Ana Segovia stammt aus Cádiz und gehört der Ethnie der Roma an. Die 25-Jährige hat Journalismus studiert und arbeitet seit zwei Jahren in der Madrider Zentrale der spanienweit aktiven Stiftung „Fundación Secretariado Gitano", die sich für die Rechte der Roma stark macht.

Auch wenn diese Frage politisch völlig inkorrekt ist: Sind Sie angesichts Ihrer Ausbildung eine Ausnahme-Roma?

Es ist richtig, dass die Schulabbrecherquote innerhalb unserer Volksgruppe sehr hoch ist und noch viel Nachholbedarf besteht. Aber ich fühle mich in keinster Weise als etwas Besonderes. Ich habe studiert, einen Master gemacht, ein paar Zusatzausbildungen, habe ein Englisch-Diplom - aber das ist für mich vollkommen normal. Das Problem ist, dass man, wenn es um gitanos geht, entweder von herausragenden Fällen hört, die es zu etwas gebracht haben, oder eben von Kriminellen, die Straftaten begangen haben. Dabei gibt es sehr viele Roma, die arbeiten gehen oder studieren, die sehr gut in die spanische Gesellschaft integriert sind und überhaupt nicht auffallen. Sie sind ganz normale Durchschnittsbürger und deshalb unsichtbar, das ist das Problem.

? das auch die Medien mitzuverantworten haben?

Ja, zum Großteil sogar. In der üblichen Berichterstattung werden nur Stereotypen und Klischees verbreitet. Das liegt nicht nur daran, dass fast ausschließlich in negativem Zusammenhang über gitanos berichtet wird, in Meldungen über Drogenbanden, Raubüberfälle oder Analphabetismus, oder wenn es um Folklore geht. Die Medien haben darüber hinaus ein Vokabular erfunden, das absolut diskriminierend ist und außerdem Begriffe enthält, die wir selbst überhaupt nicht verwenden, Clan, Patriarch oder

reyerta (verwendet für eine gewaltsame Auseinandersetzung, Anm. d. Red.) zum Beispiel.

Wie geht man dann mit einem großen Gerichtsprozess wie dem um die Drogenbaronin La Paca um, der auf Mallorca jahrelang für Schlagzeilen sorgte?

Vielleicht sollte man es nicht ständig auf die Titelseiten hieven, auch wenn das bequem ist und gut für die Verkaufszahlen. Es muss klar sein, dass La Paca eine einzelne Person ist, die nicht stellvertretend für alle gitanos in Spanien stehen kann. Unsere Stiftung hat 2015 zum Internationalen Roma-Tag eine

Kampagne gestartet, mit der wir den Medienvertretern anhand der fiktiven Zeitung „Payo Today" (als payos bezeichnen gitanos alle anderen Ethnien) dafür sensibilisieren wollen, dass sie eine große Verantwortung tragen, wenn es um das Image unserer Ethnie geht. Wir haben außerdem einen Leitfaden für Journalisten erarbeitet, der die Gleichbehandlung in der Bericht­erstattung gewährleisten soll.

Wie sehr müssen Roma im Alltag mit Diskriminierung kämpfen?

Wir sind die am stärksten diskriminierte Volksgruppe in Spanien. 2014 gaben in einer Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstituts CIS 53 Prozent der Befragten an, dass es sie stören würde, gitanos als Nachbarn zu haben. Damit schnitten wir deutlich schlechter ab als andere diskriminierte Gruppen wie Muslime oder Einwanderer. Oft ist die Diskriminierung sehr subtil, die Leute bekommen eine Absage für die Mietwohnung oder die Arbeitsstelle, um die sie sich beworben haben, oder die Kinder werden nicht an der gewünschten Schule aufgenommen. Dazu gibt es immer wieder Fälle, die ganz offensichtlich sind. Erst vor drei Wochen wurde im Madrider Stadtteil Tetuán das Haus einer Familie mit dem Schriftzug „Zigeuner raus" beschmiert.