Der unbefleckte Sozialist: Pedro Sánchez (PSOE)

Völlig überraschend für die meisten Beteiligten eroberte ein relativ unbekannter, einfacher Parlaments­abgeordneter im Sommer vergangenen Jahres den Vorsitz der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens (PSOE), nachdem mit Alfredo Pérez Rubalcaba ein Schwergewicht der Partei das Handtuch geschmissen hatte. Pedro Sánchez galt als frisches Gesicht einer etablierten, aber in die Jahre gekommenen Partei, die nun in einem radikal neuen politischen Umfeld ums Überleben kämpft. Sánchez Vater, ein Angestellter der Finanzbranche, war Mitglied der PSOE. Der Sohn, 1972 in Madrid geboren, trat 1993 in die Partei ein und arbeitete eine Zeit lang als Assistent im Europaparlament.

Sánchez hat an der Madrider Universidad Complutense Wirtschaft studiert und in diesem Fach auch promoviert (seine Doktor­arbeit wird unter Verschluss gehalten). Nach ein paar Jahren im Stadtrat von Madrid zog er 2009 ins Parlament ein. Vor dem Sprung an die Spitze hatte Sánchez kaum wichtige Funktionen in der Partei ausgeübt. Das ist in gewisser Sicht ein Vorteil, denn der 43-Jährige hat so die ­Fehler der Regierung des Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero nicht persönlich zu verantworten. Das war einer der Gründe dafür, dass ihn die Parteibasis bei der Urabstimmung 2014 statt erfahreneren Mitbewerbern zum Vorsitzenden wählte. Sánchez baut stark auf sein persönliches Image, ein attraktives Äußeres - er beschreibt sich selbst als Frauenheld, bis er die Mutter seiner zwei Kinder kennenlernte - und seine unbefleckte Vergangenheit. „Ich bin ein sauberer Politiker", lautet einer seiner Standardsätze, den er auch in der Fernsehdebatte mit Mariano Rajoy anwandte, als er den Minister­präsidenten auf eine ungewohnte, raue und aggressive Weise anging. Doch die eigent­lichen Rivalen sind nicht mehr die Konservativen, sondern Ciudadanos am rechten und Podemos am linken Rand der Wählerschaft der PSOE. „Wir sind die Linke, die regiert, nicht die, die nur protestiert", bekräftigt Sánchez. Sollte seine Partei am Sonntagabend nicht klar vor Podemos und Ciudadanos liegen, dürfte seine Karriere schon vorbei sein, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat.

Der erfahrene Konservative: Mariano Rajoy (PP)

Journalisten geht Mariano Rajoy möglichst aus dem Weg. Nur bei den Kollegen der Sportpresse fühlt sich der Fußball- und Rad-Fan wohl. So etwa Ende November als er im Sender Cope ein Spiel von Real Madrid kommentierte. „Ich bin Anhänger von Real Madrid und Deportivo La Coruña, aber eigentlich ist meine Mannschaft Pontevedra", sagte der Ministerpräsident in Anspielung auf seinen galicischen Heimatort. Rajoy legt sich eben ungern fest. Wie bei Bundes­kanzlerin Angela Merkel, zu der er ein enges Verhältnis entwickelt hat, weiß man bei dem 60-Jährigen nicht, was er wirklich über die meisten Dinge denkt.

Typisch für Galicier, sagen manche. Die Menschen in dieser abgelegenen Region an der Atlantikküste gelten als ebenso phlegmatisch wie pragmatisch, und ein wenig abergläubisch. Der Sohn einer Juristen­familie studierte ebenfalls Jura und ging nach einer kurzen Zeit als Beamter in die Politik. Der Konservative mit einem Faible für dicke Zigarren und gutes Essen brüstet sich gerne damit, dass er über reichlich Erfahrung auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung verfügte, so als Stadtrat von Pontevedra und in der Regional­regierung Galiciens, bevor es in ihn ins nationale Parlament nach Madrid verschlug.

Unter Ministerpräsident José María Aznar bekleidete er mehrere Ministerposten, unter anderem für Inneres und Bildung, und wurde schließlich vom Parteichef zu dessen Nachfolger ernannt. Zur Überraschung von Freund und Feind bewies Rajoy dann ein erstaunliches politisches Talent und Stehvermögen, als er zwei Wahlniederlagen und eine interne Revolte überstand. Als Spanien in der Wirtschaftskrise am Rande des Abgrunds stand, holte Rajoy Ende 2011 eine absolute Mehrheit. Obwohl die Wirtschaft mittlerweile wieder wächst und die Arbeitslosigkeit zurückgeht, wird der Konservative wegen seiner Spar­politik und den Reformen von der Konkurrenz hart attackiert. „Es ist eben leichter, in Talkshows zu reden, als zu regieren", klagt er.

Für einen Regierungschef ist Rajoy ziemlich scheu. Er meidet Gesellschaftsfeiern und versucht, möglichst jeden Abend bei Frau Elvira und den beiden gemeinsamen Söhnen zu sein. So auch zuletzt, was den Wahlkampf für seine Berater nicht gerade einfacher gemacht hat.

