebuth. In einem Telefonat vom 7. Oktober etwa will Lisa* „eine Nachricht von drinnen" loswerden, Isabelle solle „ihm" ausrichten, dass alles ganz einfach sei: „Alles ist bei 180." - „Das soll ich weitergeben?" - „Genau, das kannst du so sagen." Klingt kryptisch, doch Khalil wird schon wissen, was gemeint ist. Mit anderen Rocker-Bräuten verabredet Isabelle Y. sich zum Ausgehen, mutmaßliche Strohfrauen werden zum Frühstück oder Abend­essen getroffen.

Denn auch die Geschäfte, für die zumindest auf dem Papier Dritte verantwortlich sein sollen, werden den Ermittlern zufolge auf diese Weise vom Gefängnis aus weitergesteuert. Etwa das Bordell „Red Palace" in Arenal, dessen vermeintliche Chefin Tanja* sogar für ihre Aussage bei der Polizei indirekt von Khalil Youssafi gebrieft wurde. Eine entscheidende Rolle kam hierbei laut Polizeiakten einem Bruder von Youssafi, Tazim*, zu, der Tanja im Vorfeld auf ein Bier traf und sie auf die Befragung vorbereitete. Sie sollte auf jeden Fall darauf beharren, dass sie die alleinige Inhaberin des Etablissements sei, wurde ihr eingetrichtert. Offenkundig mit Erfolg: Es sei alles sehr, sehr gut gelaufen, lässt Tazim Isabelle Y. anschließend wissen, die scheinbar Khalil darüber informieren soll.

Auch die Bar Casablanca, beliebter Treffpunkt der Rocker in Arenal, gehört in den Augen der Ermittler in Wirklichkeit Khalil Youssafi.Inhaber Oliver K. soll ebenfalls ein Strohmann sein. Da das Lokal den Hells Angels laut Ermittlern nicht nur wichtige Einnahmen beschert, sondern dort auch Schwarzgeld gewaschen wird, verwundert es nicht, dass es Inhalt zahlreicher Gespräche zwischen dem inhaftierten Rädelsführer, seiner Lebensgefährtin und seinem Bruder ist. Die Ermittler gehen davon aus, dass statt Khalil nun Isabelle Y. und Tazim für das Eintreiben des in der Bar erwirtschafteten Geldes zuständig sind, wobei Oliver K. sich den Akten zufolge mit dem Verweis auf schlecht laufende Geschäfte weigert, dieses herauszurücken.

Daneben zeigen die Ermittlungsunterlagen, dass Kontakte zu Hells Angels in der Türkei bestehen und diese trotz der Festnahmen auf Mallorca aufrechterhalten werden. Informationsquelle ist wohl in diesem Fall eine Geliebte von Khalils Bruder Abdul Youssafi, der ebenfalls in Untersuchungshaft sitzt. Von dieser erfährt Isabelle Y. Ende September, dass in der Türkei „alles ruhig" ist, aber mit den Telefonen etwas nicht stimme. Man entscheidet sich deshalb, bestimmte Dinge persönlich zu besprechen. Auch Khalil mahnt aus dem Gefängnis heraus immer wieder zur Vorsicht. Einen Kontaktmann auf Sylt solle Isabelle deshalb besser von der Rezeption des Hotels, in dem sie schwimmen geht, anrufen. Und Bruder Tazim solle am Telefon nicht so viel quatschen, ordnet der Chef an.

Dennoch plauderte der so manch interessante Anekdote aus. In einem Anruf vom 24. September etwa lästert er bei Isabelle Y. über die Hoteliers an der Playa de Palma, die in Wirklichkeit an der Festnahme der Hells Angels schuld seien, da sie diese nicht auf der Insel dulden wollten. Vor einigen Jahren sei es des Öfteren vorgekommen, dass die Polizei in ein Lokal gerufen wurde, weil die Rocker dort angeblich jemanden bedroht hätten, erzählt er. Dabei hätten sie dort nur etwas trinken wollten. „Ich würde am liebsten einen Baseballschläger nehmen und denen die Fresse polieren", entfährt es Isabelle daraufhin laut Telefonmitschnitt. Nun mahnt allerdings Tazim: Solche Dinge solle sie lieber nicht am Telefon sagen. Zudem rät er ihr von der Idee ab, Khalil ein Handy ins Gefängnis zu schmuggeln. Es werde bei der Sicherheitskontrolle Alarm auslösen und nur Scherereien bereiten.

