Die Chancen stehen schlecht - zumindest, was die Zielmarke für das Jahr 2020 angeht. Dass sie Mallorca noch erreichen könnte, erscheint noch unwahrscheinlicher als der Klassenerhalt des Zweitligisten Real Mallorca. Nur noch drei Jahre bleiben den Inseln, um einen Anteil von 20 Prozent erneuerbarer Energien zu erreichen. Bislang steuert die Sonne weniger als drei Prozent der produzierten Energie bei - und andere erneuerbare Energieformen wie Wasser oder Wind sind auf den Inseln irrelevant. Selbst dann, wenn alle derzeit beantragten Projekte für Solarparks genehmigt werden sollten, bleibt das Ziel in weiter Ferne.

Auch Joan Groizard, Generaldirektor für Energie bei der balearischen Landesregierung und damit sozusagen Verantwortlicher für die Energiewende und den Kampf gegen den Klimawandel auf den Inseln, glaubt nicht mehr daran, dass das von der Europäischen Union vorgegebene Ziel erreicht werden wird - hat aber schon mal die nächste Zielmarke fest ins Auge gefasst: Bis zum Jahr 2050 soll der Anteil sogar auf 100 Prozent steigen. „Wir müssen jetzt damit anfangen, auf dieses Ziel hinzuarbeiten", so Groizard. „Wenn jedes Jahr auf den Balearen rund 100 Millionen Euro investiert und 100 Megawatt installiert werden, schaffen wir es."

Dass die Solarenergie auf der Sonneninsel nicht vorwärts kommt, hat mehrere Gründe. Da wäre zum einen der Schlingerkurs in der Energiepolitik der Zentralregierung, die in der Wirtschaftskrise vor knapp zehn Jahren die Subventionen zusammenstrich und Investoren abschreckte. Da wäre die restriktive Landschaftspolitik auf Mallorca und die ablehnende Haltung von Umweltschutzorganisationen. Da wäre der Kurs des Stromversorgers und Ex-Monopolisten Endesa, der auf Mallorca bislang ausschließlich auf Kohle und Erdgas setzt. Und da wäre das Genehmigungsverfahren, das auf den Balearen noch ein bisschen aufwendiger und unberechenbarer ist als im Rest Spaniens.

Bislang nur Miniparks

Derzeit gibt es auf den Inseln 38 durchgehend kleine Solarparks, die zusammen gerade einmal auf eine Leistung von 71.350 Megawatt kommen. Der bislang größte ist Bellpuig bei Artà mit 3.160 Megawatt. Nimmt man Kleinanlagen zur Selbstversorgung von weniger als 100 Megawatt mit in die Bilanz, ergeben sich 79.029 Megawatt.

„In den vergangenen fünf Jahren ist gerade einmal ein Megawatt hinzugekommen", sagt Groizard. Auch Neuanträge für Solarparks auf den Balearen seit seinem Amtsantritt vor knapp zwei Jahren könne er an einer Hand abzählen. Derzeit stecken Projekte weiter in der Warteschleife, die schon vor vielen Jahren beantragt wurden und zusammen auf eine Leistung von 220 Megawatt kommen. Werden sie bewilligt, würde sich der Anteil der erneuerbaren Energien mit einem Schlag auf 7,5 Prozent verdreifachen.

Und das, obwohl die umstrittensten Projekte wie Santa Cirga bei Manacor und s´Àguila bei Cala Pí (Llucmajor) abgespeckt wurden, um doch noch eine Lizenz zu erhalten. Die beiden Solarparks sollen 50 (Santa Cirga) und 40 Megawatt (s´Aguila) Leistung beisteuern, dahinter folgen Sa Caseta (Llucmajor, 20 Megawatt) sowie Es Pelai (Binissalem, 16 Megawatt) und Biniatria, in der Nähe des Heizkraftwerks Es Murterar von Alcúdia (16 Megawatt). Menorca plant mit der Erweiterung der Anlage von Son Salomó 50 zusätzliche Megawatt - somit würde zumindest die kleine Nachbarinsel mit einem Schlag die Zielmarke von 20 Prozent erreichen. Auf Ibiza sind unterdessen fünf kleinere Projekte mit zusammen 14 Megawatt beantragt.

