Roser Gallardo Ferrer (Foto) ist auf der Insel eine Kämpferin für einen selbstbestimmten und möglichst natürlichen Geburtsprozess. Die 59-jährige Hebamme und studierte Anthropologin war 1999 eine der Mitbegründerinnen der Associació Naixença auf Mallorca, einer Vereinigung von Müttern, die sich für natürliche Geburten einsetzt. Selbst Mutter von drei Kindern musste sie dafür kämpfen, dass ihre Bedürfnisse bei der Geburt akzeptiert werden. Für die MZ lässt sie Revue passieren, was sich inzwischen auf Mallorca verändert hat - und was noch zu tun ist.

Sie haben als Hebamme die Mutter­bewegung mit angeführt. Wie kam es dazu?

Ich hatte Angst davor, noch einmal eine Geburt im Krankenhaus von Son Dureta zu erleben. Damals war es Norm, dass die Frau im Liegen gebar. Man trennte nach der Geburt das Baby von der Mutter und gab es ihr erst nach einer Zeit zurück. Die Geburt an sich schien eine Operation zu sein, alle Ärzte und Hebammen trugen Mundschutz, sogar die Begleitperson der Mutter musste Mundschutz aufsetzen. Ohne zu fragen, ob es nötig war, wurde bei allen Frauen ein Dammschnitt gemacht. Da haben sich ein paar Mütter zusammengeschlossen und gesagt: Wir müssen etwas tun. Hier läuft einiges schief.

Wie sind Sie vorgegangen?

Unsere Initiative fiel mit dem Beginn der Regierung des Fortschrittspakts zusammen (1999-2003, Anm. d. Red.) Wir haben die neue Gesundheitsministerin besucht und unsere Vereinigung vorgestellt. Wir baten sie darum, auf den Inseln die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 1975 - also 25 Jahre zuvor - für eine möglichst natürliche Geburt umzusetzen. Wir stießen auf offene Ohren und waren äußerst überrascht, dass dann im April 2003 ein ganzes Gesetz daraus wurde, die Ley Balear de Salud. Dort wurden nach ein paar Änderungen alle unsere Forderungen umgesetzt. So sind die Balearen spanienweit die einzige Region, die per Gesetz den Frauen ermöglicht, so gebären zu können, wie es ihnen am angenehmsten erscheint. In allen anderen Regionen kann theoretisch der Arzt dir vorschreiben, wie du das Kind auf die Welt zu bringen hast. Das ist aus meiner Sicht absurd. Denn inzwischen kann man den Tag der Entbindung planen, oder ob man eine Periduralanästhesie will. Aber nicht, dass man eine natürliche Geburt haben möchte.

Woran liegt das?

Es gibt zum einen immer noch zu viele Frauenärzte, die eine Entbindung wie eine Krankheit behandeln und nicht wie einen natürlichen körperlichen Prozess. Zum anderen gibt es ein Interesse daran, dass die Geburten mit möglichst wenig Gegenwehr von Seiten der Frauen ablaufen. Und das ist natürlich mit einer Periduralanästhesie wesentlich einfacher möglich als bei einer natürlichen Geburt, bei der sich die Frau bewegt und auch mal schreit.

Ähnelt der Geburtsprozess in den Inselkrankenhäusern inzwischen Ihren Vorstellungen?

Es hat sich vieles getan, auch auf unseren Druck hin - vor allem, als Son Espases geöffnet wurde. Dort war man Vorreiter in Sachen direktem Hautkontakt mit der Mutter nach einem Kaiserschnitt. Außerdem darf seit ein paar Jahren der Partner die Frau bei einem programmierten Kaiserschnitt im Operationssaal begleiten. Danach wird Vater, Mutter und Kind genug Zeit füreinander gegeben. Die Hebammen in Son Espases sind durch die Bank äußerst respektvoll. Auch die Häuser in Inca und Manacor haben viele unserer Forderungen umgesetzt. In Inca gibt es die Möglichkeit zu Wassergeburten. Aber es läuft auch noch vieles schief. In Son Llàtzer beispielsweise wurde ebenfalls ein Kreißsaal mit Badewanne für eine Wassergeburt eingerichtet. Doch sie wurde nicht ein Mal für eine Geburt bisher benutzt. Dabei besteht überhaupt kein Risiko dabei, die Hebammen sind perfekt dafür vorbereitet. Was ich damit sagen will: Wir haben hier auf Mallorca alle Mittel zur Verfügung, um eine individualisierte Geburt zu ermöglichen. Aber hier und da fehlt es noch am Verständnis dafür, dass jede Frau selbst wählen kann, wie sie ihr Kind zur Welt bringt.

Wie sieht es mit Hausgeburten auf Mallorca aus?

Anders als etwa in Deutschland sind die hier nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung abgedeckt. Das führt natürlich dazu, dass die meisten die Kosten scheuen und sich dagegen entscheiden. Wir haben hier im Jahr rund 15 bis 25 geplante Hausgeburten.

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt eine Kaiserschnittquote von zehn Prozent. Spanien liegt, wie Deutschland, um das Zwei- bis Dreifache darüber.

Bei den öffentlichen Krankenhäuser hält es sich noch in Grenzen, aber die privaten Häuser, die in Spanien und speziell auf Mallorca einen hohen Anteil an Versicherten haben, übertreffen die Empfehlungen jedes Jahr um ein Vielfaches. Was da passiert, ist in meinen Augen ein Skandal. Entgegen der Annahme, die man als Patient haben könnte, nämlich, dass man in privaten Krankenhäusern als Mutter mehr Einfluss auf den Geburtsvorgang nehmen kann, ist es genau andersherum.