Das Glück steckt in einem Styroporbehälter, der - profan gesagt - aussieht wie eine Eispackung aus dem Supermarkt. In unscheinbaren Boxen wie dieser lagern bei -196 Grad in flüssigem Stickstoff die Eizellen einer Spenderin, die einer verzweifelten deutschen Frau den lange gehegten Wunsch erfüllen sollen: Nach unzähligen fehlgeschlagenen Fruchtbarkeitsbehandlungen doch noch ein Kind zu bekommen.

Jedes Jahr reisen Hunderte Deutsche nach ­Mallorca, um auf der Insel offiziell Urlaub zu machen. Der eigentliche Grund der Reise aber ist der Empfang einer fremden Eizellspende in einer von mindestens drei Spezialkliniken. Die Eizellspende ist in Deutschland - im Unterschied zu einer Samenspende durch den Mann - verboten, in Spanien aber seit 1996 erlaubt. Das deutsche Verbot empfindet Gynäkologin Sabine Rehkugler (49), die in der Kinderwunschklinik IBIlab in Palma arbeitet, als „nicht nachvollziehbar". Ihr Kollege Olaf Naether (60), der erst seit wenigen Monaten von einer Klinik in Hamburg ins Fertility Centre der Juaneda-Klinik in Palma gewechselt ist, fühlt sich gar „von Fesseln befreit" - zumal Ärzte in Deutschland theoretisch nicht einmal über die Alternative einer Eizellspende im Ausland aufklären dürfen.

Doch wer alle zu Hause legalen Behandlungsoptionen erfolglos ausprobiert hat, fängt eben auf eigene Faust an, nach Alternativen zu suchen. Und findet sie im Internet - oder nach Empfehlung von Leidensgenossinnen, wie im Falle von Julia (Name von der Redaktion geändert): Die 42-jährige Münchnerin lässt sich dieser Tage im IBIlab erneut behandeln. Julia und ihr Mann haben mit der Klinik bereits gute Erfahrungen gemacht: „Wir haben dank einer auf Mallorca erfolgten Eizellspende schon einen zweijährigen Sohn, jetzt wünschen wir uns ein zweites Kind."

Die Geschichte von Julia steht stellvertretend für viele andere: 33 war sie, als sie und ihr Mann beschlossen, ein Kind zu zeugen. Doch es wurde einfach nichts. Ihr Gynäkologe in Deutschland konnte keine Probleme feststellen, empfahl aber den Weg der künstlichen Befruchtung. Nach vielen Versuchen kam mit 38 die ernüchternde Diagnose: Julias Eizellreserven waren aufgebraucht, weitere Versuche zwecklos.

Ganz überraschend kam das nicht: „In den Jahren der Therapie befasst man sich Schritt für Schritt mit dem Gedanken: Das wird wohl nichts", erzählt die blonde Frau. Als ihr dann eine Bekannte, der es ähnlich ging, von der Klinik auf Mallorca erzählte, setze sie sich mit ihrem Mann ins Flugzeug, um sich vor Ort zu informieren. Ein wichtiges Thema: Wie wird die Spenderin ausgesucht? Und wird mir das Kind ähnlich sehen? Gynäkologin Rehkugler beruhigt in solchen Fällen: „Das kriegen wir gut hin. Gerade durch die gemischte Bevölkerung auf Mallorca haben wir auch viele Spenderinnen des nordischen Typs." Die Wahl der passenden Spenderin sei vor allem von Blutgruppe, Haut- und Augenfarbe, aber auch von Größe und Gewicht abhängig. Patientin Julia jedenfalls ist zufrieden: „Mein Sohn ist so blond wie ich - und die Nase hat er vom Papa."

Im Fertility Center der Juaneda ist man besonders stolz auf den großen Spender­pool, laut eigenen Angaben eine der größten Banken für gefrorene Eizellen in Spanien. „Das erlaubt es uns, nicht erst dann mit der Suche nach einer passenden Spenderin zu beginnen, wenn die Empfängerin vor Ort ist", so Reproduktionsmediziner Naether. Berührungsängste mit dem Thema Tiefkühl-Eizelle gibt es laut Naether nicht: „Warum auch? Wir haben an meiner früheren Klinik in Hamburg mit den eigenen tiefgekühlten Eizellen von Frauen gearbeitet. Da kamen Kinder zur Welt, die praktisch zehn Jahre ´auf Eis´ gelegen hatten - und die waren auch nicht öfter erkältet", scherzt er.

Als Spenderinnen in Frage kommen junge Frauen im Alter von 18 bis 35 Jahren, die gesund sind und bei denen keine genetischen Erkrankungen in der Familie bekannt sind. Bevor sie spenden dürfen, werden sie umfassenden medizinischen Tests unterzogen. Zwar wird die Spende als altruistischer Akt betrachtet, trotzdem erhalten die Frauen eine Aufwandsentschädigung: Im IBIlab liegt sie zwischen 600 und 900 Euro. Das ist durchaus gerechtfertigt: Zehn bis zwölf Tage vor der Spende bekommt die Frau täglich eine Spritze, um die Produktion der Eizellen anzukurbeln. Die Entnahme erfolgt dann unter Vollnarkose. Die Anonymität der Spenderin bleibt strikt gewahrt, so sieht es das spanische Gesetz vor - es ist für deutsche Patientinnen also nicht möglich, eine Freundin oder Schwester direkt als Spenderin mitzubringen. Anders ist die Rechtslage beispielsweise in Großbritannien: Dort darf eine Eizellspende nur dann erfolgen, wenn die Identität der Spenderin bekannt ist - die Spendenbereitschaft ist dementsprechend niedrig, die Wartelisten lang, weshalb auch englische Paare sich auf Mallorca behandeln lassen.

