Die Feuerprobe hat Michael Laudrup als Trainer von Real Mallorca mit Bravour bestanden. Zum Auftakt holte sein Team ein 0:0 gegen den Rekordmeister und Meisterschaftsanwärter Real Madrid. Michael Laudrup ist ein Weltenbummler in Sachen Fußball. Als Profi spielte er in Italien, Spanien und in Japan. Als Trainer saß er unter anderem bei Spartak Moskau auf der Bank. Mit Real Mallorca, einem Team im Umbruch, hat der 46-Jährige nur ein Saisonziel: den Klassenerhalt so früh wie möglich zu sichern. Vor dem zweiten Liga­spiel am Sonntag bei Sporting ­Gijón empfing Laudrup die MZ am Montag in Son Bibiloni, dem Trainingszentrum von Real Mallorca vor den Toren Palmas.

Wie schätzen Sie den Punkt­gewinn gegen Real Madrid ein?

Das war ein schöner Erfolg, ich habe meine Mannschaft auch dafür gelobt. Aber der eigentliche Ligastart findet für uns am kommenden Sonntag in Gijón statt. Gijón, San Sebastián, Osasuna, Levante – das sind die Rivalen, an denen wir uns messen müssen. Madrid, Barcelona, Valencia sind eine Klasse für sich, wenngleich wir auch gegen die Großen punkten können, wie man gesehen hat.

Bei Real Madrid und Real Mallorca sind in diesem Jahr die Trainer die Stars.

Nein, ich möchte nicht als ein Star angesehen und bezeichnet werden, auch wenn ich vielleicht als Spieler einige Erfolge hatte und bei beiden großen Clubs in Spa­nien gespielt habe. Der Begriff Star ist für mich negativ besetzt.

Warum?

Man stellt sich da Menschen vor, die über allem schweben und die Bodenhaftung verloren haben. Oder Schauspieler, die sich isolieren, vielleicht um sich selbst zu schützen. Ich glaube, meine Spieler und ich sind bodenständig geblieben und ziemlich nah dran an unserem Publikum.

Aber in Dänemark sind Sie ein Star. Zu jedem Spiel reisen eine Handvoll Reporter aus Ihrer Heimat an.

Wir sind eben ein kleines Volk, das nicht viele Personen hervor­gebracht hat, deren Namen international bekannt sind. Seit mehr als 20 Jahren, seitdem ich das erste Mal Dänemark verlassen habe, verfolgen mich die dänischen Journalisten. Ich finde das positiv und kann auch verstehen, dass meine Landsleute wissen wollen, was ich so mache.

In der Gehaltsrangliste unter den Trainern in der Primera División sind Sie mit einem Gehalt von 600.000 Euro pro Jahr auf einem Abstiegsplatz.

Und wenn schon. Kann sein, dass andere mehr verdienen. Aber wenn ich mich darüber beklagen würde, wäre das vermessen angesichts der Tatsache, dass viele Menschen im Monat 1.000 Euro nach Hause bringen. Man muss immer die Relationen sehen. Ich glaube, im Fußballgeschäft darf sich niemand beklagen.

Sie sind 46 und sitzen schon sieben Jahre auf der Trainerbank. Man könnte Sie schon fast als alten Hasen bezeichnen.

Ich profitiere schon von meinem Erfahrungsschatz, aber ich lerne jeden Tag hinzu. Nicht nur in meinem Job.

Sie haben in Russland als Trainer bei Spartak Moskau gearbeitet und gesagt, dass Sie dies nicht wieder tun würden. Warum?

Ich sagte, ich würde es nur wieder tun, wenn ich die Sprache spreche. Denn ansonsten ist man sehr abhängig vom Übersetzer und kann nur hoffen, dass er alles richtig wiedergibt. Aber die Erfahrungen in Russland und in Japan haben mich als Mensch unheimlich weitergebracht.

Richten Sie Ihre Lebensplanung nach Ihrem Beruf aus?

Nein. Ich halte nichts von dem Konzept, jetzt hart zu arbeiten, um irgendwann in der Rente das Leben zu genießen. Ich finde, das muss Hand in Hand gehen. Wir leben nur einmal. Jeder sollte versuchen, das Leben zu leben und trotzdem zu arbeiten. Ich bin in der glücklichen Lage, beide Komponenten des Lebens wunderbar miteinander verbinden zu können. Deswegen habe ich die Zeit im Ausland immer genossen.

Mehr als Spieler oder mehr als Trainer?

Als Spieler hat man es natürlich viel einfacher. Man braucht sich um nichts zu kümmern. Als Trainer hingegen ist man ständig gefordert, muss andauernd Entscheidungen treffen, die sowohl den sportlichen als auch den zwischenmenschlichen Bereich betreffen. Aber generell glaube ich, dass jede Arbeit ihre Schattenseiten mit sich bringt. Den absolut perfekten Job gibt es nicht. Auch nicht das absolut perfekte Leben. Man muss die Dinge nehmen, wie sie kommen.

Wie hat sich das Fußballgeschäft verändert?

