Die beiden Angestellten des Gartenbau­betriebes an der Straße von Porto Cristo nach S´Illot geben sich nicht sonderlich gesprächig. Kein Wunder: Ihr Geschäft ist seit Wochen in den Medien als das Epizentrum des gefürchteten Bakte­riums Xylella fastidiosa. „Die Chefin ist gerade nicht da. Rufen Sie bitte später auf dem Handy an, wir können nichts dazu sagen", heißt es nur. Der Betrieb geht scheinbar normal weiter, von Absperrungen oder anderen Sicherheitsmaßnahmen ist nichts zu sehen.

Genauso lautlos agiert auch das Feuerbakterium selbst. Die meisten befallenen Pflanzen zeigen lange Zeit keine Symptome - oder erst dann, wenn es schon viel zu spät ist und die Bäume vernichtet werden müssen. Bisher gibt es kein Pflanzenschutzmittel gegen das Bakterium.

Später am Telefon ist Inhaberin Maria Antònia Sansó aufgebracht: „Die Medien haben völlig übertrieben Alarm geschlagen und die Fakten falsch wiedergegeben." Bei ihr sei nicht das Bakterium gefunden worden, das die Oliven- und Mandelbäume unter anderem in weiten Teilen von Süditalien ausgelöscht hat, sondern eine andere Art, eine, die Kirschbäume und Oleander befalle. „Und der Oleander ist bisher überhaupt nicht betroffen. Es gibt lediglich die drei Kirschbäume, die bei uns positiv getestet wurden."

Die Bäume waren bereits 2012 aus Tarragona auf die Insel gelangt und zeigten laut Sansó keinerlei Auffälligkeiten oder gar Anzeichen der Krankheit. „Das war eine reine Routineuntersuchung, bei der das Bakterium entdeckt wurde."

Jordi Sabaté, Forscher am der katalanischen Regierung angeschlossenen Instituto de Investigación y Tecnología Agroalimentaria in Barcelona widerspricht dem. Er hat den Fall auf Mallorca genau analysiert: „An den Kirschbäumen war vor allem am Stamm klar zu erkennen, dass eine Krankheit vorliegt. Auch die Blätter fingen bereits an, sich zu verfärben." Dass die Bäume krank aus Tarragona gekommen sein könnten, schließt Sabaté aus. „Wären die Bäume schon 2012 von dem Bakterium befallen worden, wären sie längst abgestorben gewesen."

Das Feuerbakterium, das ursprünglich aus Amerika stammt, wird von Insekten, allen voran von Zikaden, weitergegeben. Diese tragen den Erreger in sich und infizieren damit Bäume und Pflanzen, wenn sie bei der Nahrungsaufnahme die Pflanzensäfte saugen. Das Bakterium dringt in die Flüssig­keitsbahnen ein und verstopft diese. Die Wasserzufuhr durch die Äste und den Stamm hin zu den Blättern kommt nach und nach zum Erliegen. In Italien war die auch als Olivenebola bekannte Unterart Xylella fastidiosa pauca 2013 zum ersten Mal entdeckt worden und hatte in der Region um Lecce Hunderttausende Bäume befallen. Aus Sicherheitsgründen mussten zehn Prozent des Olivenbaum­bestandes gefällt und verbrannt werden. Viele kleine Familienbetriebe, die von der Olivenernte lebten, standen plötzlich vor dem Nichts.

Auch rund um die Gärtnerei in Porto Cristo wurden - das regelt eine EU-weite Vorschrift - alle Kirschbäume im Umkreis von 100 Metern verbrannt. Außerdem dürfen in dieser sogenannten Befallszone, in der zahlreiche Proben genommen wurden, fünf Jahre lang keine Bäume dieser Art mehr angepflanzt werden. In einer weiteren sogenannten Pufferzone, die in einem Radius von zehn Kilometern um den Gartenbaubetrieb gezogen wurde, sollen

ebenfalls ständig Proben entnommen werden, um festzustellen, ob weitere Pflanzen betroffen sind.

Andreu Joan, beim Landwirtschaftsministerium zuständig für das Bakterium, beruhigt zum aktuellen Zeitpunkt: „Wir haben in all den Proben bisher keine weiteren befallenen Pflanzen oder Bäume festgestellt." Die Proben in dem Umkreis von 100 Metern rund um die Gärtnerei seien abgeschlossen, allerdings noch nicht alle ausgewertet. „Jetzt machen wir uns an Proben in dem 10-Kilometer-Gebiet."

Auch wenn Maria Antònia Sansó in Porto Cristo vehement dafür wirbt, nicht in Panik zu verfallen - das Bakterium sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. So sieht es auch Miquel Àngel Llabrés von Vivers Llabrés an der Schnellstraße Richtung Palma zwei Kilometer hinter Manacor. Seine Baumschule befindet sich wenige Hundert Meter außerhalb der um Porto Cristo gezogenen Sicherheitszone - seiner Meinung nach zu Unrecht. „Korsika und Sardinien sind ganzflächig zur Sicherheitszone erklärt worden. Das sollte man mit Mallorca auch machen." Zumal niemand sicher sein könne, dass das Bakterium, das auch die Olivenbäume befällt, nicht schon längst in anderen Ecken der Insel angekommen sei.