Die Wartezeit stellt die Investoren auf eine harte Geduldsprobe. „In der Zeit, in der wir hier auf Mallorca auf eine Genehmigung warten, haben wir weltweit zwei Gigawatt installiert", meint Carlos González vom Unternehmen TW Solar und Bauträger des Projekts s´Àguila bei Llucmajor. In den USA, in Mexiko, in Kolumbien - überall wachsen die Solarparks, nur auf Mallorca komme trotz der optimalen Bedingungen nichts in Bewegung.

Dass die Genehmigungen so lange auf sich warten lassen, erklärt Groizard mit den komplizierten Zuständigkeiten auf Mallorca. Die ökologischen Aspekte der Projekte prüft die Umweltkommission der Landes­regierung, die baurechtlichen Aspekte dagegen der Inselrat. „Das führt manchmal zu Konflikten", so der Generaldirektor. Während der Bericht des Inselrats nicht bindend ist, geht ohne die Zusage der Umweltkommission nichts - und auch in diesem Gremium kann es zu unterschiedlichen Meinungen von Sachbearbeitern einerseits und Politikern andererseits kommen, wie im Fall von Santa Cirga.

Der Megasolarpark deutscher Investoren wartet inzwischen seit vier Jahren auf eine Genehmigung. Nachdem die Sachbearbeiter die ursprünglich 90 Hektar große Anlage bei Manacor zunächst als genehmigungsfähig eingestuft hatten, folgte im Februar 2015 im Plenum der Umweltkommission das Nein der politischen Repräsentanten. Das Energieministerium akzeptierte Anfang 2016 einen Einspruch des Investoren KS Management, zumal dieser inzwischen den Kritikern entgegenkam. Der Park schrumpfte auf 56 Hektar, die Zahl der Module von gut 249.000 auf 190.300. Der Abstand zur Landstraße Manacor-Portocristo soll nunmehr 500 Meter betragen, und die Investoren versprechen, knapp 10.000 Mandelbäume als Sichtschutz zu pflanzen und 300 Schafe weiden zu lassen.

Nach der öffentlichen Auslegung liegt der Antrag nun wieder der Umweltkommission vor. Der nicht bindende Bericht des Inselrats fiel zwar wegen des Eingriffs in die Landschaft negativ aus, dürfte aber nach Einschätzung von Joan Groizard kein Hindernis für die Genehmigung sein. „Wir sprechen hier gerade einmal von 0,2 Prozent der gesamten Gemeindefläche, auf denen 44 Prozent der in Manacor verbrauchten Energie erzeugt würden."

Doch Umweltpolitik ist auf Mallorca meist identisch mit Linkspolitik und Regionalismus, und so haben auch viele grüne Insel-Politiker Probleme mit Großinvestoren und Bauchschmerzen mit dem Standort - die Finca gilt als ein Stück ursprüngliches Mallorca, zumal hier 1862 der verehrte mallorquinische Sprachforscher Mossèn Alcover geboren wurde. „Hätte man mich vor zehn Jahren gefragt, hätte ich die Suche nach einem anderen Standort befürwortet", so Groizard. Jetzt aber eile die Zeit, und Mallorca könne sich keinen weiteren Aufschub leisten.

Zumal der Solarpark im Gegensatz zu einer Urbanisation keine Bodenversiegelung bedeute, sich mit der Beweidung vereinbaren lasse und zudem infolge der Verpachtung befristet sei, so der ­Generaldirektor, der nach dem Studium in Umwelttechnologie an der Universität Cambridge bei einer Londoner Consultingfirma als Berater für nachhaltige Energien tätig gewesen war. „Solche Anlagen werden nicht wie früher zementiert, sondern auf Pfosten verankert."

