Eine Baustelle keine 50 Meter vom Poolrand entfernt ist nicht schön. „Aber harmlos im Vergleich zu dem, was hier sonst so abgeht", sagt eine Urlauberin aus dem Spreewald, die sich mit ihrem Mann für zehn Tage im Riu Bravo-Hotel an der Playa de Palma einquartiert hat. Denn der Lärm der Baumaschinen auf dem Nachbargrundstück, wo die erste Fünf-Sterne-Herberge der Partyhochburg entsteht, werde problemlos vom Geschrei der zahlreichen jungen und vor allem trinkfreudigen Touristen übertönt - zumal diese nachts, wenn es auf der Baustelle längst still geworden ist, erst richtig aufdrehen. „Wir haben drei Nächte lang kaum geschlafen."

Beschwerden beim Hotelpersonal hätten zwar zur Folge gehabt, dass eine lautstark feiernde Gruppe in die Schranken gewiesen wurde. Doch kaum war Ruhe eingekehrt, kamen die nächsten Nachtschwärmer auf ihre Zimmer und feierten weiter. „Das ist uferlos, das können die nicht in den Griff kriegen", sagt die Deutsche, die den Angestellten auch gar keinen Vorwurf macht.

Wohl aber der Dame im Reisebüro in Deutschland. „Die hat uns das hier ganz anders verkauft", meldet sich ihr Gatte, der gerade eine Frikadelle verspeist, zu Wort. Die von ihnen geäußerten Bedenken, dass sich das Hotel sehr nah an Ballermann und Bierkönig befinde, seien von der Mitarbeiterin sofort zerstreut worden: Da Partyexzesse und Trinkgelage am Strand nun ja verboten seien, gehe es mittlerweile sehr ruhig zu, habe sie beteuert. Doch die Realität sehe komplett anders aus. Und die Polizei schaue dabei auch noch tatenlos zu, empören sich die beiden.

„Zum Entspannen kommt man in diesem Hotel nicht! Ob Tag oder Nacht, es gibt immer Geschrei. Die anderen Hotelbesucher waren zu 80 Prozent unter 25, dementsprechend auch das Verhalten. Sollte ich nochmal an der Playa de Palma landen, dann mit Sicherheit nicht in diesem Hotel!" (zitiert aus Tripadvisor)

Laut Tui-Kundenservice hängt die Zufriedenheit eines Urlaubers in erster Linie von der Unterkunft und dem Service im Hotel ab. Mehr als 70 Prozent der Beschwerden, die das Reklamationsmanagement des Reiseveranstalters pro Jahr registriert, betreffen deshalb diesen Bereich. Größten Wert legen Urlauber einer Kundenbefragung zufolge auf zuvorkommende Mitarbeiter, gefolgt von der Qualität des gastronomischen Angebots und vom - im Idealfall sauberen und gepflegten - Zustand der kompletten Hotelanlage. Erst auf Platz vier liegt die Ausstattung des Zimmers.

„Wir haben ein Vier-Bett-Familienzimmer gebucht. Was wir bekamen, war ein kleines, altes, schmutziges Zwei-Bett-Zimmer mit zwei extra Betten. Als sich unsere elf Jahre alte Tochter auf eines der Betten setzte, fielen direkt ein paar Latten raus ? und nein, sie hat kein Übergewicht." (Tripadvisor)

Aber von wegen deutsche Urlauber hätten immer und überall etwas zu nörgeln: Die Reklamationsquote bei Tui liegt nach Unternehmensangaben bei unter zwei Prozent. Noch nie sei die Zufriedenheit der Reisenden so hoch und die Zahl der Klagen gegen den Reiseveranstalter so niedrig gewesen wie heute, heißt es. Das würde auch am Beschwerdemanagement vor Ort liegen, wodurch 85 bis 90 Prozent der reklamierenden Gäste noch während ihrer Reise wieder zufrieden gestellt werden könnten.

