Das letzte Mal war Fußball-Bundestrainer Joachim Löw mit der Nationalmannschaft auf Mallorca. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr begann die Vorbereitung des DFB-Teams auf die Europameisterschaft in Österreich und in der Schweiz. Diesmal ist Löw allein auf die Insel gekommen. Er soll für Werbeaufnahmen des Reiseveranstalters Tui Modell stehen. Statt wie damals rund 100 Fachjournalisten im Stadion Son Moix sitzt er bei der vom Reiseveranstalter kurzfristig anberaumten Pressekonferenz einer Handvoll mallorquinischen Lokalreporten gegenüber. Löw soll im noblen Clubhaus des Golfclubs Son Gual über Urlaub reden. Über die Schönheit der Insel, über deren Vorzüge wie die gute Erreichbarkeit und die Sicherheit. Das Thema Fußball, so war im Vorfeld angekündigt worden, sei absolut tabu.

Aber dann ist es ausgerechnet der Bundestrainer selbst, der den Fußball schließlich doch ins Spiel bringt. Denn auf Mallorca habe man sich mit der Natio­nalmannschaft wohl gefühlt, hier sei der Grundstein gelegt worden für die gute EM, die für Deutschland ja erst im Finale mit einer 0:1-Niederlage gegen Spanien ein Ende fand. Und wenn er so von der ausgezeichneten Atmosphäre spricht, die innerhalb der Mannschaft geherrscht habe, dann meint man fast ein wenig Wehmut in der Stimme des Trainers zu hören. Denn seit den unbeschwerten Tagen von Son Vida ist viel passiert, in der Nationalmannschaft hat es mehrfach heftig gekracht: Ballack gegen Bierhoff, Ballack gegen Löw selbst, Podolski gegegen Ballack, inklusive Ohrfeige. All das hat für viel Wirbel und Diskussionen gesorgt. Letztlich habe vor allem die Auseinandersetzung mit Ballack und die darauf folgende Aussprache dazu geführt, dass sich sein Verhältnis zum Kapitän vertieft habe, sagte Löw am Montag (11.5.) in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ).

Doch so unbeschwert und einträchtig wie einst auf Mallorca wird es im Nationalteam wohl nicht mehr werden – und so soll es nach Ansicht des Bundestrainers auch nicht mehr sein. Künftig werde man den Konkurrenzkampf innerhalb des Teams schüren. Das sei eine Konsequenz aus der Bilanz, die man nach der EM in Österreich und in der Schweiz gezogen habe.

Auf Mallorca darf man sich dennoch Hoffnung machen, dass die Nationalmannschaft noch einmal zurückkehrt, um sich auf ein großes Turnier vorzubereiten. Beispielsweise im kommenden Jahr, wenn die Weltmeisterschaft in Südafrika ansteht. Zwar muss sich das DFB-Team dafür erst noch qualifizieren, doch halte man bereits Ausschau nach einem guten Quartier, so Löw. Weil auf der Südhalbkugel zum Zeitpunkt der WM Winter sei, werde zur Vorbereitung vor allem ein Ort mit ähnlichen klimatischen Bedingungen gesucht. Doch da man zwei Trainingslager plane, habe Mallorca durchaus eine Chance – wegen der guten Erreichbarkeit, so der Bundestrainer.

Das erste Mal sei er vor elf Jahren auf der Insel gewesen, um sich ein Spiel von Real Mallorca anzusehen. Damals war der Inselclub noch ein Newcomer in der Primera División. Auf dem Trainingsplatz stand der argentinische Coach Hector Cúper. Vom spanischen Fußball könne man viel lernen, sagt Löw. Es gebe derzeit keine andere Natio­nalmannschaft, die auf einem vergleichbaren Niveau spiele wie der amtierende Europameister, der den Titel im vergangenen Jahr zu Recht gewonnen habe – auch wenn der Erfolg zu Lasten seiner Mannschaft gegangen sei. „Die Spanier hatten elf Spieler, die in jeder Saison auf zehn bis 15 Einsätze in der Champions League kommen – und das seit Jahren. Um in die absolute Spitze zu kommen brauchen wir eine Steigerung", hatte Löw vor dem Abflug nach Mallorca der FAZ erklärt.

Zuletzt hatte er immer wieder auf den Vorsprung anderer Ligen wie Spanien oder England hingewiesen und angemahnt, die Trainingsmethoden in den Bundesligavereinen zu verändern, um international konkurrenzfähig zu sein. Seine Argumentation stützt sich dabei auf Statistiken über Spielschnelligkeit, Zweikampfverhalten, Intensität und Taktik, die der DFB auch in ausländischen Ligen erfasst.

Auch schickt der Verband Trainer aus, damit sie sich Spiele in den besten europäischen Ligen anschauen. Selbst wenn es in der Bundesliga keine Spieler vom Schlage einens Iniesta, Xavi oder Messi gebe, könne man sich weiter verbessern, glaubt Löw. Mit solchen Aussagen, die von vielen Kollegen in der Bundesliga als Kritik aufgefasst werden, macht sich Löw keine Freunde. Nicht selten wird er von Kollegen und Managern als Besserwisser hingestellt. Doch der Bundestrainer will sich treu bleiben und weiterhin auf Missstände hinweisen. Gerade in Erholungsphasen wie jetzt auf der Insel denke er intensiv über die nächsten Schritte nach.

In der Printausgabe lesen Sie außerdem

- Verpasste Chancen: Keine Fußball-WM in Palma