Wir befinden uns im Jahre 2014 nach Christus. Ganz ­Mallorca ist von den Deutschen besiedelt... Ganz Mallorca? Ja, ganz Mallorca. Es gibt keine Gemeinde mehr, wo sich keine alemanes niedergelassen hätten. Und wenn man den Humangeografen Pere Salvà von der Balearen-Universität fragt, wo man denn keinen Landsleuten begegne, lautet seine spontane Antwort: „Menorca".

Während jedoch manche Ecken Mallorcas wie Außenposten der Bundesrepublik wirken, haben die Deutschen in anderen Ecken deutlich weniger Spuren hinterlassen, seit sie in den 60er Jahren die Insel für sich entdeckten. Die Vorlieben ändern sich zudem.

Uni-Dozent Salvà, der seit Jahrzehnten die Folgen des deutschen Mallorca-Booms beobachtet, unterscheidet mehrere, sich zum Teil überlagernde Wellen der Zuwanderung mit ihren jeweiligen Folgen für die Verteilung der alemanes auf der Insel. In einer ersten Phase ließen sich die Neu-Insulaner vor allem in den Ferien­gebieten nieder, die sie ohnehin während des Urlaubs kennengelernt hatten. Die damaligen Zuzugsgebiete sind auch heutige Deutschen-Hotspots des Massentourismus - die Küstenorte der Großgemeinde Calvià, Cala Ratjada im Nordosten sowie natürlich die Playa de Palma. In einer zweiten Welle konzentrierte sich die Zuwanderung vor allem auf Neubausiedlungen, die zum Teil speziell für die Zielgruppe der EU-Ausländer mit dem Traum vom sonnigen Süden vermarktet wurden. Stellvertretend für diese Entwicklung stehen die Urbanisationen in Llucmajor oder Port d´Andratx.

Eine dritte Welle konzentrierte sich auf das Inselinnere, das „ursprüngliche Mallorca", das man am besten auf der Finca genießt. So dürfte die an der Bevölkerung gemessen hohe Deutschen-Dichte in Costitx, Sencelles, Algaida oder Sineu zu erklären sein. Salvà spricht von einem anti-touristischen Verhalten: „Diese Deutschen gehen dem Trubel aus dem Weg, sie suchen unberührte Landschaften und Lebensqualität." In den vergangenen Jahren wuchs zudem auch die Zahl der berufstätigen Mallorca-Residenten.

Die Zahlen des spanischen Statistik-Instituts sind dabei mit Vorsicht zu genießen - nicht nur, weil die Gemeindegrenzen unterschiedliche Orte zusammenfassen (etwa Manacor-Stadt und Urbanisationen an der Ostküste) oder Deutschen-Hotspots durchtrennen (Cala ­Millor gehört zu Son Servera und Sant Llorenç). Bekanntlich melden sich viele, insbesondere Senioren, aus steuerlichen Gründen nicht im Rathaus an. Zudem werden die Melderegister nicht überall gleich gut gepflegt.

Diese Einschränkung gilt auch für Rückschlüsse aus der Deutschen-Dichte, die gerade in kleinen Gemeinden hoch ausfallen kann. Laut einer Auswertung der MZ (siehe Karte) hat demnach ­Estellencs - 49 von 369 Einwohnern sind Bundesbürger - die höchste Deutschen-Dichte.

Hier zeige sich der Wunsch der Deutschen nach Individualität, sagt Klaus Friedrich, emeritierter Professor für Sozialgeographie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er ist seit 15 Jahren den ­Mallorca-Deutschen auf der Spur und hat dafür anfangs auch mit seinen Studenten das Telefonbuch nach deutschen Namen durchstöbert. So manche Wohnung in Santa Ponça oder Cala Millor, die bei Rentnern der ersten Generation noch beliebt gewesen sei, habe an Attraktivität verloren - Neuzugänge blieben aus, und der Kontakt zu Landsleuten sei meist ohnehin nur anfangs intensiv und eher von pragmatischer Natur.

Dennoch solle man die Bedeutung der Finca-Deutschen zahlenmäßig nicht überschätzen, warnt Friedrich. Ihr Anteil liege im Fall der ab 55-Jährigen nur bei rund 15 Prozent. Vorne liegen weiterhin touristisch geprägte Küstenorte mit 55 Prozent, dahinter folgen Urbanisationen mit 30 Prozent.

Sag´ mir wo du wohnst, und ich sag dir, wer du bist: Mit der Wahl des Standorts verraten Mallorca-Deutsche auch viel über ihren Lebensentwurf und ihre Schichtzugehörigkeit. Ein wirkliches Ghetto deutscher Residenten sucht man auf Mallorca vergeblich, auf der internationalen Insel finden eher soziale Schichten zueinander: Residenten lebten in Urbanisationen vor allem mit statusgleichen Zuzüglern auch aus anderen Ländern zusammen, so Friedrich. Der Aufenthalt ist oft saisonal und mit einer Rückkehroption nach Deutschland verbunden. Man ist flexibel: Salvà verweist darauf, dass Mallorca für immer mehr Deutsche nur eine von mehreren Stationen oder eines von mehreren Standbeinen in der Welt sei.

Leichter in Zahlen fassen lässt sich der Trend, dass Deutsche auf Mallorca auch ihr Geld verdienen. Das geht aus den Zahlen der Sozialversicherung hervor, die das balearische Statistik-Institut (Ibestat) für die MZ aufgeschlüsselt hat. Demnach waren im zweiten Quartal dieses Jahres 10.302 Deutsche auf den Balearen berufstätig - rund 2.500 mehr als noch drei Jahre zuvor. Die größte Deutschen-Dichte in dieser Kategorie haben Andratx (10,0 Prozent), Capdepera mit dem Küstenort Cala Ratjada (9,5 Prozent) und Santa Margalida mit dem Küstenort Can Picafort (7,3 Prozent). In absoluten Zahlen liegt Palma vorne (2.211), es folgen Calvià (1.256) und Llucmajor (683).

Wo Mallorca am deutschesten ist, liegt also im Auge des Betrachters. Vorschläge macht die MZ in einer Serie in der Printausgabe sowie im E-Paper, zu der auch Ihre Anregungen willkommen sind (mallorcazeitung@epi.es).

Top Ten der Gemeinden

Diese Liste zeigt das Ranking der Gemeinden Mallorcas, in denen laut spanischem Statistik­institut (Januar 2013) die meisten Deutschen gemeldet sind. Diesen absoluten Zahlen haben wir in der obigen Karte den Anteil an der jeweiligen Bevölkerung gegenübergestellt.

1. Palma (4.113)

2. Calvià (3.872)

3. Llucmajor (2.547)

4. Manacor (1.909)

5. Capdepera (1.245)

6. Santa Margalida (984)

7. Andratx (865)

8. Santanyí (785)

9. Alcúdia (781)

10. Campos (653)