Von Holger Weber

Und so war es denn auch am Sonntagabend im Bernabéu-Stadion. Bernd Schuster schickte seinen Schützling beim Stand von 3:1 mit einem besonders herzlichen Handschlag unter die Dusche. Raúl war einer der drei Torschützen und gehörte beim Sieg seiner Mannschaft (am Samstag, 5.4., zu Gast bei Real Mallorca) gegen den FC Sevilla zu den Besten.

Die Szene hatte etwas Theatralisches. Ausgerechnet Raúl, seit Wochen in bestechender Form, stützt seinen nach dem Ausscheiden in der Champions League und im Königspokal in die Kritik geratenen Trainer. Quasi als Dankeschön dafür, dass dieser ihm das Vertrauen gab, als er selbst in der Krise steckte.

Raúl, neben Casillas der letzte verbliebe Topspieler aus der Generation der „Galaktischen" unter Präsident Florentino Pérez, stand in der vergangenen Saison heftig in der Kritik. Viele prophezeiten ihm sein Ende bei den Königlichen. Der Star, der bereits als Jugendlicher beim Rekordmeister debütiert hatte, sei ausgebrannt, hieß es. Unter den Zweiflern befand sich auch Spaniens Nationaltrainer Luis ­Aragonés, der dem Madrilenen andeutete, dass er künftig nicht mehr mit ihm rechnen werde.

Auf dem falschen Posten

Doch Raúl, der von Madrids damaligem Übungsleiter Fabiano Capello vom Sturm ins Mittelfeld versetzt worden war, stand vermutlich nur auf dem falschen Posten, wie man nachträglich sagen könnte. Und so erklärte Schuster den bereits Verschmähten bei seinem Amtsantritt im Sommer nicht nur demonstrativ zu seinem verlängerten Arm in der Mannschaft, er ließ ihn auch wieder dort spielen, wo er nach Meinung des Deutschen am wichtigsten für das Team ist: in der Spitze.

Das Ergebnis: Mit 16 Treffern liegt der Kapitän der Madrilenen auf Rang drei der Torschützenliste der Liga. Für die Mannschaft, die nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Ruud van Nistelrooy vor allem im Sturm geschwächt ist, ist er zu einer zentralen Figur geworden. Und für Schuster kommt das Wiedererwachen eines bereits Totgeglaubten zur richtigen Zeit. Der Deutsche steckt mit seiner Mannschaft trotz eines anscheinend bequemen Polsters von sechs Punkten auf den Tabellenzweiten Villarreal in einer delikaten Situation.

Die Presse wetzt die Messer

Der Gewinn der Meisterschaft ist Pflicht, wenn er sein „Projekt", wie es der Deutsche nennt, in der nächsten Saison fortführen will. Zwar sagt Schuster selbst, er habe bereits die Zusage seines Präsidenten für eine weitere Saison. Doch weiß man, was präsidiale Versprechungen im Fußballgeschäft bedeuten - nicht viel. Vor allem wenn der Druck der Medien größer wird. Sollte Schuster letztlich am Titelgewinn scheitern, darf er nicht auf Rückendeckung der Journalisten vertrauen. Mit den meisten hatte er es sich bereits verscherzt, als die Saison noch gar nicht begonnen hatte. Vorwürfe, einige Kolumnisten großer spanischer Sportzeitungen urteilten über Dinge, von denen sie keine Ahnung hätten, mochten vielleicht berechtigt gewesen sein, hatten jedoch Konsequenzen: Einige Zeitungen lassen seitdem keine Gelegenheit aus, dem Deutschen Breitseiten zu verpassen. Nach einer Schwächephase, in der der einst formidable Vorsprung von neun Punkten auf die Verfolger auf bedrohliche drei zusammengeschmolzen war, machte das Wort Schuster-Syndrom die Runde, wonach der Deutsche als Trainer immer furios beginnt, im Laufe der Saison jedoch stark nachlässt.

Die Sportzeitung „As" untermauerte die Theorie mit einem Zahlenspiel. In den ersten zehn Spielen der Rückrunde, so zeigte das Blatt auf, habe Schusters Team zehn Punkte weniger eingefahren als in der Hinrunde, auch schoss Real fünf Tore weniger und kassierte doppelt so viele wie zu Saisonbeginn.

Ähnliche Talfahrten erlebte Schuster zuvor bei Levante und Getafe, wo er vor seiner Nominierung bei Madrid arbeitete. Doch im Gegensatz zu den Mittelklasse-Clubs verfügt Madrid über einen Kader, der über die Saison hinweg auch Ausfälle wie den von van Nistelrooy verschmerzen kann. Und nicht zuletzt verfügt der Deutsche über einen Raúl, der ihm noch etwas schuldig ist. In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

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