Bei 25 Grad sind die Urlauber größtenteils schon in kurzen Hosen und Sandalen unterwegs, vor den Läden flattern Badetücher und Sommerkleidchen zwischen Regalen voller Sonnenmilch und Krimskrams-Souvenirs. In den Tagen nach Ostern ist er wieder zum Leben erwacht, der Boulevard von Peguera - auf dem es zwischen gefälschten Marken-Sonnenbrillen, Bratwurstduft und Kaffee und Kuchen zu Schleuderpreisen so unprätentiös zugeht wie eh und je.

Bis man bei Hausnummer 66 die frisch renovierte Fassade des Hotel Villamil erreicht, in dessen Hauptgebäude mit den pittoresken Türmen einst der Marqués de la Romana residierte, dem der vorgelagerte Strand seinen Namen zu verdanken hat. Über den Winter wurde das nach der Frau des ersten Direktors, Victoria Villamil, benannte Hotel, das vergangenes Jahr seinen 60. Geburtstag feierte, komplett renoviert. Der schwere Tresen an der Rezeption wich mehreren kleinen Tischen, das lineare Buffet im Speisesaal einem Showcooking-Raum, wo Rühreier oder Lammrücken nun vor den Augen der Gäste zubereitet werden. Die antiken Möbel in den Zimmern wurden restauriert, die Bäder sowie der Spa-Bereich modernisiert. Am neuen Pool stehen nun Bali-Liegen, während die Bar Richtung Strand verlagert und die Terrasse fast einen Meter angehoben wurde, damit die Gäste auch im Sitzen freie Sicht aufs blaue Meer haben.

„Viele Kunden und sogar Reise­veranstalter dachten seit jeher, dass wir ein Fünf-Sterne-Haus sind, aber erst seit dieser Saison sind wir es offiziell", sagt Direktor Alejandro Garrido - der damit das erste Hotel der höchsten Sternekategorie in Peguera leitet. Um dorthin aufzusteigen, seien weniger große Umbauten, als eine Ausweitung des Service-Angebots erforderlich gewesen: 24-Stunden-Room-Service, ein Notfalltelefon oder eine Heizung im Badezimmer. Dennoch habe man die Rundumsanierung genutzt, um dem Ende der 70er-Jahre geschaffenen ersten Anbau einen zweiten hinzuzufügen und die Zimmerzahl um 39 auf 162 zu erhöhen. Die Arbeiten am Gebäude werden voraussichtlich noch zwei bis drei Wochen dauern. Bis der Innenausbau fertig ist, wird es Juni werden. Bereits Ende April soll dagegen das neu gestaltete Ç

Restaurant öffnen, das auch Gästen von außerhalb offen steht.

Das Villamil, das 1994 von der katalanischen Hotelkette Hesperia aufgekauft wurde, die inzwischen wiederum in der NH-Gruppe aufging, ist nur eines von Dutzenden Hotels, in denen während der zu Ende gehenden Nebensaison die Bauarbeiter zu Gange waren oder sind (S. 5-6). Rund 250 Anträge für Umbauten und Erweiterungen gingen 2015 beim balearischen Tourismusministerium ein, weitere 30 folgten im Januar 2016 - auf den letzten Drücker, bevor die Linksregierung das von ihren konservativen Vorgängern erlassene und sehr hotelierfreundliche Tourismusgesetz wieder abänderte, um dem Boom neuer Hotelbetten Einhalt zu gebieten .

Alejandro Garrido bedauert diese Kehrtwende in der Tourismuspolitik - auch wenn er es nicht direkt ausspricht. „Wir haben das dank des Tourismusgesetzes gemacht", betont er gleich mehrmals. Sonst sei ein solcher Umbau nicht realisierbar gewesen. Wobei man vor allem von den bürokratischen Erleichterungen profitiert, die baulichen Möglichkeiten aber gar nicht alle ausgereizt habe. Statt zwei zusätzlichen Stockwerken - die am jahrhundertealten Haupthaus ohnehin nicht infrage gekommen wären - habe man sich für einen Anbau entschieden, dem die bisherigen Tennisplätze weichen mussten. „Der Tennisclub mit viel besseren Anlagen ist nur vier Minuten entfernt, da ist es doch besser, jeder bietet das an, was er am besten kann, und nicht alles."

