Auf Seite elf räumt Alberto Jarabo den Geschirrspüler ein, auf Seite 21 posiert Ex-Richter Juan Pedro Yllanes mit der Küchenschürze und schneidet Käse. Weitere Fotos im Look des Ikea-Möbelkatalogs zeigen die Podemos-Politiker beim Blumengießen auf dem Balkon oder beim Kofferpacken im Schlafzimmer. Man habe versucht, das Programm mal ganz anders darzustellen, um die Menschen zu erreichen, heißt es in der Einleitung des Katalogs der linken Protestpartei. Man könnte ihn sich für 1,80 Euro bestellen, wenn er nicht schon längst vergriffen wäre.

Fantasie ist gefragt im Wahlkampf für den Urnengang am 26. Juni - schließlich ist es noch kein halbes Jahr her, dass Spanien zuletzt gewählt hat, mit einem Ergebnis, aus dem die Parteien im spanischen Abgeordnetenkongress keine Regierungsmehrheit zu schmieden wussten. Nun versuchen es die Parteien mit einer neuen Taktik - und auf den Balearen auch mit neuen Gesichtern.

Um die acht Abgeordneten, die die Provinz der Balearen ins spanische Parlament entsendet, streiten sich in erster Linie vier Parteien. Da wären zum einen die beiden alten Volksparteien - Konservative und Sozialisten -, zum anderen die beiden Jungparteien - die liberalen Ciudadanos und die linke Protestformation Podemos. Anderen Anwärtern werden keine Chancen ausgerechnet.

Units Podem Més: Gemeinsam sind wir stark

Schon im vergangenen Jahr war die Partei von Politikstar Pablo Iglesias auf den Inseln an den Sozialisten vorbeigezogen, was wohl vor allem der Zugkraft von Spitzenkandidat Yllanes zu verdanken war. Der Ex-Richter, der eigentlich dem Prozess Nóos vorsitzen sollte (S. 6.), personifiziert wie kaum ein anderer den Kampf gegen die Korruption.

Nun geht Podemos zusätzlich gestärkt ins Rennen - nicht nur wegen des spanienweiten Wahlbündnisses mit der Vereinigten Linken, sondern vor allem wegen der Einigung mit der linken Regionalpartei Més auf eine gemeinsame Liste auf den Balearen. Laut Umfragen käme das Bündnis Units Podem Més (deutsch: Zusammen können wir mehr) somit auf drei der acht Abgeordneten, einen mehr als am 20. Dezember. Davon würde Més profitieren - die Regionalpartei war bislang bei den Spanien-Wahlen leer ausgegangen, kann nun aber darauf hoffen, auf dem dritten Platz der gemeinsamen Liste erstmals mit Toni Verger einen eigenen Kandidaten nach Madrid zu entsenden.

Schadensbegrenzung bei der Volkspartei

Die konservative Volkspartei (PP) auf den Balearen, die sich seit ihrer Abwahl auf den Inseln vergangenes Jahr in internen Machtkämpfen verstrickt hat, fand nur mit Mühe einen neuen Spitzenkandidaten. Palmas Ex-Bürgermeister Mateo Isern wollte nicht mehr, ohne seine Motive genauer zu erklären - womöglich drohten Negativschlagzeilen wegen des schwelenden Polizeiskandals. Angesichts des Streits sprach schließlich die Parteiführung in Madrid ein Machtwort und berief Teresa Palmer, bisher als Delegierte der Zentralregierung die Chefin von Guardia Civil und Nationalpolizei auf den Balearen.

Palmer hat zwar die Parole ausgegeben, vier der acht Balearen-Mandate zu holen. Sie dürfte aber froh sein, wenn sie trotz Parteikrise und Kandidatenstreit die drei Mandate vom Dezember halten und somit den Abwärtstrend stoppen kann. Ein Gesichtsverlust für die Konservativen, die früher

einmal fünf Abgeordnete nach Madrid entsandten, wäre zudem, wenn die neue Linksformation von Podemos und Més sie bei der Zahl der Stimmen überholen und somit erstmals als stärkste Partei auf den Balearen ablösen sollte.

Sozialisten weiter im Abwärtsstrudel

In Schwierigkeiten ist vor allem die sozialistische Ministerpräsidentin Francina Armengol - ihrer Partei droht im Vergleich zum Dezember der Verlust eines weiteren Mandats - die Sozialisten würden demnach nur noch einen Abgeordneten ins spanische Parlament entsenden. Dabei handelt es sich um Pere Joan Pons, der den allseits kritisierten Ramón Socías ablöste. Auch der neue Kandidat kann die Abwanderung zur neuen Linken wohl nicht verhindern. Überhaupt setzen die beiden ehemals großen Volksparteien auf auffallend wenig charismatische Personen. Die Aufmerksamkeit konzentriert sich bei ihnen auf die gesamtspanischen Kandidaten, den bisherigen Premier Mariano Rajoy (PP) und Opposi­tionsführer Pedro Sánchez.

Für Armengol ist der Abwärtstrend auf den Inseln auch deswegen ein Problem, weil sie in der balearischen Linksregierung mit erstarkten Koalitionspartnern zurechtkommen muss. Gerade die Partei Podemos, die der Regierung nicht angehört, auf deren Stimmen Armengol aber für eine absolute Mehrheit angewiesen ist, pocht auf immer mehr Mitsprache und gefährdete bereits zentrale Projekte wie die Touristensteuer.

Ciudadanos: die Strahlkraft von Albert Rivera

Ein Déjà-vu gibt es bei diesen Wahlen einzig bei den Ciudadanos, die derzeit einen der acht Balearen-Abgeordneten stellen - und dabei wird es laut Umfragen auch bleiben. Mit Fernando Navarro hat die liberale Reformpartei zwar weiterhin einen wenig bekannten Spitzenkandidaten auf den Inseln. Doch kann sie auf die Strahlkraft des omnipräsenten Politikstars Albert Rivera vertrauen, der die Ciudadanos in ganz Spanien anführt.

Bei einem Wahlkampfauftritt vergangene Woche in Palma machte er sich für mehr Englisch an den Schulen stark - freilich besser geplant als im Fall des gescheiterten Drei-Sprachen-Modells der abgewählten PP-Regierung von Bauzá - sowie einer weiteren Stärkung der Tourismusindustrie. Rivera fand auch Zeit für Treffen mit praktisch allen wichtigen Akteuren der Tourismusbranche auf Mallorca. Viel mehr Gewicht im Wahlkampf haben allerdings die Debatten im Fernsehen und die Kampagnen in den sozialen Netzwerken. Womöglich könnte Navarro so die Sozialisten auch ohne viel eigenes Zutun bei der Zahl der Stimmen überholen.