Nicht so Dietmar Koppelberg, der über Schauinsland Reisen zehn Tage im Vier-Sterne-Hotel „Chill Out Cala Ratjada" gebucht hatte. „Es war der reinste Horror", erzählt er, wieder zu Hause, am Telefon. Handwerklicher Pfusch, Schimmel im Bad und sogar im Restaurant, andere Gäste berichteten von tropfenden Decken und überschwemmten Bädern. „Das musste offenbar so schnell fertig werden, dass nichts richtig trocknen konnte und nur Murks gemacht wurde." Auch dem reduzierten modernen Design - statt einem Schrank gab´s nur eine Kleiderstange und Regale - konnte Koppelberg nichts abgewinnen. Und was im Katalog als „exzellente Auswahl an köstlichen Speisen" angepriesen wurde, habe sich als Formschinken, Analogkäse und Tiefkühlkost erwiesen. Der Deutsche und seine Reisebegleiterin entschieden sich deshalb, auswärts zu frühstücken und zu essen - und fordern nun die hundertprozentige Rückerstattung der Kosten plus Schadenersatz.

„Das Hotel bezeichnet sich als renoviert, das bezieht sich wahrscheinlich darauf, dass diese Bausünde aus den 70ern einen neuen Anstrich bekam! Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass das Interieur in den Standardzimmern, im Speisesaal und vor allem in der Hotelbar samt Lounge komplett abgewohnt und verschlissen ist." (Tripadvisor)

Alfonso Rodríguez, der Vorsitzende von Mallorcas Verbraucherschutzvereinigung Facua, hat eine simple Erklärung für die unschönen Erfahrungen von Koppelberg und anderen Urlaubern: „Das haben wir dem neuen Tourismusgesetz zu verdanken", sagt er mit einem Seitenhieb auf die scheidende PP-Regierung. Das Regelwerk macht den Hoteliers das Kategorie-Upgrade, etwa von drei auf vier Sterne, seiner Meinung nach zu einfach. „Sie müssen hierfür nur ein Formular ausfüllen, und da kreuzen Sie dann an, dass es im Bad Shampoo und Seife gibt und zur Begrüßung Wasser und Obst auf dem Zimmer." Ob das tatsächlich der Fall sei, werde - wenn überhaupt - erst Monate später von den Behörden überprüft. Auch bei der vorgeschriebenen Mindestgröße für die Zimmer oder bei der Reinigungszeit pro Raum werde gerne getrickst, warnt Rodríguez. Da würden dann eben Einzel- als Doppelzimmer verkauft oder statt der angegebenen 20 nur fünf Minuten geputzt.

„Der Balkonboden war nicht eben, und man hatte das Gefühl, jederzeit ein Stockwerk tiefer zu fallen. Und schmutziger kann ein Boden auch nicht sein - man musste sich nach dem Begehen des Balkons die Füße waschen." (Tripadvisor)

Neben den Themen Service und Sauberkeit füllen Klagen über miserables Hotelessen seitenweise die einschlägigen Bewertungsportale im Internet. Geschmack sei natürlich subjektiv, sagt Verbraucherschützer Rodríguez. Wenn sich die Beschwerden aber häuften, könne es durchaus passieren, dass ein Restaurant mal Besuch von den Inspektoren des Tourismus- oder gar Gesundheits­ministeriums bekommt. Wobei sich die Frage nach der Qualität gerade bei absoluten Billigangeboten ja eigentlich von selbst beantworte. „Wenn bei All-inclusive 3 Euro pro Tag für die Buffet-Verpflegung kalkuliert werden, müsste einem doch der gesunde Menschenverstand sagen, dass das keine gehobene Küche sein kann."

„Zum Abendessen gab es trockene Aufbackbrötchen zu einer bestenfalls geschmacksneutralen Gemüse­suppe, gefolgt von gummiartigen Spaghetti mit Pesto in einer Öllache. Krönender Hauptgang: gegrilltes Schweinefleisch auf zwei halbgaren Kartoffelscheiben. Ich habe in meinem Leben noch nicht so schlecht gegessen, den Selbstversuch an dieser Stelle abgebrochen und von weiteren empirischen Studien abgesehen." (Tripadvisor)

Regelmäßig beanstandet werde von ausländischen Urlaubern außerdem, dass etwa Snacks wie Brot und Oliven, die man vielerorts ungefragt serviert bekommt, in Rechnung gestellt werden, berichtet der Vorsitzende der Facua-Vereinigung, die 2014 rund 400 Beschwerden aus dem Touris­musbereich bearbeit hat. „Wenn man etwas nicht bestellt hat, kann man sich als Kunde weigern, es zu bezahlen", so sein Rat. Ebenso illegal sei es, wenn auf der Karte die Preise nicht inklusive Mehrwertsteuer (IVA) ausgewiesen sind. „Das wird bestraft, wenn es aufgedeckt wird."

