Entspannter kann ein Bürgermeister kaum wirken: Carlos Simarro ist an diesem Freitag (10.4.) gut gelaunt, nachdem die Oppositionsparteien am Vortag ein Eigentor geschossen haben. Die geplante Einheitsliste Junts per Sóller (Gemeinsam für Sóller), mit der Sozialisten, Més und weitere linke Gruppierungen bei den Kommunalwahlen am 24. Mai gemeinsam gegen die in Sóller regierende Volkspartei (PP) antreten wollten, ist geplatzt. Es wäre ein Experiment gewesen, dass nicht nur für weitere Gemeinden auf Mallorca, sondern auch für Inselrat und Balearen-Parlament neue politische Perspektiven aufgetan hätte.

„Mir wäre es lieber gewesen, dieser Pakt wäre zustande gekommen", sagt Simarro dennoch. Seine Partei stellt derzeit 9 von 17 Gemein­deräten. „Dann wissen die Wähler wenigstens, wem sie da ihre Stimme geben." Sorgen bereitet habe ihm das Bündnis nicht, „hier in Sóller machen immer alle gemeinsam gegen die PP Front." Was für eine Regierung könne man sich von Parteien erwarten, die sich schon vor den Wahlen nicht einigen könnten, frotzelt der Bürger­meister weiter.

Das Scheitern des Bündnisses ist ein herber Rückschlag für die Oppositionsparteien. Sozialistenführer Pep Lluís Colom ist denn auch auf Tauchstation und telefonisch nicht zu erreichen. Jaume Servera von der linken Regionalpartei Més dagegen spricht offen über die Gründe: Demnach scheiterte das Experiment nicht wegen inhaltlicher Meinungsverschiedenheiten, sondern am Postenge­schacher und der Verteilung der Listen­plätze. „Dabei hatten wir überhaupt kein Problem damit, dass die Sozia­listen auch den Spitzen­kandidaten stellen", so Servera.

Das Projekt Junts per Sóller war im Februar in Gang gekommen und vor allem deshalb bemerkenswert, weil auch die neue Linkspartei Podemos sowie die aus sozialen Bewegungen hervorgegangene Initiative Guanyem mit an Bord waren und alle zugunsten der Einheitsliste auf ihre Parteinamen verzichten wollten. Doch die Parteiführung von Podemos legte ihr Veto ein - Bündnisse müssten schließlich von der Parteibasis legitimiert werden. Der Führer von Podemos in Sóller gab deswegen sein Amt als Generalsekretär der Partei in der Gemeinde ab, um trotzdem kandidieren zu können. Ein Sprecher von Podemos distanziert sich gar gegenüber der MZ ganz und gar von dem Projekt. Im April stieg dann schließlich auch Guanyem aus, weil man bei den Listen­plätzen zu kurz gekommen sei.

Was lange währt ?

Bei so vielen Strategiespielchen rückt die Debatte um die Inhalte in den Hintergrund. Dabei wurden in der Gemeinde im Orangental in den vergangenen vier Jahren Projekte zu Ende gebracht, die lange auf eine Lösung gewartet hatten. Dazu gehört die durch die Verlegung der Straßenbahn-Schienen ermöglichte Umwandlung der Uferpromenade in Port de Sóller. Oder der Abriss des früheren Hotels Rocamar, das an der Playa d´en Repic die Landschaft verschandelte. Oder eine Reform der Verkehrsführung im verwinkelten Sóller, die unter anderem die Zufahrt nach Fornalutx erleichtert - für eine Verlängerung der Carrer Sant Jaume um 350 Meter mussten zahlreiche Grundstücke teilenteignet werden.

„Wir haben 95 Prozent unserer Wahlversprechen erfüllt", sagt Simarro - eine Bilanz, die nahezu alle PP-Bürgermeister Mallorcas in diesen Wochen identisch ziehen. Als Beispiele nennt der 54-Jährige die Fertigstellung der kommunalen Leichenhalle - „endlich gibt es eine würdige Einrichtung" - sowie auch des Sportkomplexes, den täglich rund 1.000 sóllerics besuchten. Vor allem aber sei der Haushalt nach der Abwahl von Mitte-Links in Sóller 2011 wieder in Ordnung gebracht worden, so Simarro. Die Schuldenlast sei um 4 Millionen auf 6,5 Millionen Euro gedrückt worden, Lieferanten würden im Schnitt nach 37 Tagen bezahlt - statt nach 280 Tagen, wie vor vier Jahren.

