Sa Calobra ist nicht Alpe d´Huez. Aber nachdem man die Serpentinenstraße in der Tramuntana hinaufgefahren sei, spüre man auch die Beine, sagt Linus Gerdemann. Der deutsche Radprofi, der seit Samstag (2.7.) bei der Tour de France fährt, hat sich auf Mallorca auf das renommierteste Radrennen der Welt vorbereitet. Die Insel ist für den Münsteraner seit dem Frühjahr nicht mehr nur ein Trainingsgebiet, sondern auch sein zweites Zuhause. Der 28-Jährige hat sich in Deià, wo auch die beiden mallorquinischen Radprofis Vicente Reynés und Joan Horrach leben, ein Haus gekauft.

Dass der Radsport speziell in den deutschen Medien derzeit ein so schlechtes Image hat, liege zum Großteil am Sport selbst, glaubt der Profi des luxemburgischen Rennstalls Leopard Trek, mit dem er bei der Tour de France im Einsatz ist. Er ist niemand, der anderen die Schuld in die Schuhe schiebt. „Es ist viel schiefgelaufen in der Szene. Der Radsport und die Doping-Skandale haben natürlich dazu beigetragen, dass das Bild der Sportart so negativ ist", sagt Gerdemann.

Doping sei ein interna­tionales Problem, dem die deutschen Medien überdurschnittlich viel Aufmerksamkeit widmeten. ARD und ZDF berichten in diesem Jahr zum letzten Mal von der Tour de France. Gerdemann ist enttäuscht: „Ich fände es jammerschade, wenn der Radsport in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Gerade wenn man sieht, wie viele Fans und Hobby-Radfahrer es auch auf Mallorca gibt." Er wünsche sich eine kritische Berichterstattung, aber in Deutschland sei der Sport selbst in den Hintergrund getreten. Spanien sei ihm in dieser Hinsicht hingegen nicht kritisch genug. Gerdemann bekommt die spanische Haltung aus nächster Nähe mit, seit er zu den deutschen Mallorca-Residenten gehört.

Bei der Tour de France sieht er seine Hauptaufgabe darin, den beiden Leitwölfen im Team, den Schleck-Brüdern, den Rücken freizuhalten und vielleicht den ein oder anderen Etappen-Sieg zu ermöglichen. Dass Andy Schleck aber die gesamte Tour gewinnen kann, bezweifelt Gerdemann. Vor dem Tour-Start war Alberto Contador sein Top-Favorit. Der Spanier verlor allerdings schon bei der ersten Etappe durch einen Massensturz wertvolle Zeit auf Schleck.

Contador darf nach seinem positiven Doping-Test bei der Tour mitfahren, weil der spanische Radsportverband ihn freigesprochen hat. Dagegen hat der Weltverband UCI Klage eingereicht. Sollte Contador nun am 3. August vom Internationalen Sportgerichtshof CAS verurteilt werden, droht ihm die Aberkennung aller Erfolge seit Juli 2010. Er fährt sozusagen unter Vorbehalt mit. Gerdemann hält das für sehr unglücklich. „Ich kann mir kein Urteil über Alberto erlauben, aber dieses Hin und Her vor den Gerichten schadet dem Radsport."

Er selbst nimmt sich bei der Tour nicht explizit vor, eine Etappe zu gewinnen, „auch wenn das ein nettes Zusatzgeschenk wäre". Gerne hätte er seinen mallorquinischen Freund Vicente Reynès bei der Tour gesehen. Dieser wurde aber nicht nominiert (MZ berichtete). So muss Gerdemann bis zu seinem nächsten Mallorca-Besuch warten, bis er ihn und Joan Horrach wieder trifft. „Wir ziehen dann schon mal gemeinsam um die Häuser." Sein Spanisch sei noch ausbaufähig, sagt er. Aber da er die Dinge gerne selbst in die Hand nimmt, will er sich mit der Sprache von Cervantes schnellstens vertraut machen.

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