Wenig Verständnis hat Garrido auch für die im linken politischen Lager oftmals geäußerte Kritik, die große Qualitätsoffensive sei in Wahrheit nur ein schnelles und billiges Facelifting, das noch mehr Übernachtungsplätze schaffe und dadurch vor allem die Kontostände der Hoteliers aufhübsche, nicht aber die in die Jahre gekommenen Urlaubsgebiete. „Wenn man unseren Fall betrachtet, ist alles besser geworden. Wir haben nicht nur einen Stern, sondern auch 20 Mitarbeiter mehr." Solche Dinge könnte man einerseits über entsprechende Auflagen problemlos gesetzlich steuern. Andererseits würden die Gäste schnell merken, wenn sich eine Hotelsanierung als Mogel­packung erweist, und beim nächsten Mal woanders buchen, erläutert der Chef des Villamil, der zudem Vizepräsident des örtlichen Hotelierverbands ist. „Ich kann nur für Peguera sprechen, aber hier hat die Mehrheit ihre Sanierungsprojekte sehr gut umgesetzt, da gibt es jetzt Pools auf Dachterrassen, Chill-out-Zonen, tolle Sachen", kommt er ins Schwärmen.

Außerhalb der Hoteloase geht es weniger herrschaftlich zu. Das war früher anders: Als das Villamil 1955 seine Pforten öffnete, gab es weder Luftmatratzen-Läden noch Bettenburgen, Apartmenthäuser und Billigrestaurants in der Umgebung. Der Küstenort mit der aktuell zweithöchsten Bettenzahl in der Gemeinde Calvià, der mittlerweile fest in deutscher Hand ist, zählte damals nur ein paar noble Hotels, in denen vor allem gut betuchte Briten abstiegen - und später sogar der König von Saudi-Arabien oder Schauspielerin Victoria Principal alias „Pam Ewing" und andere Größen aus der amerikanischen TV-Serie Dallas. Die Belebung der Nebensaison bereitete damals niemandem Kopfzerbrechen. „Peguera war ein Ganzjahresziel", erzählt Hotelchef Garrido. Vor allem zu Weihnachten und Silvester sei es voll geworden. Das Villamil hatte bis 2001 ganzjährig auf, inzwischen nur noch von Februar bis November.

Auch Miguel Iglesias, der 1978 als Kellnergehilfe im Villamil anfing und inzwischen als Maître das Hotelrestaurant leitet, erinnert sich gern an die gute alte Zeit. Im Speisesaal trugen die Herren damals noch Anzug und Krawatte, die einzelnen Gänge des Abendessens wurden am Tisch serviert. „Peguera hatte früher Niveau, hierher kamen Urlauber mit Kaufkraft", erzählt Iglesias. Nicht umsonst habe es damals unter den Gastronomen und Händlern in Santa Ponça geheißen: ´Wenn ich doch nur ein Lokal in Peguera bekommen könnte.´ Im Laufe der Zeit siedelten sich Ledergeschäfte mit namhaften Marken oder gar eigener Manufaktur, Parfümerien und Juweliere an. „Und zwar keine, die Majorica-Perlen verkauften." Doch diese Zeiten seien längst vorbei.

Ingrid Volters aus Köln, die seit zehn Jahren zwei Mal jährlich im Villamil absteigt, sieht darin keinen Nachteil: „Ich liebe das Hotel, die Lage, die Bucht, die Ruhe." Dass das Flair vorm Hoteleingang, draußen am Boulevard, wesentlich weniger gediegen ist, stört sie nicht. „Ich habe ein Mietauto, damit fahre ich schnell weg, nach Palma oder Andratx."