Allerdings sind in den beiden Fruchtbarkeitskliniken in Palma die deutschen Patientinnen in der Überzahl. Im IBIlab erfolgten im vergangenen Jahr 18 Prozent aller Behandlungen an Ausländern, davon waren 80 Prozent Deutsche. Im Fertility Center, wo Jahr für Jahr rund 100 Frauen künstlich befruchtet werden, liegt die Ausländerquote gar bei 80 Prozent, von denen wiederum 90 Prozent aus Deutschland angereist kommen.

Man hat sich auf die deutsche Kundschaft eingestellt: Die Internetauftritte aller drei Kliniken - zu den hier genannten kommt noch das Instituto de Fertilidad hinzu, das nicht auf die MZ-Fragen antwortete - sind auf Deutsch abrufbar, sowohl Patientenbetreuer als auch Ärzte sind Deutsche. „Dass wir von einer deutschsprachigen Ärztin betreut werden, war uns wichtig - schließlich steckt man viel Zeit, Geld, Wünsche und Hoffnungen in die Behandlung, da möchte man sich auch perfekt verstanden fühlen", so Julia.

Im IBIlab sorgen sich die Mitarbeiter nicht nur um die medizinischen Belange, sondern auch um das Drumherum. Ein Spezialtarif mit Air Berlin erlaubt spontanes und kostenfreies Umbuchen, was im Fall einer Frisch-Eizellspende nötig sein kann (siehe Interview rechts), zudem gibt es ein Abkommen mit strategisch günstig gelegenen Hotels, die Sonderrabatte einräumen. Auch beim Fertility Center verfügt man über eine Liste mit Hotelempfehlungen.

Neben den guten Fluganbindungen gibt es für viele unfruchtbare Frauen ein weiteres Argument für Mallorca: Hier ist die Eizellspende vielleicht etwas teurer als im bei Deutschen ebenfalls beliebten Tschechien, „aber eine Woche ­Mallorca-Urlaub lässt sich zu Hause viel besser rechtfertigen als eine Woche Prag", so Naether. Denn die Eizell-Spende ist in Deutschland nach wie vor ein Tabu. Zum einen auf der medizinischen Seite: „Die Vorbereitung der Frauen - etwa die Ultraschall-Untersuchung - erfolgt beim Gynäkologen in Deutschland, der aber theoretisch nicht wissen darf, warum er das macht. Es ist ziemlich kompliziert: Wir sagen der Patientin, was wir brauchen, die sagt es dann ihrem Arzt. Auf direktem Wege wäre es einfacher, aber wir wollen die Kollegen in Deutschland nicht in unangenehme Situationen bringen", so Rehkugler vom IBIlab.

Doch auch im privaten Umfeld wird der eigentliche Grund dieses ganz speziellen Mallorca-Urlaub oft verheimlicht. „In unserem Fall wissen es nur unsere Eltern - und die Bekannte, die uns die Klinik empfohlen hat", so Julia. Sie hat sich - wie fast alle Frauen in ihrer Lage - auch

darüber Gedanken gemacht, ob sie ihrem Sohn und dem zweiten Wunschkind später von den Umständen der Zeugung erzählen soll. „Das werde ich später entscheiden - vielleicht ist das Thema in 20 Jahren ja auch gar nicht mehr so tabubehaftet wie heute noch."

Die beiden deutschen Experten haben unterschiedliche Meinungen zum Thema: Rehkugler empfiehlt ihren Patientinnen, den Kindern gegenüber offen mit dem Thema umzugehen. „Sobald die ersten Nachfragen kommen, sollte man es erzählen und nichts verheimlichen." Ihr Kollege Naether sieht das ganz anders: „Ich habe aus den unzähligen Samenzellspenden, die ich im Laufe meiner Karriere in Hamburg durchgeführt habe, die Lehre gezogen, dass man es dem Kind auf keinen Fall erzählen sollte. Wenn man es ihm mit 18 oder 20 Jahren sagt, destabilisiert das das Vertrauens­verhältnis zu den Eltern oft unwiderbringlich."

Probleme, das aus der Eizelle einer anderen Frau entstandene Kind zu akzeptieren, haben die Frauen so gut wie nie. „Für mich war das kein Thema, ich habe meinen Sohn ausgetragen, er ist unser absolutes Wunschkind", sagt Julia. Zwischen 6.000 und 7.000 Euro hat die Erfüllung des Traums gekostet - das erwünschte Geschwisterchen wird nicht ganz so teuer: Julia und ihr Mann greifen dafür auf einen der Embryonen zurück, die von der ersten Behandlung übrig sind und seitdem tiefgefroren gelagert wurden (siehe re.). „Natürlich wäre es schöner gewesen, wenn es auf die romantische Art geklappt hätte. Aber unser Sohn ist unser ganzes Glück, das ein Geschwisterchen jetzt noch krönen würde." Die Insel kannten sie und ihr Mann nur von einem lange zurückliegenden Urlaub. Doch seit ihr Erstgeborener hier entstand, „ist Mallorca für uns mit ganz besonders guten Erinnerungen behaftet."