Die Lage könnte kaum besser sein: Das Viertel ist fünf Gehminuten vom Meer entfernt, hat direkte Anbindung zum Paseo Marítimo und zur Ringautobahn, zum Flughafen sind es nur zehn Minuten mit dem Auto. Kanalisation und Straßenbeleuchtung sind neu, Palmen säumen die breiten Straßen. Und dennoch verirrt sich kaum jemand hierher nach Nou Llevant, wenn er nicht gerade das Verlagsgebäude der Mallorca Zeitung oder das neue Jugendzentrum der Rafael Nadal-Stiftung sucht. Die Grundstücke des Viertels zwischen unfertigem Kongresspalast, heruntergekommenen Wohnblöcken und Palmas Verkehrsadern liegen brach.

„Genau hier wollen wir unsere nächste Tagung abhalten", sagt Biel Horrach, Generaldirektor in Palmas Baudezernat. Wo könne man besser über die Zukunft der Balearen-Hauptstadt sprechen, als dort, wo sich der Wandel abspielt? Bereits Mitte Dezember organisierte Horrach mit der balearischen Architektenkammer eine erste, dreitägige Tagung über das Palma der Zukunft, und die vielen Ideen sollen nun konkretisiert werden.

Einerseits war die Tagung ein Brainstorming, wie Palma 2030 aussehen sollte. Andererseits sollen die Ideen schon bis kommendes Jahr in den neuen Flächennutzungsplan (Plan General de Ordenación Urbana, PGOU) einfließen, dessen Vorlage die konservative Vorgänger­regierung 2014 auf den Weg brachte. „Wir wollen nicht bei null anfangen, sondern auf dem Entwurf aufbauen und ihn ergänzen."

Im Gespräch mit den Tagungsteilnehmern klingt dennoch vieles nach Neustart. „Bislang war hier Städteplanung die Sache von Technokraten", meint Ignacio Salas, Präsident für Mallorca bei der Architektenkammer. Diesmal würden in den städtebaulichen Steuerungsprozess erstmals gesellschaftliche Vertreter einbezogen. Die Planspiele, die um die Bereiche Wirtschaft, Umwelt und Soziales kreisen, handeln denn auch weniger von Quadratmetern für Wohngebiete oder von Einwohnerzahlen, als von Verkehrsberuhigung, neuen Strukturen für die Stadtviertel und Antworten auf den Klimawandel.

Wachstum nach innen

Palma soll zwar weiter wachsen, aber nicht in der Fläche. „Wir haben derzeit so viele freie Grundstücke innerhalb des Stadtgebiets", so Horrach, „diese einmalige Gelegenheit sollten wir nutzen." Da sind etwa Son Busquets (ein früheres Militärgelände an der Landstraße Valldemossa), Son Ferragut (an der Ringautobahn auf Höhe der Inca-Ausfahrt gelegen), das abgerissene Stadion Lluis Sitjar, das alte Gefängnis von Palma oder etwa der leerstehende Komplex des früheren Landeskrankenhauses Son Dureta.

Abgesehen von der Frage der konkreten Nutzung geht es Horrach vor allem um eine bessere Vermischung. Bislang seien Wohnraum, Bürogebäude oder Schulen zumeist auf bestimmte Viertel in Palma konzentriert. Das habe eine Art Monokultur mit in der Regel langen Anfahrtswegen zur Folge. Im Viertel sa Vileta beispielsweise legen Eltern, die ihre Kinder zur Schule bringen, den Verkehr lahm. Und gerade qualifizierte, kreative Arbeitnehmer schätzten es, wenn sie statt in einem abgeschiedenen Gewerbegebiet in einem lebendigen Viertel tätig seien.

