Joan Forteza hat viele Tore geschossen für Real Mallorca. Genau genommen 91 in 283 offiziellen Pflichtspielen. Darunter war auch dieser Ausgleichstreffer gegen Racing Santander am 18. September 1960. Dem Tor wurde damals keine große Bedeutung beigemessen. Es war nicht spektakulär, sondern vielmehr an diesem Tag wichtig, weil das Spiel schließlich 2:1 gewonnen wurde. „Der Torwart hat es mir leicht gemacht. Er stand falsch", erinnert sich Forteza, der den Ball per Kopf über die Torlinie drückte. Er muss die Szene, die mit einer Flanke von Julián Mir von der rechten Seite begann, dieser Tage immer wieder erzählen. Denn manchmal gewinnen scheinbar kleine Augenblicke erst im Laufe der Zeit eine große Bedeutung. Fortezas Treffer war nämlich das erste Tor von Real Mallorca in der Primera División. Zuvor, am 17. April, hatte der Club erstmals den Aufstieg in das spanische Oberhaus geschafft. Das ist jetzt 50 Jahre her.

Für den Mallorquiner war das Tor im Nachhinein so etwas wie eine Genugtuung. Denn beim legendären 2:1-Erfolg im Stadion von Levante in Valencia, dem für den Aufstieg entscheidenden Sieg, war der heute 74-Jährige aus Pollença nicht dabei. Er war drei Wochen zuvor beim Auswärtsspiel in Córdoba vom Platz gestellt und für vier Pflichtspiele gesperrt worden. „Wegen gar nichts", ärgert er sich noch heute. Als die Mannschaft nach dem Sieg in Valencia von rund 50.000 begeisterten Menschen im Hafen von Palma empfangen wurde, befand sich Joan Forteza zunächst nur unter den Jubelnden am Straßenrand. Dass er beim letzten Spiel gegen Levante noch nicht einmal mit dabei war, um zumindest vom Spielfeldrand oder der Tribüne aus die Daumen zu drücken, das kommt einem heute ziemlich komisch vor. Damals jedoch sei das normal gewesen. „Zum Tross gehörten eben nur die Spieler, die auch wirklich auflaufen konnten." Seiner Freude tat es keinen Abbruch. Und als die Menschen ihn auf der Straße erkannten, nahmen sie ihn ebenso wie das ganze Team auf die Schultern und trugen ihn über den Paseo del Borne bis zum Rathausplatz in Palma.

Plötzlich gehörte Mallorca nicht mehr nur zur Peripherie des spanischen Fußballs, sondern war mittendrin. Real Madrid kam nicht mehr nur zu Freundschaftsspielen auf die Insel, sondern musste im Stadion Lluís Sitjar um Punkte kämpfen. Joan Forteza, ein drahtiger, schneller und vor allem torgefährlicher Mittelfeldspieler mit Offensivdrang erlebte die beste Zeit seiner Karriere. Er spielte gegen Weltstars wie den Ungarn Ferenc Puskás, Francisco Gento oder den legendären Argentinier Alfredo di Stéfano. In der Saison 63/64 schlug Mallorca alle drei Großen: Atlético Madrid (4:0), FC Barcelona (3:1) und Madrid (5:2). Doch Forteza blieb mit beiden Beinen auf dem Boden. „Der Kontakt zu den Fans war damals noch ein anderer. Wir gingen nach dem Training zusammen in die Bar", erzählt er. Und auch innerhalb der Mannschaft sei der Zusammenhalt groß gewesen.

Beim Blick auf die Gedenk­tafel, die der Club schon vor Jahren am Tor von Son Moix angebracht hat und auf der all die Namen der Spieler stehen, die damals mit dabei waren, wird er nachdenklich. Die Hälfte lebt nicht mehr, viele sind aus gesundheitlichen Gründen den Jubiläumsfeierlichkeiten ferngeblieben. Und dennoch ist ein kleiner harter Kern übrig geblieben, der sich regelmäßig trifft. Im Stadion hat Real Mallorca den veteranos, wie sie genannt werden, einen Clubraum zur Verfügung gestellt.

Dort, wo zahllose Fotos Mallorcas Fußballgeschichte der vergangenen 50 Jahre widerspiegeln, treffen sich die alten Kämpen und fiebern sonntags bei den Auswärtsspielen vor dem Fernseher mit ihren Nachfolgern. Die verdienen heute ein Vielfaches von dem, was Forteza und die Aufsteiger von 1960 bekamen. „Manchmal fantasieren wir darüber, was wir verdient hätten, wenn wir heutzutage aktiv gewesen wären", sagt Forteza und fügt hinzu: „Es war ein Privileg, sein Geld mit dem Fußball verdienen zu können." Später wurde er Direktor der Bank Santander in seinem Heimatort Pollença. Dort, beim C. F. Pollença, wo Joan Fortezas Karriere einmal begann, spielt heute auch sein siebenjähriger Enkel Albert. Und manchmal kommen die Leute zu seinem Großvater und sagen: „Hoffentlich wird er mal so einer wie du."

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