Kleine runde Aufkleber auf dem Boden weisen den rund 240 Wissenschaftlern aus aller Welt den Weg ins Auditorium des Jovellanos-Gebäudes der Balearen-Universität. Auf den Aufklebern zu sehen ist ein aus farbigen Quadraten stilisierter Baum, der an allen Seiten Blätter verliert - ein Sinnbild für die Krankheit, um die es in den vergangenen Tagen auf Mallorca ging. Das Feuerbakterium, die sogenannte Xylella fastidiosa, hat die gesamte Forscher-Elite aus 20 Ländern, vor allem aus den USA, Brasilien und Europa, auf die Insel gebracht. Lösungen sucht man bei der Bekämpfung der Plage. Und das mit Nachdruck, denn der Erreger lässt inzwischen in zahlreichen Ländern, darunter neben Spanien auch Kalifornien, Italien oder Frankreich, Olivenbäume, Mandelbäume und Zierpflanzen in Massen sterben. Eines der Epizentren, wenn nicht sogar der Ursprung der Krankheit in Europa, liegt auf Mallorca.

Hier, wo nach Schätzungen des Biologen Alejandro Moralejo bereits gut eine Million Mandelbäume vom Feuerbakterium befallen sind - eine seiner Meinung nach eher konservative Schätzung, die auch das notorisch vorsichtige Landwirtschaftsministerium für realistisch hält. Was also tun gegen diese Krankheit, der nicht mit Schädlingsbekämpfungsmitteln und Pestiziden beizukommen ist?

Zunächst einmal wurde auch bei der Tagung klar: Ein Allheilmittel gibt es nicht, dazu ist der Erreger zu komplex und anpassungsfähig. Erfreulich ist aber immerhin, dass die Wissenschaft in den vergangenen zwei Jahren offenbar enorme Fortschritte bei der Erforschung des Feuerbakteriums gemacht hat. So große, dass sich Harry Arijs, der bei der Europäischen Kommission für Pflanzengesundheit verantwortlich ist, bei der abschließenden Feedbackrunde am Mittwoch (15.11.) aus dem Fenster lehnte: „Ich habe in meiner ganzen Laufbahn bisher noch nie gesehen, dass für eine einzige Plage so viele Forschungsprojekte begonnen wurden. Das ist ein historisches Ereignis."

Früherkennung tut Not

Allerdings: Wo Licht ist, gibt es auch noch einiges an Schatten. Weiterhin fehlt es in Europa an effektiver Früherkennung, „vor allem ein verlässlicher, aber preiswerter Screening-Test für die Landwirte ist dringend nötig", sagte Arijs. Solange hier kein Durchbruch gelingt, könne die Europäische Kommission ihre Maßgaben bei der Bekämpfung der Krankheit nicht ändern. Dazu gehöre etwa die Einrichtung der Befalls- und der Pufferzone mit ihren jeweiligen Folgen. In der Befallszone würden somit auch weiterhin - außer in den beiden Sonderfällen Apulien und Balearen - in einem Radius von 100 Metern rund um ein von der Krankheit infiziertes Exem­plar die potenziellen Wirtspflanzen herausgerissen und verbrannt. „Wir wollen ja selbst Alternativen dazu anbieten, aber bisher gibt es keine. Zumindest nicht aus unserer Sicht", bedauerte Arijs.

Josep Pagés, der Generalsekretär der Vereinigung der Europäischen Baumschulen, wagte sich indes an eine Schätzung, was ein einigermaßen wirksamer Schutz vor dem Erreger in Europa kosten würde. Würde man nur an 30 Prozent der Pflanzen Schutzmaßnahmen ergreifen, wie etwa Netze aufbauen, durch die die potenziellen Überträger nicht hindurchschlüpfen könnten, würde das mit 3,6 Milliarden Euro zu Buche schlagen.

Die Überträger der Krankheit, die sogenannten Vektoren, bereiten der Wissenschaft derzeit mit das größte Kopfzerbrechen, speziell auch auf den Balearen. Bisher war man davon ausgegangen, dass vor allem Insekten, die das sogenannte Xylem, also den Pflanzensaft in den Blättern heraus­saugen, den Erreger von einem Baum auf den nächsten übertragen, so wie das bereits in anderen Teilen der Welt nachgewiesen wurde.

Vor allem stand dabei die Wiesenschaumzikade unter Verdacht. Nun haben Mitarbeiter des Landwirtschaftsministeriums auf den Balearen aber seit dem vergangenen Jahr Dutzende Zikaden und andere Insekten eingefangen und auf den Erreger hin überprüft. Bisher wurde kein einziges Insekt gefunden, das die Xylella fastidiosa in sich trug. Zoologe Miguel Ángel Miranda von der Balearen-Universität bedauerte das in seinem Vortrag bei der Tagung in Palma. Von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, die die Konferenz in Palma organisiert hatte, bekommen die Balearen 200.000 Euro, um zu erforschen, welche Insekten den Erreger in sich tragen und wie sich diese auf den Inseln verhalten. Miranda: „Das ist der Schlüssel für uns, um Strategien zu entwickeln, wie wir das Feuerbakterium kontrollieren können."

Individuelle Strategien

Einigkeit herrscht in der Wissenschaft, dass es keine einheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Plage in den verschiedenen Ländern geben kann. Ebenso wie der Italiener Donato Boscia (siehe rechte Seite) plädierte auch der kalifornische Wissenschaftler Rodrigo Almeida von der Universität Berkeley dafür, „individuelle Strategien" für die einzelnen Regionen zu erarbeiten, da verschiedenste Faktoren, wie etwa das Klima, die Wirtspflanzen oder auch das Vektorvorkommen eine Rolle spielten. Almeida berichtete von den Erfahrungen, die man in Kalifornien mit dem Erreger hat. Seit Jahrzehnten kämpfe man dort gegen das Feuerbakterium, aber „es ist und wird weiterhin ein Problem darstellen". Und das, obwohl in den USA große Mengen Geld in die Bekämpfung der Plage gesteckt werden. 100 Millionen Dollar im Jahr sind es allein in Kalifornien. Das Resultat fällt da eher bescheiden aus. Almeida: „Das Geld hat uns dabei geholfen, mehr über den Erreger zu lernen."

Es gibt also noch viel zu forschen - und Eile ist auch deshalb geboten, weil das Feuerbakterium sich ständig verändert. In wenigen Jahren könne es Arten befallen, die heute noch immun seien, warnte Miranda.