Die Antwort von Andreu Joan im Landwirtschaftsministerium kann da nur ein Stück weit beruhigen: „Wir nehmen seit 2014 unregelmäßig Proben über die Insel verteilt, auch von vielen Olivenbäumen. Bisher ist uns die Unterart Xylella fastidiosa pauca, die in Italien wütet, nicht untergekommen."

Auch Wissenschaftler Jordi Sabaté schätzt die Wahrscheinlichkeit, dass das Bakterium, das die Oliven- und Mandelbäume befällt, bereits auf Mallorca angekommen ist, als verschwindend gering ein. „Bei den Olivenbäumen schlägt der Erreger viel brutaler zu als bei anderen Bäumen. Hier würde man einen Befall bereits nach mehreren Wochen sehen, die Olivenbaum­besitzer hätten schon um Hilfe gerufen." Auch eine Mutation des Erregers sei äußerst unwahrscheinlich, das auf Mallorca gefundene Bakterium unterscheide sich in seinem genetischen Aufbau stark von dem, das die italienischen Olivenbäume auf dem Gewissen hat. „Es ist dafür der im Sommer in Deutschland aufgetretenen Spezies sehr ähnlich", sagt Sabaté. Im Juli war nahe Plauen im Vogtland bei einem Oleander das Feuer­bakterium nachgewiesen worden. Auch hier wurden unverzüglich die EU-Vorgaben umgesetzt und um die betroffene Gärtnerei eine Befalls- und eine Pufferzone gezogen.

Die Betroffenen auf Mallorca treibt jetzt die Frage um, wer für den Ausbruch des Feuerbakteriums auf der Insel verantwortlich ist: Miquel Àngel Llabrés, gleichzeitig auch Präsident des balearischen Verbandes der Baumschulen und Gartencenter (Feim Verd), hat den Schuldigen für den Ausbruch der Krankheit und die lückenhafte Informationslage längst ausgemacht: das Landwirtschaftsministerium. „Stellen Sie sich mal vor, wir haben einen Termin mit dem Minister am 9. Dezember. Ich habe zu ihm gesagt: Und wenn Sie vorher der Schlag trifft?" Entweder sei man sich in der Politik der Wichtigkeit des Themas nicht bewusst oder man wolle es unter den Teppich kehren. „Ich glaube, es gibt Leute im Ministerium, die viel mehr wissen, als sie sagen", vermutet Llabrés. „Gerade heute habe ich gesehen, wie ein Trupp der Autobahnmeisterei auf der Schnellstraße kurz hinter Palma systematisch Oleander rausreißt." Das passe doch alles zusammen, findet er.

Andreu Joan lacht kurz auf am Telefon: „Seit Tagen kommen die Leute mit dieser Frage zu uns. Aber das Entfernen des Oleanders hat nun wirklich nichts mit dem Feuerbakterium zu tun. Das sind routinemäßige Arbeiten der Autobahnmeisterei, die zufällig jetzt stattfinden." Bisher habe man außer in den Sperrzonen rund um Porto Cristo auf der Insel keine Pflanzen verbrannt oder herausgerissen.

Das größte Problem sei, das räumt auch Andreu Joan ein, dass die Kontrollen über die Bäume und Pflanzen, die per Schiff und Lkw auf Mallorca ankommen, äußerst lückenhaft sind. Llabrés bringt das Thema in Rage. Am Hafen könne jeder seinen Lastwagen ohne Kontrollen auf die Insel bringen. „Als ich vor 40 Jahren mit meinem Vater Bäume aus Valencia auf die Insel gebracht habe, wurde jede Ladung genau unter die Lupe genommen." Andreu Joan kann nur auf seine beschränkten Personalressourcen verweisen. Er bemüht Zahlen, nach denen man von Jahresbeginn bis Mitte September 2016 in Häfen und am Flughafen 215 stichpunktartige Inspektionen vorgenommen habe. Doch das dürfte nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein sein.

Llabrés ist nicht der Einzige, der sich über die fehlenden Inspektionen auf Mallorca beschwert. Auch Aina Socies von der Associació de les Varietats Locals de le Illes Balears beklagt lasche Kontrollmechanismen. Sie macht allerdings auch die Besitzer von Baumschulen und Gartencentern für den Ausbruch des Feuerbakteriums mit verantwortlich. „Es sollte viel mehr wieder auf heimische Arten zurückgegriffen werden. Inzwischen wird die überwiegende Mehrheit der Bäume, die auf Mallorca verkauft werden, nicht mehr hier gezüchtet, sondern vom Festland importiert." Das sei zwar in vielen Fällen bequemer und billiger, als kosten- und zeitintensive Züchtungen zu unterhalten, doch letztlich habe man so die hundertprozentige Kontrolle über die Pflanze verloren.

„Die Politik schafft allerdings auch keine Anreize, die heimischen Arten zu unterstützen", sagt Socies. Solange sich hier nichts Grundlegendes ändere, werde Mallorca aufgrund seiner Insellage und den zahlreichen Handelskontakten auch in Zukunft von gefährlichen Seuchen bedroht sein. Aber das nehme man bei der jeweiligen Insel-Regierung eben billigend in Kauf.