Wenn am Sonntag (24.5.) um 20 Uhr die Wahllokale schließen und die Stimmen ausgezählt werden, stehen die Balearen vor einer Richtungsentscheidung: Wird die konservative Volkspartei (PP) weitere vier Jahre auf den Inseln regieren können? Oder schlägt das Pendel - so wie auch 2003, 2007 und 2011 - in die andere Richtung, und es ist wieder an der Zeit für ein Mitte-Links-Bündnis?

Dass Mallorca eine weitere politische Zäsur bevorsteht, das legen zumindest einige Umfragen nahe: Demnach dürfte Balearen-Premier José Ramón Bauzá (PP) die bislang bequeme absolute Mehrheit deutlich verfehlen und sich selbst mit Hilfe eines Juniorpartners nicht an der Macht halten können. Ausgemacht ist aber noch nichts. Dass liegt an den vielen Unentschlossenen und an dem rasanten Aufstieg zweier neuer Parteien - Podemos im linken Lager, Ciudadanos im rechten Lager. Die bisherigen politischen Spielregeln sind in vieler Hinsicht außer Kraft gesetzt.

Die Newcomer

Beispiel Podemos: Einerseits stärkt die aus den sozialen Bewegungen entstandene Formation, die sich für Partizipation und Transparenz einsetzt, das linke Lager. Andererseits ist noch weitgehend unklar, unter welchen Bedingungen sich die auf den Balearen von Alberto Jarabo geführte Partei mit den Sozialisten und der Linksformation Més per Mallorca auf ein neues Links-Bündnis einigen könnte. Nicht umsonst zählt Podemos die Sozialisten genauso wie die PP zu jener „Kaste", die sie für den politischen und sozialen Niedergang Spaniens verantwortlich macht.

Beispiel Ciudadanos: Einerseits wird die Partei als möglicher ­Juniorpartner der PP gehandelt. Der Spitzenkandidat auf den Balearen, Xavier Pericay, liegt mit Bauzá in der Wirtschafts- und der Anti-Katalanisch-Politik weitgehend auf einer Linie. Andererseits haben sich auch die Ciudadanos den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben und sehen bei der Balearen-PP in politischer Ethik sowie im politischen Management noch viel Nachholbedarf. Pericay beteuert denn auch, dass es keinerlei Absprache mit Bauzá gebe.

Dabei braucht es nicht gleich eine formelle Koalition - denkbar ist auch eine Minderheitsregierung links oder rechts der Mitte, die sich bei der Wahl des Ministerpräsidenten und bei wichtigen Entscheidungen auf die Stimmen eines Junior­partners verlässt.

Hier kommt möglicherweise auch noch die Partei El Pi ins Spiel, die wie das Linksbündnis Més per Mallorca dem regionalen Lager zuzuordnen ist, aber in Wirtschaftsfragen im politischen Zentrum rangiert. Sollte sie den Einzug ins Balearen-Parlament schaffen, käme sie wegen der Konflikte in der Sprachpolitik allerdings kaum als Koalitionspartner der PP in Betracht.

Neuer oder alter Kurs?

Premier Bauzá jedenfalls will im Fall des Machterhalts genauso weitermachen wie bisher (hier geht's zum MZ-Interview). Das heißt: unternehmerfreundliche Wirtschaftspolitik, roter Teppich für ausländische Investoren, weitere Verschlankung der öffentlichen Verwaltung, Sparanstrengungen im Gesundheitsbereich, hoteliers­freundliche Tourismuspolitik, Fortsetzung des dreisprachigen Unterrichtsmodells (TIL) an den öffentlichen Schulen, mit dem Katalanisch als vorherrschende Sprache zugunsten von Spanisch und Englisch zurückgedrängt werden soll.

Sollte dagegen die sozialistische Herausforderin Francina Armengol in einem Linksbündnis an die Macht kommen, würde das in vielen Bereichen eine 180-Grad-Wende bedeuten (hier geht´s zum MZ-Interview): Stärkung der Arbeitnehmer­rechte, Skepsis gegenüber großen Investitionen beispielsweise in Einkaufs- und Vergnügungszentren, ehrgeizige und teure Sozialpolitik, Rücknahme von Kürzungen im Gesundheitsbereich, möglicherweise eine Touristensteuer, Vorherrschaft des Katalanischen in den Schulen.

Von der Entscheidung an den Urnen hängen zudem Karrieren ab - für Bauzá wie auch für Armengol wird die Wahl zur Schicksalsfrage. Der PP-Vorsitzende wurde für seinen kompromisslosen Kurs auch parteiintern kritisiert. Falls die Konservativen auf die Oppositionsbank müssen, haben seine Widersacher gute Argumente. Armengol wiederum konnte sich schon vergangenes Jahr in Vorwahlen nur knapp behaupten. Die in inniger Feindschaft mit Bauzá verbundene Sozialistin könnte nur schwer rechtfertigen, warum sie trotz dessen Steilvorlagen nicht den Weg aus der Opposition schafft.

Spiegelbildlich zum Balearen-Parlament dürften die Folgen im Inselrat ausfallen - das Wahlverhalten ist traditionell ähnlich, bei Bündnisfragen wurde bislang immer ein Gesamtpaket geschnürt. Den Spitzenkandidaten der beiden Volksparteien für den Consell - María Salom (PP) und Francesc Miralles (PSOE) - wurde im Wahlkampf denn auch nur wenig Beachtung geschenkt.

Entscheidung in 53 Rathäusern

Auf Kommunalebene wiederum werden 53 Stadt- und Gemeinderäte Mallorcas neu gewählt. Sind bislang die meisten Gemeinden der Insel in der Hand der Konservativen, könnten die Wahlen wieder verstärkt Linksbündnissen den Weg bereiten. Da jedoch oft praktische Fragen die ideologischen Grundsätze in den Hintergrund drängen, hängt das Wahlergebnis stark von den persönlichen Leistungen und der Popularität der Kandidaten ab.

Dass mehr deutsche Kandidaten als bislang in den Gemeinderäten vertreten sein werden, dafür stehen die Chancen schlecht: Elke Wilhelm, die bislang für die Sozia­listen im Gemeinderat von Calvià saß, wurde nicht mehr aufgestellt. Zumindest theoretische Chancen bestehen für rund ein Dutzend deutsche Kandidaten - am meisten Hoffnungen machen kann sich die Deutsche Alice Weber, die auf Platz zwei für Més in Inca antritt.

So spannend die Wahlnacht wird - angesichts der neuen Akteure und unklaren Mehrheitsverhältnisse dürften dem anstrengenden Wahlkampf zunächst genauso spannende wie auch anstrengende Verhandlungen folgen. Erst dann können die neuen Machthaber ihre Ämter im Balearen-Parlament, im Inselrat und in den Rathäusern antreten.

Über den Wahlausgang informieren wir Sie ab 20 Uhr in Echtzeit - die Stimmauszählung beginnt um 21 Uhr, wenn auch auf den Kanaren die Wahllokale schließen. Mit definitiven Ergebnissen wird gegen Mitternacht gerechnet.