Lobbyarbeit in Llucmajor

Ähnlich argumentiert der Bauträger von s´Àguila bei Llucmajor, der angesichts des breiten öffentlichen Protests und der Bedenken der Umweltkommission die bebaute Fläche zwischenzeitlich von 200 auf 50 Hektar reduzierte - auch hier hat nun die Kommission das Wort. González wirbt speziell um die Gunst der Umweltschutzorganisation Gob, die bislang alle Großprojekte für Solarparks rundweg ablehnt und vergeblich auf eine Ausweitung des dortigen Vogelschutzgebietes durch die Landesregierung gehofft hatte. „Wir könnten zum Beispiel Vögel ansiedeln oder einen Beobachtungsturm bauen", so González, der britische Investoren hinter sich versammelt hat und offen für weitere Geldgeber ist, wie er sagt. Das auf 30 Jahre Pacht angelegte Projekt sei mit einer Rendite von sieben bis acht Prozent eng kalkuliert worden. Auch die örtliche Hoteliersbranche will der Investor bei der Energienutzung mit an Bord nehmen.

Unmittelbar bevor stehen dürfte zudem die Entscheidung über das in Sichtweite gelegene Projekt La Caseta, das ebenfalls vom Inselrat mit einem negativen Bericht belegt wurde. „Das ist widersprüchlich", so Groizard, „der Inselrat verweist auf bestehende Landschaftsschutzauflagen, sagt aber gleichzeitig, dass der Park keine Beeinträchtigung darstellt".

Solche bürokratischen Risiken ließen sich mit kleineren Solarparks umgehen, die nicht mehr als drei Megawatt haben, erklärt Heinz Torwie, Geschäftsführer der Firma Solarta in Artà. Für solche Anlagen sei im Rahmen eines vereinfachten Verfahrens kein Bericht des Inselrats nötig, und „auch die Akzeptanz in der Bevölkerung ist für diese Projekte wesentlich höher."

Dabei blenden die Landschaftsschützer gemeinhin die Energiebilanz auf Mallorca aus und nehmen in Kauf, dass weiterhin im Tagebau geförderte Kohle aus Afrika über Tarragona nach Alcúdia verschifft wird, um sie im dortigen veralteten Heizkraftwerk zu verfeuern. Die anderen Kraftwerke auf Mallorca werden ebenfalls mit fossiler Energie betrieben, sei es durch die Verbrennung von Erdgas (Es Tresorer), das über eine Pipeline am Meeresgrund vom Festland nach Mallorca gelangt, oder Müll (Son Reus).

Gesetz in der Mache

Darauf hat die Landesregierung freilich keinen Einfluss, genauso wenig wie auf die Politik der Zentralregierung, private Fotovoltaikanlagen mit bürokratischen Hürden und zusätzlichen Gebühren - Stichwort Sonnensteuer - ­auszubremsen. Mit Subventionen versucht das balearische Energieministerium gegenzusteuern, wobei das Ressort von Groizard gerade mal ein Jahresbudget von 4 Millionen Euro hat.

Während die Entscheidung über die beantragten Solarparks in den Händen der Delegierten der Umweltkommission liegt, wird im Energieministerium an einem ehrgeizigen Gesetz zum Energiewandel gebastelt - spanienweit einem der ersten, wie die Landesregierung betont. Bislang ist das Projekt noch eine Art Ideensammlung. Für Schlagzeilen sorgte aber bereits der Vorschlag, dass ab 2050 nur noch Elektroautos auf den Balearen zugelassen sein sollten. Der Gesetzentwurf, der im Herbst vorgestellt werden soll, beschäftigt sich neben den Auswirkungen des Klimawandels vor allem mit der Reduzierung der Kohlendioxidemissionen.

Schon jetzt will die Landesregierung mit gutem Vorbild vorangehen: So wurde beschlossen, sämtliche für die öffentlichen Verwaltung benötigte Energie einschließlich Krankenhäusern und Schulen aus erneuerbaren Quellen zu beziehen - das sind immerhin rund vier Prozent des gesamten Stromverbrauchs auf den Balearen. Dies ist möglich, weil inzwischen knapp ein Drittel der auf Mallorca benötigen Energie per Stromkabel vom Festland kommt - und dort liegt der Anteil der Wasser-, Wind- und Sonnenenergie bei rund 40 Prozent. Gemessen am Verbrauch statt an der Erzeugung könnte Mallorca also einen deutlich höheren Anteil erneuerbarer Energien vermelden - und mit diesem Statistiktrick dann vielleicht doch noch die 20-Prozent-Marke bis zum Jahr 2020 knacken.