Die Opposition misstraut dem Zahlenwerk. Den Schuldenberg habe Simarro selbst in früheren Regierungsjahren angehäuft, hält Servera von Més entgegen. Und die jetzige Bilanz werfe zahlreiche Fragen auf, die man sich im Zuge einer Rechnungsprüfung genauer ansehen wolle. Der Oppositions­politiker kritisiert die Haushalts­politik als „intransparent", Anfragen über einzelne Posten blieben unbeantwortet. Dass so einige Probleme in Sóller gelöst worden seien, dem stimmt Servera zu. Allerdings schmücke sich der Bürger­meister mit fremden Federn. Ob Uferpromenade, Hotel­abriss oder Straßenreform - verantwortet und finanziert hätten viele Projekte übergeordnete Institutionen wie Inselrat, Landesregierung oder Küstenbehörde.

Trotz der Investitionen sei etwa die Promenade noch nicht im Idealzustand - der Sand am aufgeschütteten Strand wird immer wieder weggeschwemmt. Das Problem habe man im Griff, versichert hingegen Simarro: Der von der Strömung ans andere Ende der Bucht getragene Sand werde regelmäßig wieder aufgetragen. Und auch die Probleme mit Abwasserlecks an einem Teil der Playa de Can Repic seien gelöst - Ursache war eine übergelaufene Sickergrube.

Wirbel um den Supermarkt

Steckengeblieben ist unterdessen das Projekt für einen großen Supermarkt in Sóller - bislang erledigen viele Anwohner ihre Einkäufe in Palma, wie Bürgermeister Simarro betont. Doch eine Ausschreibung, in deren Rahmen ein Grundstück der Gemeinde in der Carrer Cetre an einen Handelskonzern verpachtet werden sollte, blieb am Ende ergebnislos. Es lag wohl an den Anforderungen - etwa zur Zahl der Parkplätze - aber vor allem am Protest in der Bevölkerung. Dabei wäre der Supermarkt gar keine direkte Konkurrenz zu lokalen Händlern gewesen, glaubt Simarro.

Die Opposition bezweifelt dies. Servera von Més kritisiert zudem die Standortwahl. Das Grundstück werde gebraucht, um in Zukunft die Schule oder das Gesundheitszentrum zu erweitern, und dürfe nicht privatisiert werden. „Wir sind doch keine Immobilienhändler", so der 53-Jährige, der hauptberuflich an Palmas Flughafen für die Kommunikationsanlagen zuständig ist.

Ein weiterer Streit in Sóller kreist um das Parkplatzangebot. So wurde die Kurzparkzone in der zu Ende gehenden Legislaturperiode massiv erweitert, Anwohner müssen für Parkausweise zahlen. Während die Opposition eine Verkehrsstudie fordert, plant die regierende PP den Bau zweier Parkhäuser in Sóller und Port de Sóller, wo das Projekt laut Simarro bereits fortgeschritten ist. Entstehen sollen jeweils rund 300 Stellflächen.

Reiches Kulturerbe

Auf der To-do-Liste steht zudem die Herrichtung des Cine Fantasio, eines bis 1982 als Kino betriebenen Komplexes, der seit acht Jahren im Eigentum der Gemeinde ist. Mit der Hilfe privater Investoren soll hier ein Kulturzentrum entstehen, für das sich etwa auch der TV-Regisseur David Carreras einsetzt. Und da ist das Projekt eines Industrie­museums, das der deutsche Unternehmer Franz Kraus (Fet a Sóller) vorantreibt. Hier müssen erst noch die baurechtlichen Weichen gestellt werden.

Die Oppositionsparteien wollen für kulturelle Veranstaltungen das Theater Defensora Sollerense wieder zum Leben erwecken. Der inzwischen heruntergekommene Bau in der Carrer Real, der den Wohlstand des Industriestandorts Sóller Anfang des 20. Jahrhunderts widerspiegelt und 1998 der Gemeinde überlassen wurde, wäre nach Ansicht von Servera ein idealer Ort für größere Veranstaltungen. „Bislang haben wir dafür eigentlich nur die Kirche."

Neben den Strategiespielen gibt es also eine ganze Reihe von Themen, die Aufmerksamkeit verdient haben. Auch wenn die Oppositionsparteien letztendlich nicht zueinander fanden, liege man inhaltlich ganz eng beieinander, versichert Més-Politiker Servera. Er übt sich in Optimismus: Das Programm, das man gemeinsam ausgearbeitet habe, könnte somit immer noch als Grundlage für eine Koalition der Linksparteien dienen - nach den Wahlen versteht sich.