Magnet für Innovation

Ein solches könnte in den Augen der Stadtoberen das Viertel Nou Llevant werden - ein bisschen so, wie der Distrito 22@ in Barcelona. Das vor 15 Jahren gestartete Projekt, bei dem 200 Hektar Industriegebiet in ein Innovationszentrum mit hoher Lebensqualität verwandelt wurden, stellte auf der Tagung Volkswirt Joan Trullén vor. Palma habe großes Potenzial, es Barcelona nachzutun. Die Stadt sollte auf Firmen der Informations- und Kommunikationsbranche setzen, die zahlreiche qualifizierte Jobs schaffen und mit der zentralen Lage kompatibel seien. „Palma ist hinsichtlich der Lebensqualität einer der besten Orte auf der Welt und sollte nicht auf den Billiglohnsektor setzen."

Helfen soll auch die Kooperation mit der Balearen-Universität und dem Innovationszentrum Parc­bit nördlich von Palma. Insbesondere Firmen im Bereich Film- und Multimedia oder Design seien eine interessante Zielgruppe, so Horrach - so würde man auch nicht dem Technologiesektor im Parcbit Konkurrenz machen, sondern sich ergänzen.

Die Super-Stadtviertel

Nicht nur von Barcelona will Palma lernen, auch etwa von Vitoria. Die baskische Stadt hat sich einen Namen mit supermanzanas gemacht - dabei werden Wohnblocks (manzanas) zu Vierteln von einer Größe von etwa 400 mal 400 Metern zusammengefasst, in denen der motorisierte Verkehr auf ein Minimum beschränkt und der freiwerdende Raum für Fußgänger­zonen, Fahrradwege und Grün­flächen genutzt wird. Die Hierarchisierung des Verkehrswegenetzes soll eine „urbane Zelle" entstehen lassen, in der es nicht nur sicherer und ruhiger zugeht, sondern auch das lokale Geschäftsleben funktioniert und die Lebensqualität steigt.

Sehr gut anwendbar sei dieses Konzept der supermanzanas beispielsweise auf das Trendviertel Santa Catalina, so Horrach. Gerade aber auch Gegenden, die als soziale Brennpunkte gelten, könnten so an Attraktivität gewinnen. Beispiele sind La Soledad - gelegen zwischen Nou Llevant und Manacor-Straße - oder auch die Viertel Pere Garau und Son Gotleu. Auch Salas von der Architektenkammer verspricht sich viel von den supermanzanas, gerade auch weil die Umsetzung nicht sehr kostenintensiv sei.

Carsharing statt Staus

Die neuen Viertel passen zudem bestens zum Vorhaben, den Autoverkehr zurückzudrängen. Derzeit wälzen sich die Autolawinen mehrspurig über den Paseo Marítimo und den Innenstadtring, viele Straßen in den Wohnvierteln sind beidseitig zugeparkt, und die Urlauber werden mit Parkplätzen direkt in der City mit dem Mietwagen ins Zentrum gelockt. Im Unterschied zu anderen Städten verfügt Palma lediglich über ein gut ausgebautes Bussystem. Die Metro mit ihrer kaum genutzten, einzigen Linie hat eher symbolischen Charakter, der Bau einer Straßenbahn-Linie scheiterte bislang an der Finanzierung und dem politischen Hickhack, die Fahrradwege müssen sich vielerorts dem Pkw-Verkehr unterordnen.

Diese „Diktatur des Autos" soll nun beendet werden, und auch hier dient Barcelona als Vorbild. Die katalanische Metropole habe unter anderem mit der Förderung von Fahrgemeinschaften die Belegung des öffentlichen Raums durch Privat-Pkws deutlich verringert, so Horrach. Ansonsten lautet die Strategie: den öffentlichen Nahverkehr attraktiver machen, dem Pkw-Verkehr weniger Priorität einräumen. Neben den supermanzanas kommen hier auch mehrere ejes cívicos ins Spiel - wörtlich „Bürger­achsen", die nach dem Vorbilder der Carrer Blanquerna von der Innenstadt in die Peripherie führen und auf denen die Bürger ohne Auto lokale Geschäfte wie auch die Gastronomie frequentieren sollen.

