Wenn nur diese Tattoos und Piercings nicht wären. Manchmal landeten richtig gute Bewerbungen auf ihrem Tisch, von Kandidaten, die sie sofort einstellen würde, erzählt Rosana Morillo, Personalchefin der Starwood Hotels auf Mallorca. „Doch unsere Unternehmensphilosophie verbietet derartigen Körperschmuck." Im gediegenen Ambiente des Son Vida Hotels - eines der Starwood-Häuser auf Mallorca - sei das einfach unpassend. „Vielen jungen Leuten scheint nicht klar zu sein, dass sie sich damit die berufliche Zukunft verbauen."

Dass Morillo auf der Insel immer wieder Schwierigkeiten hat, geeignetes Personal zu finden, hat aber noch einen anderen Grund: Manche Berufe, die in einem Fünf-Sterne-Hotel gebraucht werden, gebe es in Spanien de facto nicht einmal. Den des mayordomo oder Butler zum Beispiel. Diese Ausbildung werde an der balearischen Tourismus-Fachhochschule (Escuela Universitaria de Turismo de Baleares) überhaupt nicht angeboten - und ebenso wenig auf dem spanischen Festland. Dabei seien qualifizierte Top-Servicekräfte in Zeiten, in denen der Qualitäts­tourismus eine immer bedeutendere Rolle spielt und die Luxushotels nur so aus dem Boden sprießen, unabdingbar. „Ich habe also nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich nehme Leute von hier und lasse sie auf Kosten des Unternehmens weiterbilden, oder ich stelle Ausländer ein." Vor allem in Deutschland und Österreich werde man meist schnell fündig.

Auch die Personalverantwortlichen des Portals Hills Boutique Hotels in Portals Nous, das am 1. April eröffnen und während der Sommersaison um die 65 Arbeitsplätze schaffen will, schauen sich nicht nur auf der Insel um. Im Ideal­fall sollte sich das Personal aus einheimischen und internationalen Mitarbeitern zusammensetzen, sagt Judith Garau. „Doch auf Mallorca ist die Auswahl begrenzt, da vor allem im Winter viele gute Leute auf dem Festland oder im Ausland sind." Weil die vor Ort zur Verfügung stehenden Kandidaten oftmals nicht die erforderlichen Qualifikationen erfüllten, nehme man gerne auch die Bewerbungen von Deutschen, Briten oder Tschechen an, die zuhauf eintrudeln.

„Wir sind nun mal ein Luxushotel mit hohen Ansprüchen", sagt Garau. Während man in der Küche vor allem Wert auf Berufserfahrung und kulinarisches Know-how lege, seien im gesamten Servicebereich einwandfreie Fremdsprachenkenntnisse erforderlich - egal ob man sich nun als „Sales Representative" für die In-house-Boutique, als „Wellness Lounge Manager" oder „Front Office Agent" bewirbt.

An Jobangeboten in der gehobenen Hotelklasse mangelt es generell nicht. Im Stellenmarkt der Lokal­zeitungen sucht das Luxus-Land­hotel ebenso wie ein Vier-Sterne-Haus an der Playa de Palma oder ein Hotel der Kategorie Vier-Sterne-Superior in Palmas Innenstadt. Bewerbungen sind an anonyme Mailadressen wie selectionstaff2015@gmail.com oder personalhotel2015@gmail.com zu richten. Ebenso sind die einschlägigen Internet-Jobbören voller Anzeigen. Große Hotelketten indes ­schreiben ihre freie Stellen direkt auf der eigenen Website aus - wo die Bewerbungsunterlagen auch gleich hochgeladen werden können.

Dass dabei altbewährte Prinzipien in der Tourismusbranche - Weiterempfehlung durch einen früheren Vorgesetzten und Mundpropaganda - nicht mehr funktionieren, ist Hugo Ramírez ein Dorn im Auge. „Wie soll man in einer Online-Nachricht einen persönlichen Eindruck hinterlassen?", fragt sich der 42-jährige Mexikaner, der sieben Sommer lang im Hotel Nixe Palace in Cala Mayor gearbeitet hat, ehe sein Vertrag nicht mehr verlängert wurde. Schon in der vergangenen Saison habe er an so mancher Hotel­rezeption, wo er seinen Lebenslauf abgeben wollte, den Satz zu hören bekommen: „Bitte mailen, wir nehmen kein Papier mehr an." Er selbst setzte trotzdem weiterhin auf die traditionelle Strategie und spreche persönlich bei potenziellen Arbeitgebern vor. „Dass man unter hunderten Online-Bewerbern überhaupt angerufen wird, ist doch reiner Zufall. Die streichen mich doch allein schon wegen meines Alters von der Liste", sagt Ramírez.

