„Es ist schon schade, dass sie nicht sprechen kann", sagt Jordi Vidal, als wir über die Gangway der „So Fong" balancieren. „Sie hätte einiges zu erzählen". Mit ihr meint der smarte Mallorquiner den wunderschönen, Gaffel getakelten Schoner, der seit ein paar Monaten in Palmas Yachtclub Real Club Náutica festgemacht hat. 74 Jahre hat er auf dem Buckel, doch er könnte genauso gut gestern vom Stapel gelaufen sein, so neu blitzen seine beiden polierten Holzmasten in der Frühjahrsonne, so frisch wirken Aufbauten, Takelage wie auch sämtliche mit Teakholz veredelten Räumlichkeiten unter dem 22 Meter langen Deck.

Dass die „So Fong" nicht sprechen kann, ist insofern nicht tragisch, da sie mit Jordi Vidal einen Mann an Bord hat, der nichts lieber tut, als ihre zweifellos abenteuerliche Geschichte zu erzählen. „So Fong ist chinesisch und bedeutet in etwa ´Kleine Blume´", erklärt Vidal. Ein recht ungewöhnlicher Name für ein Schiff, das nach den Bauplänen der renommierten US-Yachtarchitekten Sparking&Stephens gezeichnet wurde.

„Der erste Eigner war ein amerikanischer Börsenmakler, der das Schiff 1937 in Hongkong bauen ließ", berichtet Vidal weiter. Als das Schiff zu Wasser gelassen werden sollte, war der Broker jedoch in der Heimat, und die Chinesen mussten sich notgedrungen selbst einen Namen ausdenken, da nach chinesischer Tradition ein Schiff ohne Taufe nun mal nicht ins Wasser darf. Und, als hätten wir´s geahnt: „So Fong" gefiel dem Besitzer anschließend so gut, das er den Namen beibehielt.

Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs segelte die „So Fong" zunächst um die Welt. Bei ihrer Ankunft in New York wurde der Zweimaster jedoch kurzerhand von der US-Marine beschlagnahmt und musste bis Anfang der 50er Jahre Militärdienst als Aufklärungsschiff tun. Und das war noch nicht alles. „Für ein ozeanographisches Institut in den USA wurde das Schiff Ende der 1960er Jahre mit Messgeräten und anderer Elektronik vollgestopft", erzählt Vidal. Auf ihren Forschungsreisen über den Atlantik, Pazifik und die Südsee erreichte die „So Fong" irgendwann die Küsten Indochinas. Und hier schlug das Schicksal erneut zu. „Bei einer Routine-Kontrolle auf See glaubten nordvietnamesische Soldaten ein Spionage-Boot der Amerikaner aufgetan zu haben", so Vidal. Der Gaffelschoner wurde erneut konfisziert und an die Kette gelegt. Zehn lange Jahre lang.

Anfang der 80er Jahre entdeckte schließlich ein deutsches Globetrotter-Pärchen die heruntergekommene Yacht und bot den Behörden an, dass Schiff gegen entsprechende Bezahlung wieder seetüchtig zu machen. Doch statt mit dem Lohn der fast drei Jahre andauernden Res­tauration das Weite zu suchen, entführten die Deutschen die Yacht in einer Nacht- und Nebelaktion aus dem Hafen und machten sich mit ihr aus dem Staub. „In Vietnam darf die ´So Fong´ seither keinen Hafen mehr anlaufen", sagt Vidal.

Die Chancen dafür, dass der Klassiker irgendwann einmal wieder im südchinesischen Meer kreuzt, sind aber ohnehin gering. Seit ihrer aufwendigen Totalrestaurierung durch einen neuen Eigner vor wenigen Jahren soll die „So Fong" in Zukunft im Mittelmeer ihre Gaffelsegel setzen und mit gutbetuchten Chartergästen oder passionierten Klassik-Segelfans zu Tages- oder Wochentörns in See stechen.

Platz an Bord gibt es für eine dreiköpfige Crew und insgesamt sieben Passagiere. Die dürften es sich an rauen Abenden wohl im schicken Salon gemütlich machen, der über einen mit asiatischen Holz- und Keramikarbeiten verzierten Kamin verfügt. Und sollte die „So Fong" dann tatsächlich doch noch mit dem Sprechen anfangen, wird sich jeder wünschen, dass die Reise so schnell nicht zu Ende geht.

In der Printausgabe vom 19. Mai (Nummer 576) lesen Sie außerdem:

- Ironman in Port d'Alcúdia

- Real Mallorca zittert: Der Abstieg ist immer noch möglich

- Aufschlag auf Mallorca: Die Tennisschule in Cala Millor

- Der erste Golfplatz Mallorcas wurde 1934 bei Alcúdia eröffnet

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