Eigentlich ist es Espen Selboskar nicht gewohnt, dass Autofahrer ungläubig den Kopf schütteln oder gar einen Lachanfall bekommen, wenn sie dem 29-Jährigen und seiner Gruppe beim Training begegnen. In seiner norwegischen Heimat sind Rollskiläufer schon lange ein gewohnter Anblick. Hier auf Mallorca erregte die ungewöhnliche Truppe, die sich in den vergangenen Tagen auf kleinen Nebenstraßen rund um Palma voranstöckelte, hingegen ein gewaltiges Aufsehen. In Son ­Ferriol, wo die Skandinavier ein Haus gemietet hatten, waren sie bekannt wie bunte Hunde, und Selboskar verstand die Welt nicht mehr. „Die Einwohner wundern sich über unsere aus ihrer Sicht komischen rollenden Bretter, und wir wundern uns darüber, dass sie sich wundern.“

Eine Woche lang besuchte der Trainer eines Osloer Skiclubs die Insel, um seinem Langlaufnachwuchs den letzten Schliff für die bevorstehende Wintersaison zu geben. Im Gepäck hatte er neun Junioren im Alter zwischen 15 und 18 Jahren, jede Menge Stöcke, viele Rollskis und verdammt viel gute Laune. Es war das erste Mal, dass Selboskar einen Arbeitsausflug nach Mallorca machte. „In Norwegen haben wir um diese Jahreszeit bereits sehr schlechte Trainingsbedingungen. Es regnet viel, und die Straßen sind verdammt rutschig.“ Dass er auch auf der Insel mit nasssem Asphalt konfrontiert werden sollte, stand nicht im Prospekt. Aber gemäß dem Motto „So schlecht wie bei uns, kann es hier gar nicht werden“, schnallte die Gruppe bei ihren zehn bis 20 Kilometer langen Touren die Ski unter. „Mallorca bietet optimale Bedingungen für das Trockentraining. Die Nebenstraßen sind kurvig, haben unterschiedliche Anstiege und sind verkehrstechnisch nicht allzu gefährlich.“ Es regne zwar auch hier, schütte aber nicht wochenlang aus Kübeln.

Noch sind Urlauber wie Selboskar und sein Langlaufnachwuchs auf der Insel die absolute Ausnahme. Aber wer weiß, vor vielen Jahren waren es auch nur eine Handvoll Radfahrer, die sich in den Wintermonaten in der Tramuntana abstrampelten. Und Skilanglauf gehört in Nordeuropa zu den Traditionssportarten schlechthin. Selbst die Sommertrainingsvariante wird schon seit 80 Jahren praktiziert. Genau genommen sind Rollskier die Urahnen aller Skatearten - aus ihnen gingen alle Inline-Skater hervor.

Bereits seit 1930 benutzen ambitionierte Skilangläufer Rollskis für ihr Sommertraining. Auf einem heutzutage aus Leichtmetall bestehenden Holm, an dessen beiden Enden Rollen befestigt sind, werden Klappbindungen vom Langlaufski montiert. Ob der Ski zwei oder vier Rollen pro Holm hat, ist Geschmacksache. Lediglich der Achsenabstand ist bei Wettkämpfen mit 530 bis 610 Milli­meter vorgeschrieben. Seit 1994 wird jährlich ein Rollski-Weltcup ausgetragen. Spitzensportler erreichen dabei Geschwindigkeiten von bis zu 50 Stundenkilometern.

Gefahren wird mit Langlaufschuhen und auf den Asphalt abgestimmten Stöcken. Da Rollskier noch weit von den Produktionszahlen der populären Inlineskates entfernt sind, ist deren Anschaffung relativ kostspielig. Je nach Modell müssen zwischen 300 und 550 Euro investiert werden, Stöcke, Schuhe, Helm und Schutzkleidung nicht mitgerechnet.

Das wird Skilangläufer nicht abschrecken. Zwar gibt es auch andere Möglichkeiten, im Sommer Kondition und Langlauftechnik zu trainieren, doch bei dem verwandten Nordic-Blading (eine Art Nordic Walking mit Rollschuhen) oder dessen geländegängigen Variante, den Cross-Skatern, fehlt die Klappbindung.

In der Printausgabe lesen Sie außerdem:

- Der lange Abschied des Real Mallorca-Trainers Gregorio Manzano

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