Real Mallorca, als Abstiegskandidat in die Saison gestartet und jetzt Champions-League-Anwärter, empfängt am Samstag (27.3.) in einem echten Spitzenspiel der Primera División den Tabellenzweiten FC Barcelona. Zu Hause hat Real in dieser Saison bis auf eines alle Spiele gewonnen.

Der Erfolg Mallorcas wird vor allem dem Trainer zugeschrieben: Gregorio Manzano (53), Grundschullehrer und Psychologe. Der Andalusier hat nie selbst professionell Fußball gespielt.

Herr Manzano, wie wollen Sie am Samstag in Son Moix Lionel Messi bremsen?

Messi kann man nur mit der Schrotflinte stoppen (lacht). Wir können uns glücklich schätzen, ihn in der Liga zu haben. Er ist der Beste.

Vor Monaten hätte niemand geglaubt, dass die Begegnung gegen den FC Barcelona ein echtes Spitzenspiel wird. Verraten Sie uns Ihr Erfolgsgeheimnis?

Da gibt es kein großes Geheimnis. Das Einzige ist, dass ich versuche, ein gutes Ambiente zu schaffen. Ein Ambiente, in dem sich jeder Fußballer wie in einer großen Familie res­pektiert und gut aufgehoben fühlt, und in dem er seine beste Leistung abrufen kann.

Die vergangenen beiden Jahre waren geprägt durch ausstehende Gehaltszahlungen, dubiose Figuren in der Präsidentenloge. Kurz: ein institutionelles Chaos. Wie schaffen Sie es, die Spieler in so einemUmfeld auf Kurs zu halten?

Das ist nicht einfach. Als der Höhepunkt der institutionellen Krise erreicht war und die letzten Besitzer des Clubs (die Familie Martí Asensio; Anm. der Red.) nach nur drei Monaten mit Begleitumständen ausschieden, die kein Team so locker wegsteckt, habe ich mich vor die Mannschaft gestellt und gesagt: Entweder wir lassen uns von diesem ganzen Chaos mitreißen oder wir machen so weiter und tun auf dem Platz das, was uns unsere Ehre als Fußballer gebietet. Die Mannschaft hat sich für Letztgenanntes entscheiden. Die Professionalität ist der große Verdienst dieses Teams. Es gibt keine andere Mannschaft in Europa, die noch Gehälter aus dem vergangenen Jahr ausstehen hat, nicht weiß, ob sie künftig noch bezahlt wird, und dennoch mit Mannschaften wie Barcelona, Madrid, Valencia und Sevilla oben mitspielt.

Wie motivieren Sie die Spieler?

Ich glaube, in jedem von ihnen steckt noch der kleine Junge, der voller Leidenschaft auf der Straße dem Ball nachjagt. Man muss den kleinen Jungen in ihnen wecken. Es ist zudem in ihrem eigenen Sinne, auch in einer solchen Situation ans Limit zu gehen. Denn je besser wir sind, desto attraktiver wird der Club für einen Investoren, der uns aus der Misere holt.

Wie haben die Spieler reagiert, als eine Tageszeitung die Gehaltsliste der Mannschaft veröffentlichte, die der Redaktion zugespielt worden war?

Mit großer Professionalität. Es gibt keinen Grund für Eifersucht und Neid. Denn ihre Gehälter haben sie selbst oder ihre Repräsentanten mit dem Club ausgehandelt. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Das haben die Spieler schnell verstanden.

Arbeiten Sie mit Hypnose, wie ´The Guardian´ behauptet hat?

Ach was, überhaupt nicht. Ich bin Psychologe. Ich schwinge keinen Pendel und blicke auch niemandem tief in die Augen. Die Zeitung hat ein Porträt von mir und meinen Methoden gezeichnet und dann dieses Wort gewählt, das ich für keine glückliche Beschreibung halte.

Sie waren niemals Profi-Fußballer. Betrachten Sie den Fußball aus einem anderen Blickwinkel als Ihre Kollegen?

Den Fußball an sich sehen wir alle gleich. Einen Unterschied gibt es in der Art und Weise, eine Gruppe zu führen. Der klassische Profispieler wendet als Trainer wahrscheinlich all die Methoden an, die er selbst in seiner aktiven Zeit gelernt hat. Ich sehe bei meiner Arbeit nie nur den Fußballer, sondern auch den Menschen, der in ihm steckt. Wenn man an die Seele der Person herankommt, dann kommt man auch an die Seele des Fußballers. Ein Fußballer, der sich respektiert und verstanden fühlt, leistet mehr. Das ist meine ganz persönliche Auffassung.

Sie haben gesagt, der Mallorquiner habe eine negative Einstellung zum Fußball. Ist es schwer, als Andalusier auf Mallorca zu leben?

