Warum machen die Wähler kein Kreuzchen? Trotz vieler Gemeinsamkeiten mit Deutschland gibt es in Spaniens Politik eine ganz Reihe von Besonderheiten.

Ausländer haben bei den Wahlen zum spanischen Parlament keine Stimme - umgekehrt dürfen in Deutschland lebende Spanier ja auch nicht über die Zusammen­setzung des Bundestags mitbestimmen. Residenten aus dem EU-Ausland sind nur bei Kommunal- und Europawahlen stimmberechtigt. Allerdings haben inzwischen zahlreiche Immigranten die spanischen Staatsbürgerschaft erlangt, vor allem Zuwanderer aus Ländern Lateinamerikas.

Bündnisse sind ein Thema, dass die Parteien im Wahlkampf außen vorgelassen haben. Da Podemos und Ciudadanos erstmals im spanischen Parlament vertreten sein werden, gibt es landesweit auch keine Erfahrungswerte. Bleibt man im Links-Rechts-Schema und lässt die gegenseitigen Wahlkampf­attacken außen vor, wäre einerseits ein Bündnis PP-Ciudadanos denkbar, andererseits ein Bündnis PSOE-Podemos. Eine große Koalition zwischen Sozialisten und PP dagegen gilt als ausgeschlossen - die Verbannung der Konservativen in die Opposition ist ein zentrales Wahlkampfversprechen der PSOE. Auch die beiden Reformparteien dürften kaum zueinander finden: Sie verbindet zwar die Kritik an Korruption, Zwei-Parteien-System und Reformstau. Doch vor allem wirtschaftspolitisch gibt es große ideologische Gegensätze.

Koalitionen kommen im spanischen Parlament selten vor - die Parteien regierten bislang entweder mit absoluter Mehrheit wie derzeit die PP oder als Minderheitsregierung, die sich auf sporadische Partner stützt wie zuletzt die Zapatero-Regierung. Dass das in Spanien ganz gut klappt, liegt an der Verfassung, deren Väter noch skeptischer waren als die Macher des Bonner Grundgesetzes. Sie konzipierten eine besonders robuste Regierung, um instabile Verhältnisse wie zu Zeiten der Republik (1931-1939) zu vermeiden. So kann der Minister­präsident im zweiten Wahlgang auch mit einfacher Mehrheit des Parlaments gewählt werden. Zum Vergleich: In Deutschland muss der Bundespräsident nach dem dritten Wahlgang entscheiden, ob er einen Kanzler mit relativer Mehrheit ernennt oder den Bundestag auflöst. Der spanische Premier sitzt sicher im Sattel - das konstruktive Misstrauensvotum ist noch restriktiver angelegt als in der Bundesrepublik, Untersuchungsausschüsse haben deutlich weniger Kompetenzen.

Parlament: Bis zur Auflösung des Abgeordnetenkongresses (Congreso de los Diputados) im Vorfeld der Wahlen entfiel der Großteil der 350 Sitze auf die beiden großen Volksparteien: Die PP hatte 186 Mandate und damit die absolute Mehrheit inne, die Sozialisten verfügten über 110 Mandate. Mit Abstand folgten die katalanische Convergència i Unió (CiU) mit 16 Sitzen, die Linkspartei Izquierda Unida (11), die linksbaskische Amaiur (7), die Zentrumspartei UPyD (5), die baskischen Nationalisten EAJ/PNV (5), die katalanischen Linksrepublikaner ERC (3), die galicischen Nationalisten BNG (2), die kanarischen Regionalisten CC-NCa-PNC (2), die Ökopartei Coalició Compromís-Equo (1), die rechtskonservative FAC (1) sowie die Regionalpartei Geroa Bai aus Navarra (1).

Parteienspektrum: Die großen Volksparteien PP und PSOE monopolisierten bislang als ideologische Gegenspieler die politische Debatte. Die Schnittmenge ist gering, Konsens selten. Dieses System dürften Ciudadanos und Podemos nun mit einem Schlag auflösen. Im Vergleich zu anderen Ländern sucht man ohne Erfolg nach eigenen rechtspopulistischen Parteien: Der „rechte Rand" ist von der PP aufgesogen - wobei sich die politische Rechte in Spanien weniger durch die Abgrenzung zum Ausland, als das Hochhalten Gesamtspaniens gegenüber den Regionen definiert und noch immer ein paar Nostalgiker des Franco-Regimes (1939-1975) in ihren Reihen zählt. Auch grüne Parteien spielen praktisch keine Rolle - Umwelt ist Sache der Linken, etwa in der parlamentarisch vertretenen Izquierda Unida (IU). Das bislang kaum besetzte liberale Lager wollen die Ciudadanos besetzen - für die kleine Zentrumspartei UPyD dagegen sieht es laut Prognosen schlecht aus.

Regionalparteien spielen im spanischen Parteienspektrum eine größere Rolle als in Deutschland. Das liegt zum einen am ausgeprägten Nationalgefühl mehrerer Regionen, vor allem in Katalonien und dem Baskenland. Zum anderen bevorzugt das Wahlrecht die Regionalparteien, da die Stimmen auf Ebene der 52 Wahlkreise ausgezählt und schon hier auf die Mandate umgelegt werden - im Fall der Balearen sind es acht. Auf diese Weise werden indirekt die Unzulänglichkeiten der zweiten Kammer ausgeglichen: Während der Senat in Spanien praktisch nichts zu sagen hat, können die Regionalparteien direkt in der ersten Kammer mitreden. Gegen ein Ja für den Haushalt beispielsweise hat sich schon so manche Region weitgehende Zusagen der Zentralregierung „erkauft".

Stimmzettel werden in Spanien ganz anders benutzt als in Deutschland. Die Wähler machen kein Kreuzchen bei der Partei ihrer Wahl, sondern stecken einen Umschlag mit der Wahlliste ihrer Partei in die Urne. Da die Parteien ihre Zettel zum Teil schon vor der Wahl verschicken, bringen viele Bürger ihren Wahlumschlag schon fix und fertig mit ins Wahllokal. Die Wahlkabinen bleiben oft ungenutzt.

Wahltag: Die Wahlberechtigten können am Sonntag ihre Stimme in balearenweit 79 Wahl­lokalen abgeben, wo insgesamt 415 Wahlurnen aufgestellt werden. Für die Organisation wurden 3.735 Wahlhelfer aus der Bevölkerung per Los bestimmt, zusätzlich wachen Vertreter der Parteien über den korrekten Ablauf der Wahlen. Die Stimmabgabe ist möglich zwischen 9 und 20 Uhr, anschließend werden die ersten Prognosen und Hochrechnungen veröffentlicht. Eine „Elefanten­runde" wie im deutschen TV ist nicht üblich, dafür diskutieren Journalisten ausführlich die Ergebnisse.

Zensus: Wahlberechtigt sind an diesem Sonntag insgesamt 36.510.952 Spanier, das sind laut dem Statistikinstitut exakt 731.461 mehr als vor vier Jahren. In der Zahl enthalten sind auch die derzeit im Ausland lebenden Spanier, von denen derzeit 1.875.272 stimmberechtigt sind. Die meisten von ihnen leben in Argentinien, Frankreich, Venezuela, Kuba und Brasilien, aber auch 107.970 in Deutschland.