Die Autos haben auf Palmas Ringautobahn (Vía Cintura) sowie dem derzeit im Bau befindlichen zweiten Ring (Vía Conectora) Vorfahrt. Auf dem Innenstadtring (Avenidas) sollen die Pkw in Zukunft hingegen nicht mehr dreispurig unterwegs sein. „Wir werden im Flächennutzungsplan eine Spur für den öffentlichen Nahverkehr reservieren", so Horrach - die Frage, ob dort, wo die Konservativen einen Radweg zurückbauten, in Zukunft doch noch eine Straßenbahn oder etwa ein Expressbus unterwegs seien, lasse man bewusst offen - „in diesem Bereich ist derzeit sehr viel im Fluss". In jedem Fall sollen die Avenidas wieder zu einem Boulevard werden, an dem sich Fußgänger wie Radfahrer wohl und sicher fühlen.

Der neue Paseo Marítimo

Konkreter sind die Pläne für den Paseo Marítimo, ein Vorschlag der Architektenkammer von 2012 stößt auf breite Zustimmung. Er sieht vor, die Fahrspuren von Portitxol bis Porto Pi in jeder Richtung von drei auf zwei Spuren zu reduzieren und stattdessen einen begrünten Mittel­streifen anzulegen sowie Meerespromenade und Fahrradwege zu verbreitern. Ziel: Der Paseo Marítimo soll keine Ausweichstrecke mehr für die Ringautobahn sein, die Promenade zum Flanieren einladen. „Das gilt auch für Kreuzfahrtpassagiere", so Horrach - statt bislang direkt im Hafen in die Busse zu steigen, sollten sie das Leben am Paseo Marítimo beleben. „Wir hätten dann eine 35 Kilometer lange, durchgehende Promenade von Andratx bis Llucmajor", so Horrach.

Die Pläne der Konservativen für die alte Mole gegenüber von Palmas Kathedrale werden dagegen wohl ad acta gelegt. Geplant war bislang, den dortigen Hafenbetrieb auf eine neu zu bauende, gewaltige Mole auf der Höhe von Porto Pi zu verlagern und stattdessen auf der Moll Vell - quasi als Verlängerung zum Borne-Boulevard - ein Ausgehviertel aus dem Boden zu stampfen. Das sieht die Linksregierung jedoch anders: Das Geschäfts- und Nachtleben soll sich am wiederbelebten Paseo Marítimo abspielen, die alte Mole weiter dem Hafenbetrieb dienen.

Oasen gegen die Hitze

Damit es sich in den heißen Sommer­monaten auch jenseits der Uferpromenade gut aushalten lässt, sollen neue Grünflächen entstehen - wegen der stark versiegelten Fläche ist es in Palma stellenweise noch einmal vier Grad heißer als im Umland. Bereits vorgestellt hat die Stadt das Projekt für einen 34.000 Quadratmeter großen Stadtwald nördlich der Avenidas. Das ist aber nur der Anfang. Klimaforscher rechnen vor, dass sich die Zahl der Tage mit großer Hitze von 15 auf 30 verdoppeln wird - da sei es mit einem Stadtwald nicht getan. Vor allem entlang der Sturzbäche, die durch Palma führen, sind weitere grüne Korridore geplant.

Die Multikulti-Stadt

Die Städteplaner wollen schließlich auch die Integration fördern. „Palma erlebt derzeit einen historischen Moment kultureller Vielfalt", schwärmt Horrach. Damit aus dem Nebeneinander ein Miteinander werde, sollen Einrichtungen aller Art entstehen, die von Einheimischen wie Ausländern gemeinsam genutzt werden. Als Beispiel nennt er Porto Pi und das stärker von Ausländern bewohnte Cala Major - zwei Viertel, die bislang quasi mit dem Rücken zueinander lebten. Aber vielleicht haben die Ausländer noch andere Ideen - auch sie seien gefragt, wenn in den kommenden Wochen und Monaten weiter am Palma der Zukunft gebastelt werde, so Horrach. „Das ist kein Standbild, sondern ein fortlaufender Prozess."

Haben Sie Vorschläge, wollen Sie sich einbringen? Schreiben Sie uns eine E-Mail (Stichwort: Palma der Zukunft) an mallorcazeitung@epi.es.