(Lacht). Auf Mallorca zu leben, ist für einen Andalusier genauso ein Glück wie für einen Deutschen. Die Insel hat so viel zu bieten. Und das macht sie unvereinbar mit Fußball. Als Team, das für die Fernsehsender nur bedingt interessant ist, müssen wir etwa 14 unserer 19 Heimspiele sonntags um 17 Uhr austragen. Um diese Uhrzeit kann man auf Mallorca viele andere Dinge tun: die Sonne am Strand genießen, mit der Familie einen Ausflug machen oder ausgedehnt zu Mittag essen. Das Resultat ist, dass wir als Mannschaft nicht die Unterstützung haben wie andere Teams. Man hat sich zudem auf der Insel daran gewöhnt, eine Mannschaft in der ersten Liga zu haben, nimmt es als selbstverständlich hin. Diese Passivität ist gefährlich. Dass man für die Erstligazugehörigkeit Sonntag für Sonntag etwas tun muss, wird vergessen. Mit einem Schnitt von 12.000 Zuschauern ist es schwierig, auf Dauer die Klasse zu halten. Der Club braucht gesellschaftlichen Rückhalt, den er nicht mehr hat.

Die Fanclubs haben Sie für die Mallorquiner-Schelte herbe kritisiert.

Vielleicht stand es mir nicht zu, dies zu sagen. Aber zumindest habe ich damit eine Debatte ausgelöst.

Die Zuschauerzahl sank mit der Firmenpleite von Vicenç Grande. Verstehen Sie, dass jemand, der durch den Bau-Tycoon viel verloren hat, nicht mehr ins Stadion geht?

Ich weiß nicht, inwieweit die Grande-Pleite, und alles was daran hängt, dabei eine Rolle spielt. Aber ich wage zu behaupten, dass die Zuschauerzahl nicht doppelt so hoch wäre, wenn es Grande nie gegeben hätte. Ich glaube, man muss Real Mallorca von den Personen trennen. Der Club als Institution wird bald 100 Jahre alt und hat viele Präsidenten, Trainer und Fußballer überdauert. Die Geschichte mit Grande ist jetzt fast zwei Jahre her. Jetzt sind andere am Steuer. Ich fürchte, im nächsten Jahr werden es wieder andere sein. Was zählt, ist die Institution Real Mallorca.

Es gibt jetzt den ersten deutschen Fanclub, den diese Zeitung gegründet hat. Sollte man mehr um die Ausländer werben?

Auf jeden Fall, die Deutschen sind doch fußballverrückt. Man sollte alles tun, damit sich die hier lebenden Deutschen oder auch die Urlauber mit unserem Club identifizieren.

Die Aussichten sind nicht gut. Der Club muss den Gürtel noch enger ziehen, wird wahrscheinlich bald Insolvenz anmelden. Haben Sie noch Kraft für eine weitere Saison?

Die vergangenen vier Jahre haben stark an meinen Nervenkostüm gezerrt. Jedes Jahr musste ich bei null anfangen. Sobald mein Team und ich eine gute Mannschaft aufgebaut hatten, mussten wir die besten Spieler anschließend verkaufen. Gut, man kann einwenden, das sei Teil meines Jobs. Aber ich sage Ihnen ehrlich: Wenn wir uns jetzt für einen europäischen Wettbewerb qualifizieren, dafür im kommenden Herbst aber keine entsprechend starke Mannschaft haben, dann ist es besser, der Club sucht sich jemanden, der frischer ist und mit neuen Ideen kommt. Eine Vertragsverlängerung ohne Wenn und Aber wird es mit mir nicht geben.

Was muss geschehen, damit Sie hierbleiben?

Ich warte darauf, dass jemand kommt, mir die sportlichen und wirtschaftlichen Perspektiven aufzeigt und mir sagt, was er mit dem Club vorhat. Wenn ich von dem Projekt überzeugt bin, werde ich mit großem Vergnügen hier weiterarbeiten. Wenn nicht, endet zum Saisonende eine wunderschöne Etappe.

Ihr Verdienst wird außerhalb Mallorcas mehr gewürdigt als hier.

Das wird falsch interpretiert. Nicht die Leute auf der Straße sind gegen mich, sondern ein Teil der Medien. Grund ist, dass ich der Tageszeitung, die die Gehaltslisten veröffentlichte (Última Hora; Anm.d.Red.), keine Interviews mehr gebe. Ich hielt dies für eine schwere und inakzeptable Verletzung der Intimsphäre der Spieler. Nun zahlt es mir das Blatt heim, indem es Stimmung gegen mich macht. Fern der Insel bekommt man dies nicht mit.

Reden Sie Klartext, weil Sie nichts mehr zu verlieren haben?

Ich will einfach, dass man wieder über Fußball redet. Wir haben in dieser Saison einen Heimrekord mit zehn Siegen in Folge aufgestellt, spielen auf Augenhöhe mit Madrid und Barcelona. 2009 verloren wir zu Hause nur zwei Spiele, vor zwei Jahren war mit Dani Güiza einer von uns Torschützenkönig der Liga. Das sind viele Argumente, um über Sport zu reden. Doch es sind so viele Dinge jenseits des Fußballs passiert, dass der Sport völlig in den Hintergrund getreten ist. Das finde ich traurig.

Sie haben gesagt, der Club brauche eine innere Reinigung. Was meinen Sie damit?

Diesem Club fehlt ein Ehrenkodex. Es darf nicht sein, dass vertrauliche Informationen ständig nach außen

sickern und interne Machtkämpfe über die Medien ausgetragen werden. Der Club kommt so nie zur Ruhe. Hier ist die Führung gefragt.

In der Printausgabe vom 25. März (Nummer 516) lesen Sie außerdem:

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