Mehr als der Fußball selbst, die Art der Kommunikation. Früher war der Führungsstil der Trainer wesentlich autoritärer. Eine Entscheidung des Trainers wurde nicht hinterfragt. Auf die Frage nach dem Warum bekam man keine Antwort. Dieser Umgang funktioniert vielleicht noch in Russland und Japan, wo ich ihn selbst noch erlebt habe, nicht aber hier in Spanien. Im Informationszeitalter verfügen die Spieler über mehr Wissen. Ein moderner Trainer kann es sich deshalb auch nicht erlauben, in der Vergangenheit zu leben. Er muss sich den Gegebenheiten anpassen und alle seine Entscheidungen erklären.

Muss man Psychologe sein wie Ihr Vorgänger Gregorio Manzano, um eine mittelmäßige Mannschaft auf den fünften Tabellenplatz zu führen?

Auf jeden Fall bedarf es psychologischer Fähigkeiten. Sehen Sie, Fußball ist auf dem Papier ein Mannschaftssport. Aber in Wirklichkeit handelt es sich um eine Welt voller Egoisten, in der jeder zunächst mal nur an sich denkt. Der Club, der möglichst gute Spieler für wenig Geld haben möchte. Die Spieler, die das Maximum vom Club fordern und untereinander als Rivalen um die Stammplätze kämpfen. Die Aufgabe des Trainers ist es nun, alle Beteiligten auf einen gemeinsamen Kurs zu bringen. Das ist nicht immer einfach.

Gibt´s den Teamgeist nur für die Fernsehbilder?

Nein, es gibt schon Freundschaften. Aber das ist wie in einer Firma mit – sagen wir einmal – 40 Angestellten. Darunter sind zwei Freunde, 20 mit denen du dich gut verstehst. Mit 10 geht´s so. Und die anderen kannst du nicht ausstehen.

Hat die WM in Südafrika den Fußball nachhaltig verändert?

Das Spielsystem und das Kollektiv steht über dem einzelnen Spieler. Anders ist es ja auch nicht zu erklären, dass ein Weltklassespieler wie Lionel Messi beim FC Barcelona erfolgreicher ist als in der Nationalmannschaft, in der neben ihm fünf, sechs weitere Spieler von Weltklasse-Format stehen. In Barcelona ist er ein Puzzlestück, das sich perfekt in das ganze Bild der Mannschaft einpasst. Ich glaube, am Beispiel Messi kann man den Wandel gut festmachen.

Wie wollen Sie Pierre Webó wieder aufrichten, der in den heimischen Medien hart kritisiert wurde, nur weil er auf die Erfüllung seines Vertrages mit Real Mallorca gepocht und den Club nicht verlassen hat?

Ich würde nicht sagen, dass er kritisiert wurde. In den Wochen vor Ablauf der Wechselfrist wird gefeilscht und spekuliert. Und dieses Jahr besonders, weil es den Wechsel in der Clubführung gab und Mallorca sich in einer delikaten finanziellen Lage befindet. Mit dem Ende der Wechselfrist ist das ganze Tamtam nun aber Geschichte. Jetzt werden die Karten neu gemischt und Pierre Webó hat die gleichen Chancen wie jeder andere. Er ist Profi und zeigt das täglich im Training.

Verstehen Sie die Entscheidung der Uefa, Mallorca aus der Europaliga zu nehmen?

Nein. Und ich werde es auch nicht verstehen, bis die Uefa selbst eine eindeutige Erklärung abgibt. Ich glaube, eine Erklärung ist die Uefa Mallorca noch immer schuldig.

Sie sind jetzt drei Monate auf Mallorca. Sind Sie schon heimisch geworden?

Auf jeden Fall. In Spanien haben ich mich immer heimisch gefühlt. Es ist für mich eine zweites Zuhause. Auch für meine Frau und meine Tochter.

Ihre beiden Söhne spielen bereits in Dänemark in der ersten Liga. Ihr Bruder Brian war ein erfolgreicher Profi, unter anderem beim FC Bayern München. Ihr Vater war Profi in Wien. Was macht die Laudrups so erfolgreich?

Keine Ahnung. Vielleicht sind es die Gene. Aber es ist in der Tat bemerkenswert. Mein Bruder und ich haben in den wichtigsten Clubs der Welt gespielt und zusammen mehr als 200 Spiele für Dänemark bestritten. Ein solches Duo findet man so schnell nicht noch einmal.

Als Dänemark 1992 mit einem Sieg über Deutschland den Europameistertitel holte, waren Sie nicht dabei, weil Sie sich mit dem damaligen Nationaltrainer überworfen hatten. Tut´s immer noch weh?

Es war sicherlich nicht einfach, darüber hinwegzukommen. Aber ich hatte diese Entscheidung zuvor getroffen, und dazu stehe ich auch heute noch.

Sie sind Teilhaber einer Firma, die spanische Produkte, darunter Wein, Käse und Schinken, in Ihre Heimat exportiert. Haben Sie auch schon mallorquinische Weine in Ihr Sortiment ausgenommen?

Das Geschäft führt derzeit mein Partner, aber soweit ich weiß, haben wir drei oder vier Inselweine im Programm. Die hatten wir aber auch schon, bevor ich nach Mallorca kam.

In der Printausgabe vom 9. September (Nummer 540) lesen Sie außerdem:

- MZ-Reporter Thomas Zapp über seinen Kick mit Rudi Völler

- Prämiert und blamiert: Spaniens Fußballnationalelf

- Wasserwelten: Ein Mann für jeden Törn

- Golf: Stephan Gandl und die Zirkusnummer auf dem Green

Diese Artikel finden Sie auch hier.