Wichtig sei deshalb vor allem, so Rodríguez, dass Touristen sich nicht nur beim Personal oder Reiseleiter über die mutmaßlichen Mängel beschwerten, sondern es auch die örtliche Verbraucherschutzvereinigung wissen lassen - indem sie die in jedem Hotel, Restaurant oder Geschäft ausliegende Hoja de reclamación (Beschwerdeblatt) ausfüllen. „Nur so können wir gegen schwarze Schafe vorgehen." Doch oftmals wüssten Touristen gar nichts von dieser Möglichkeit - oder das Ausfüllen scheitere an fehlenden Spanischkenntnissen.

„Der Gestank der Algen ist kaum zu ertragen. Die Algen sind zu großen Haufen am Strand aufgehäuft und trocknen in der Sonne. Wir können weder die Balkontür öffnen, noch am Pool liegen oder am Strand spazieren gehen. So haben wir uns den Urlaub auf Mallorca nicht vorgestellt."

(Tripadvisor)

Wenn man bedenkt, dass sich mancher Tourist sogar über zu viel Sand am Strand beschwert, sollten einen die alljährlich wieder kehrenden Klagen über mancherorts am Ufer angeschwemmte Algen eigentlich nicht wundern. Allerdings handelt es sich bei den langblättrigen Pflanzen aus dem Meer um ökologisch wertvolles Neptungras, das vor allem nach Unwettern mitunter haufenweise an der Küste angespült wird. Besonders betroffen ist zum Unmut vieler Urlauber derzeit unter anderem der Abschnitt zwischen Port d´Alcúdia und Port de Pollença. Entfernt werden darf das Seegras jedoch nur an offiziell ausgewiesenen Touristenstränden - wobei auch dort manchmal etwas liegen bleibt. Das Meer ist halt Teil der Natur.

„Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen mitzuteilen, dass es in Calas de Mallorca mit der Sauberkeit nicht so genau genommen wird. Die öffentlichen Anlagen verwildern, Rasen­flächen werden nicht gemäht, Müll liegt überall rum - ein hygienisches Desaster, und keinen geht es anscheinend etwas an? Pfui Teufel! (MZ-Leser Gerd Schlufter)

Und überall diese Unordnung. So wie Gerd Schlufter geht es vielen Mallorca-Urlaubern. Die Klagen über überquellende Müllcontainer, an den Stränden angeschwemmte Plastikabfälle und sonstigen Unrat reißen nicht ab. Dazu Hundekot auf den Bürgersteigen, verwahrloste Oliven­haine und schlecht ausgeschilderte Wege in der Tramuntana - es gibt so viel, wo in den Augen der deutschen Gäste dringend Verbesserungsbedarf bestünde. Doch ein Großteil der Insel gehört immer noch den Mallorquinern - und die sehen eben vieles anders.

„Der Weg zum Strand war mir leider auch zu weit und zu anstrengend, gerade bei der großen Hitze." (Tripadvisor)

Selbst wenn die manche Beschwerde auf den ersten Blick nach purer Nörgelei aussehen mag: „Aus Sicht des Kunden sind alle Beschwerden berechtigt", lautet die Devise beim Reklamationsmanagement der Tui. Egal, ob der eine Gast sich beschwert, dass er im Fünf-Sterne-Hotel lange Hosen tragen muss, und der andere, dass nicht alle lange Hosen tragen. Die meisten Anliegen seien nachvollziehbar, auch wenn nicht jede Unannehmlichkeit eine Erstattung rechtfertige. Und: „Die Zahl derer, die die Ecken mit Taschenlampen absuchen und fotografieren, ist sehr gering", versichert der Tui-Kundenservice.