Von Dr. Armin Reichmann

Kann man durch Schaden reich werden? Scheinbar ja, blickt man auf die steigende Zahl der Anwälte, sowohl in Deutschland als auch in Spanien und ganz Europa. Gibt es aber nun mehr Anwälte, weil die Klagebereitschaft in der Bevölkerung immer größer geworden ist, oder ist es eher umgekehrt, dass die Vielzahl der Anwälte die Leute anregt, zu jedem auch noch so kleinen Konflikt einen Rechtsberater hinzuzuziehen?

Tatsache ist, dass die Bereitschaft, den Nachbarn, einen Verkäufer oder gar den Staat mit einer Klage zu überziehen, immer größer geworden ist. Wie so oft sind die USA auch auf diesem Gebiet Spitzenreiter. Dies mag auch daran liegen, dass dort, anders als in Deutschland, Anwälte ein Erfolgshonorar vereinbaren können. Besonders beliebt (oder, je nach Betrachtungsweise, gefürchtet), sind Schadensersatzklagen. Insoweit haben amerikanische Anwälte aufgrund ihres Rechtssystems einen klaren Vorteil: In den USA kann man nämlich nicht nur (wie in Deutschland oder in Spanien) den tatsächlich entstandenen und auch nach­gewiesenen Schaden verlangen, sondern vielmehr kann ein Kläger darüber hinaus noch einen finanziellen Strafzuschlag zulasten des Schädigers fordern. Bezweckt wird damit, dass insbesondere Hersteller von Konsumgütern dazu angehalten werden, sorgfältiger auf die Qualität ihrer Produkte zu achten, was nicht der Fall wäre, wenn diese nur den tatsächlichen Schaden ersetzen müssten. Besonders reizvoll für den Kläger (und dessen Anwalt natürlich auch) ist der Umstand, dass dieses zusätzliche ýBußgeld", nicht etwa an den Staat geht, sondern vielmehr dem Kläger selbst zusteht.

Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit: Einen Schadensersatz in Höhe von 2,5 Millionen Dollar erhielt eine Frau deshalb, weil bei ihr fälschlicherweise Aids diagnostiziert wurde und sie jahrelang mit entsprechenden Medikamenten behandelt worden war. So hatte sie nun doppelt Glück: Sie hatte kein Aids und erhielt darüber hinaus eine ordentliche Zahlung.

Die Angst vor Schadensersatzklagen zwingen die Hersteller zu langatmigen Ausschlussklauseln in ihren Bedienungsanleitungen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen, um derartigen Klagen zu entgehen. Dies führt mitunter zu kuriosen Auswüchsen, die jährlich in der amerikanischen Presse prämiiert werden. Die folgenden Warnhinweise waren die Sieger des Jahres 2007:

- ýNicht bügeln, wenn Sie das Hemd tragen" (Verkäufer von Bügelapplikationen).

- ýSchutzbrille empfohlen" (Verkäufer eines Brieföffners).

- ýDieser Stift mit unsichtbarer Tinte sollte nicht zum Unterschreiben von Schecks oder juristischen Dokumenten benutzt werden" (Verkäufer eines Schreibgerätes).

Der Autor ist Rechtsanwalt in Frankfurt/Main und in Palma, www.dr-reichmann.com, Tel.: 971-21 41 37.