Conrad Colman ist ein Adrenalin-Junkie. Zumindest sagt er das über sich selbst. Wenn die Wellen haushoch sind und starke Winde weit draußen auf dem Ozean herrschen, hat er maximalen Spaß. Er liebt es, mit seinem Segelschiff auf den Wogen zu reiten wie mit einem Surfbrett. Angst, dass er mitsamt Schiff verschlungen werden könnte, habe er nicht, sagt er.

Der 27-jährige Neuseeländer bereitet sich seit Anfang Juni in Palma zusammen mit seinem mallorquinischen Kollegen Hugo Ramón auf das Global Ocean Race vor, das im September im Hafen der Balearenmetropole startet. Die beiden gehen mit der „Desafío Mallorca" an den Start. Viel muss bis dahin noch geschraubt, ausgelotet und optimiert werden, bis der jetzt noch „Jasmine Flyer" genannte Class-40-Segler in See stechen kann. Auch die Besatzung muss sich auf die Reise vorbereiten, die an die Kraftreserven geht.

Weil rund um die Uhr gefahren wird, kann sich immer nur einer der beiden zum Schlafen hinlegen – und das auch nur etwa drei Stunden am Stück. Deswegen haben Colman und der Segelschullehrer Ramón in Palma einen Schlafdoktor, der ihre Nachtruhe analysiert und sie darin trainiert, zu unterschiedlichen Zeiten schlafen zu können. „Der Arzt analysiert unsere Hirnströme, während wir schlafen, und versucht herauszufinden, wann jeder von uns am tiefsten schläft. So basteln wir dann an einer Strategie für das Rennen." Viel Arbeit stehe den beiden hier noch bevor, denn „zurzeit begeben wir uns beide ziemlich synchron zur Ruhe. Wir sind Langschläfer, dafür aber Nachteulen. Einer muss sich umstellen".

Colman und Ramon werden sich schon einig werden. Die beiden lernten sich bei einem Transatlantik-Rennen von La Rochelle (Frankreich) nach Bahia (Brasilien) kennen. Da waren sie Kontrahenten „und Hugo war schneller als ich. Da habe ich gedacht, den brauche ich als Kompagnon". Inzwischen sind die beiden wie Brüder, einer muss sich blind auf den anderen verlassen können.

Hugo Ramón ist auf Mallorca ziemlich bekannt, er war 2005 mit nur 20 Jahren der jüngste Teilnehmer an der Transat 650, einer Transatlantik-Regatta für Boote mit einer Maximallänge von 6,5 Metern. Er gewann in seinem Sport zahlreiche Titel und arbeitet heute als Segellehrer in Palma.

Auch Colman ist seit jeher eine Wasserratte. Hat er zu lange festen Boden unter den Füßen, wird er unruhig. „Ich muss dann ständig ans Meer denken und mir ein Boot besorgen, um mal rauszufahren. Auf den Ozeanen bin ich zu Hause", erzählt der studierte Profi-Segler. Er bekommt glänzende Augen, wenn er von den Weltmeeren spricht. Er lebt in der französischen Bretagne mit seiner Freundin. Er wuchs in einer Skipper­familie auf und konnte sozusagen gar nicht anders, als auch zu segeln.

„Mein Vater stammt aus den Vereinigten Staaten, arbeitete bei einer Bank und hatte wohl irgendwann so etwas wie eine Midlife-Crisis. Statt sich einen Porsche zu leisten, kaufte er sich ein Segelboot und schipperte damit um die Welt." Bei dieser Gelegenheit traf er dann auch auf seine spätere Ehefrau in Wellington. „Als mein Vater im Hafen andockte, hängte er einen Zettel an sein Schiff, mit dem er für eine Party an Bord warb. Geladen waren Damen, die Weltumsegler kennenlernen wollten."

Das sei genau das Richtige für seine Mutter gewesen, eine abenteuerlustige Ärztin, erzählt Colman. Ab diesem Zeitpunkt war das Paar gemeinsam und von Neuseeland aus auf den Weltmeeren unterwegs. Mit 15 ging Conrad Colman in die Vereinigten Staaten an die Highschool. Später studierte er an der Universität Volkswirtschaft. „Schnell habe ich aber gemerkt, dass ein normaler Job langweilig ist", erklärt der 27-Jährige seine Abenteuerlust.

Seit er 23 ist, verbringt Colman die meiste Zeit mit Segeln. Kurzzeitig war er auch mal professioneller Mountainbiker. „Da habe ich dann bei total verrückten Rennen mitgemacht. Wir haben uns nachts eine kleine Lampe an den Helm gesteckt und sind so schnell wie möglich unwegsame Gelände gefahren." Er war halt schon immer ein Grenzgänger, der einfach den Kick braucht. Und der in Hugo Ramón einen Gleichgesinnten gefunden hat.

In der Printausgabe vom 14. Juli (Nummer 584) lesen Sie außerdem:

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