Die aus Kuba stammende Leydis Torres, die in ihren drei Jahren auf Mallorca schon in mehreren Hotels und unter anderem als Kellnerin und Animateurin tätig war, verteilt ihre Bewerbungen ebenfalls am liebsten persönlich. In der kommenden Saison würde sich die ausgebildete Touristikfachfrau gerne als Rezeptionistin versuchen, aber die Konkurrenz sei groß - größer als in Kuba oder Moskau, wo sie ebenfalls schon beruflich Station gemacht hat. „Das Problem auf Mallorca ist, dass viele Festlandspanier und Ausländer zur Arbeitssuche herkommen." Am Ende müsse man deshalb meist nehmen, was man kriegt - auch wenn die Arbeitsbedingungen schlecht und Überstunden an der Tagesordnung sind. Dass man in der Gastronomie vier Stunden mehr arbeite als im Vertrag stehe, sei üblich, sagt Torres. „Doch wenn ich ein Angebot ablehne, macht es eben jemand anderes, die Bewerber stehen Schlange."

Nicht so bei Marga, die für die Personalauswahl im Vier-Sterne-Hotel Coronado in Peguera zuständig ist. An Interessenten würde es zwar nicht mangeln, allerdings entsprächen die alle nicht dem gesuchten Bewerberprofil - und das lautet: Muttersprachler Deutsch. „Ich habe hier zig Lebensläufe, von Spaniern, Osteuropäern, anderen Ausländern, aber nicht von Deutschen. Die haben anscheinend alle schon Jobs oder wollen gar nicht im Tourismus arbeiten." Oder zumindest nicht als Gäste­betreuer oder Spa-Verantwortlicher. „Unsere offenen Stellen sind natürlich auch sehr speziell", muss Marga sich eingestehen. Sie würde deshalb längst auch Nicht-Muttersprachler akzeptieren, solange die halbwegs fließend Deutsch könnten. „Unsere Kunden sind nun mal zu 80 Prozent deutschsprachig." Mit Schwierigkeiten dieser Art habe sie jedes Jahr zu kämpfen. Und daran werde sich auch nichts ändern, solange dem Fremdsprachenunterricht und -studium auf der Insel nicht endlich ein höherer Stellenwert beigemessen werde.

Problem Fremdsprachen

In der Personalabteilung von Meliá, einem der größten Hotelkonzerne der Insel, bedauert man ebenfalls, dass Fremdsprachenkenntnisse in Spanien Mangelware sind. Dies sei eine der größten Schwächen der hiesigen Tourismusbranche. Gerade jüngere Generationen hätten dieses Manko aber längst erkannt und würden viel dafür tun, um es zu beseitigen. Schließlich sei Englisch heutzutage Grundvoraussetzung für den einfachsten Hoteljob. Nichtsdestotrotz brächten selbst das perfekte Beherrschen einer Fremdsprache oder gar Auslandsaufenthalte allenfalls Pluspunkte, könnten aber das Fehlen von Ausbildungs- oder Uniabschlüssen nicht aufwiegen, heißt es bei Meliá. „Wir setzen uns seit jeher für die Professionalisierung der Branche ein, egal ob im Management, im Kundenservice oder Marketing." In einem großen Touristik-Unternehmen sei deshalb nicht nur Platz für Absolventen eines Tourismus­studiengangs, sondern für Spezialisten aus den verschiedensten Fachbereichen.