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Der ausgebuffte Linke: Pablo Iglesias (Podemos)

Als er zusammen mit Partei­freunden am Sonntag (13.12.) vor 10.000 jubelnden Menschen auf einer Bühne in Madrid stand, schossen Pablo Iglesias die Tränen in die Augen. Eine Woche vor den Parlamentswahlen liegt Podemos in den Umfragen wieder um die 20 Prozent. Dabei hatte Pablo Iglesias vor zwei Jahren noch mit einer kleinen Gruppe Gleich­gesinnter, die Mehrheit wie er Politik­dozenten, an dem Konzept einer Parteigründung gebastelt, die wenig später die politische Landschaft in Spanien aufwirbeln und das Establishment nervös machen sollte.

Die Eltern des 37-jährigen Madrilenen benannten ihn nach dem sozialistischen Gründervater Pablo Iglesias; ihr Sohn trat zunächst dem Jugendverband der Kommunisten bei. Iglesias studierte Jura an der Universidad Complutense in Madrid und promovierte danach in Politikwissenschaften. Während er an seiner Stamm­universität Politik lehrte, arbeitete er als Berater für den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, was konservative politische Gegner und Medien heute gerne gegen den Podemos-Chef verwenden. Nach einer frustrierenden Erfahrung als Berater der Izquierda Unida (IU) bei den Wahlen 2011 beschlossen Iglesias und seine Kollegen, eine eigene Partei zu gründen, die das Potenzial der Protestbewegung des 15. Mai nutzen könne. Bei den Europa­wahlen 2014 schaffte Podemos die große Überraschung, und ihr Vorsitzender zog als einer von fünf Abgeordneten nach Brüssel.

Iglesias erkannte früh die Macht der Medien und wurde dank seiner Redefertigkeit regelmäßiger Gast in Talkshows. Im Wahlkampf zog er auch durch Showprogramme, wo er Gitarre spielte und zugab, „früher" ­Marihuana geraucht zu haben. Ob er wieder liiert sei, wollte er aber nicht sagen -zwischenzeitlich war er mit der ehemaligen IU-Politikerin ­Tania Sánchez zusammen.

Dem Zopf und den karierten Hemden aus dem Supermarkt Alcampo ist Iglesias treu geblieben, doch seine Politik hat er deutlich gemäßigt. Die radikalsten Forderungen wurden begraben, der Podemos-Chef bekennt sich jetzt als Fan von Papst Franziskus. Interne Kritik an diesem Kurswechsel lässt er abblitzen. „Den Himmel erobert man nicht im Konsens, sondern im Sturm", zitierte er noch vor einiger Zeit Karl Marx.

Der smarte Liberale: Albert Rivera (Ciudadanos)

Die Partei Ciudadanos (Bürger) hat ihren kometenhaften Aufstieg in diesem Jahr zum großen Teil der Strahlkraft ihres Vorsitzenden und Spitzenkandidaten zu verdanken. Der gut aussehende und extrem schlagfertige Albert Rivera machte die vorher fast nur in Katalonien verwurzelte Partei durch seine Omnipräsenz in Fernseh­debatten und TV-Shows spanienweit bekannt und hoffähig. Sein effektives ­mediales Auftreten kommt nicht von ungefähr. Der Sohn einer kleinen Händlerfamilie, die in Barce­lona einen Elektroladen betrieb, nahm während des Jurastudiums an der Privatuniversität Esade in der katalanischen Hauptstadt an Rededuellen in Debattierklubs teil und wurde sogar Landesmeister.

Nach dem Studium arbeitete der frisch gebackene Jurist zunächst bei La Caixa, dem mächtigen Kredit­institut in Barcelona, bevor er 2006 der gerade neu gegründeten Ciudadanos beitrat. Eher zufällig wurde Albert Rivera gleich zum vorübergehenden Vorsitzenden auserkoren, da man schlicht nach alphabetischer Reihenfolge vorging, wie Teilnehmer der Gründungsveranstaltung berichten. Bei den Regionalwahlen im gleichen Jahr zeigte sich der gut gebaute frühere Wasserballer auf den Plakaten seiner Partei unverhüllt und zog gleich ins Parlament von Barcelona ein.

Viele Jahre kämpfte der heute 36-Jährige auf der Oppositionsbank gegen den aufsteigenden Nationalismus in Katalonien. Die Versuche von Ciudadanos auch außerhalb des Stammlandes zu expandieren, hatten zunächst keinen Erfolg. Doch Ende vergangenen Jahres erkannte man die Chance, die frustrierten Wähler der beiden großen Parteien auffangen zu können. Bei den Regional- und Kommunalwahlen vom Mai zog die Partei in fast alle wichtigen Rathäuser und Landes­parlamente ein.

Rivera streitet den oft erhobenen Vorwurf ab, wonach Ciudadanos wegen ihres wirtschaftsliberalen Programms der Liebling der Konzerne des Ibex-35 sei. Der Vater einer Tochter will sich ideologisch nicht festnageln lassen. „Der besonnene Wechsel, den Europa und Spanien brauchen, kommt aus der Mitte und nicht von den Extremen", erklärte er auf einer Wahlveranstaltung. „Es wäre ein Fehler, Spanien wieder in zwei Lager zu trennen".