Auch Paul E., Hanebuths langjähriger Vertrauter, der zusammen mit dem Rockerboss auf der Finca „El Paraíso" in Lloret de Vistalegre festgenommen wurde, und seine Lebensgefährtin Helga* unterhalten sich nicht nur über persönliche Dinge. In den abgehörten Gesprächen geht es auch um die millionenschwere Finca. Laut Ermittlungsakten versucht „Thrombose-Paul", so der Spitzname der einstigen Größe des Frankfurter Rotlicht­milieus, über Helga und einen Schweizer die Umschreibung des Anwesens zu veranlassen, das offiziell auf eine Gesellschaft eingetragen ist, in Wirklichkeit aber zu 70 Prozent Frank Hanebuth und zu 30 Prozent Paul E. gehören soll. Khalil soll dem „Langen" (Hanebuth) den Ermittlern zufolge geraten haben, das Ganze so schnell wie möglich zu regeln, denn „wenn Paul oder der Schweizer sterben, haben wir ein Problem".

Wenngleich immer wieder von Geldsorgen und Geldeintreiben die Rede ist, scheint es - zumindest den Frauen - an nichts zu mangeln. Ihr Lebensstil ist den Unterhaltungen zufolge nach wie vor geprägt von Restaurantbesuchen, Spa und Massagen. Oder Botoxbehandlungen. In einem Telefonat vom 23. September macht Isabelle Y. hierfür einen Termin in einer Beauty-Klinik in Calvià aus. Ein bisschen Frau darf man schließlich trotz harter Rocker-Geschäfte bleiben.

* Diese Namen wurden von der Redaktion geändert.

Geldwäsche: Die mysteriösen 500 Millionen

Ein Detail, das aus all den den Hells Angels vorgeworfenen kriminellen Machenschaften heraussticht, sind die 500 Millionen Euro (oder wahlweise auch US-Dollar, so genau weiß man das nicht), die die Vereinigung den spanischen Ermittlern zufolge aus der Türkei zunächst in die Schweiz - und von dort vermutlich weiter nach Mallorca - schaffen wollte. Klar scheint in den Augen der Staatsanwaltschaft zu sein, dass es sich dabei um mit dubiosen Geschäften erwirtschaftetes Schwarzgeld handelt.

Und klar geht aus den abgehörten Telefonaten auch hervor, dass der anstehende Geldtransport den mutmaßlich von den Hells Angels beauftragten Handlangern enorme Schwierigkeiten bereitete: Auf legalem Wege könne eine so hohe Summe nicht überwiesen werden, erklärt der scheinbar für die Operation zuständige Manfred W. seinem Gesprächspartner Gerd K. „Keine Bank der Welt nimmt das an. Wie auch, wenn es eine Straftat ist, da kommt die Polizei." Genau aus diesem Grund seien sie schließlich mit der Transaktion beauftragt worden. „Deshalb kostet die ganze Scheiße auch 100 Millionen", schimpft Manfred W. - und rät seinem Komplizen zu einer anderen Heran­gehensweise: Man müsse die offensichtlich auf fünf Paletten in Antalya gelagerten Geldpakete eben als Ware deklarieren, die transportiert werden muss, und diese etwa mit Air Berlin in einem Container von Istanbul nach Zürich schicken.

Sorgen bereitet den beiden den Gesprächsprotokollen zufolge aber nicht nur das Wie des Geldschmuggels, sondern auch die Möglichkeit, dass alles schief gehen könnte: „Ich warnte dich vor den Leuten, mit denen wir da zusammenarbeiten." Offenkundig bangt Manfred W. um sein eigenes Leben. „Da hast du keine Chance € das ist eine Vereinigung, die nichts anderes tut € es gibt nur eine auf der Welt € keiner hat eine Chance € die lassen sich nicht verarschen."

Doch wo die hohe Summe genau herkommt (andeutungsweise sollen die Millionen von einem Iraner stammen), was die Hells Angels damit vorhatten und ob das Geld überhaupt tatsächlich existiert - all das geht aus den Polzeiunter­lagen nicht hervor. Und all das scheinen die Ermittler auch selbst noch nicht zu wissen.

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