„Der Markt bietet viel", sagt auch Antonio Pita, Personalchef der Hotelkette Grupo Piñero. „Wer eine gute Ausbildung mitbringt, findet auf Mallorca problemlos Arbeit." Die Zeiten allerdings, in denen man die Schule oder das Studium schmeißen konnte, um sich einen Job im Tourismus zu suchen, die es wie Sand am Meer gab, seinen längst vorbei. Und dennoch hätten viele die Notwendigkeit eines Abschlusses immer noch nicht erkannt. Vielen fehle die Motivation, zu Weiterbildungskursen müsse man die Angestellten fast verpflichten - obwohl sie gratis von den Unternehmern oder vom Staat angeboten würden, und viele Saisonkräfte im Winter ohnehin nichts zu tun hätten. „Dabei sollte jede Küchenhilfe das Ziel haben, es einmal bis zum Küchenchef zu bringen", redet sich Pita in Rage. Ein deutlich ­besseres Bild als von der einheimischen Jugend hat der Personaler von jungen Deutschen, die auf die Insel kommen, um Berufs- und Auslandserfahrung zu sammeln. „Die jobben mal ein Jahr an der Rezeption oder als Kellner." Aber danach wollten sie Karriere machen, ist Pita überzeugt. „Die Leute hier hingegen hatten es zu lange zu einfach und sind verdammt bequem geworden."

„Ich bin nicht anspruchsvoll"

Die Mallorquinerin Laura, die mit ihren 19 Jahren lediglich die verpflichtende Sekundarstufe, die nach der 10. Klasse endet, absolviert hat, will es statt mit dem Abitur oder einer Ausbildung erstmal als Bedienung oder Tellerwäscherin versuchen. Abgesehen von einer Anzeige im Internet, auf die ihr interessierte Arbeitgeber gern auch per Whatsapp antworten können, hat sie aber in Sachen Jobsuche noch nicht viel unternommen. „Ich nehme alles, was man mir anbietet", sagt sie und kichert. „Ich bin nicht anspruchsvoll."

Keinerlei Ausbildung und Berufserfahrung fordern die Partytempel an der Playa de Palma, die derzeit wieder nach Promotern, Ticketverkäufern oder auch Gogo-Girls für die bevorstehende Saison suchen. Als sogenannter relaciones públicas, also gut gelaunter Typ, der die Urlauber über das Partyprogramm in MegaPark, Bierkönig und Co. informiert, könne man gutes Geld verdienen, weiß der 34-jährige Kiko. „100 bis 150 Euro am Tag sind drin, aber darauf habe ich absolut keine Lust mehr", so der Deutsche, der vor seiner Zeit auf Mallorca sechs Jahre als Animateur in Hotels in der Türkei gearbeitet hat. „Am liebsten würde ich an der Rezeption arbeiten." Doch bisher sei er in Arenal, wo er wohne, kaum auf Stellenangebote gestoßen.

Dass in manchen Unternehmen nur wenige Jobs zu besetzen sind, kann allerdings auch ein gutes Zeichen sein. „Bei seriösen Arbeit­gebern, die pünktlich zahlen und ihre Mitarbeiter gut behandeln, ist die Fluktuation relativ gering", sagt ein deutscher Resident, der seit Jahren in einem Hotel der Hipotels-Gruppe in Cala Millor arbeitet. Schließlich kündigten meist nur unzufriedene Mitarbeiter schon nach einer Saison wieder oder müssten gehen, weil das Unternehmen stets nur befristete Verträge vergibt.

Doch auch in angesehenen Unternehmen lasse sich eine gewisse Fluktuation nicht vermeiden, weiß Antonio Pita von Grupo Piñero. „Oft ist es schwer, gute Leute zu halten, wenn man ihnen nur sieben Monate Arbeit bieten kann", sagt er in Anspielung auf die schwache Nebensaison. Viele würden der Insel deshalb den Rücken kehren, wenn sich ihnen die Möglichkeit böte, auf den Kanaren oder im Ausland das ganze Jahr zu arbeiten.

Wobei das selbst dann passieren kann, wenn sie dies auch auf Mallorca könnten. „Wir haben Leute, die hier sehr zufrieden sind, aber sich trotzdem mal beruflich verändern wollen", sagt Starwoods-Personalchefin Rosana Morillo. Insbesondere Nordeuropäer seien sehr offen für gelegentliche Ortswechsel. „Wir Spanier sind dagegen nach wie vor sehr statisch und an die Familie gebunden, vor allem die Frauen."