Die Stimmung ist angenehm an jenem Sonntagmittag im Estadi Balear, das meterknapp an Palmas Ringautobahn Vía Cintura liegt. Auf dem Feld überrennt Atlético Baleares, Tabellenführer der Dritten Fußball-Liga (Segunda División B) die zunächst hoffnungslos überforderten Gäste aus Badalona. Auf den Rängen sitzen, stehen und tummeln sich etwa 4.000 begeisterte Mallorquiner, die die Mannschaft nach vorne peitschen. Der Verein scheint vor allem Familien anzuziehen, im Stadion wuseln viele Kinder herum, einige mit Inline-Skates, andere kicken leere Plastikflaschen durch die Gegend.

Hier herrscht alles andere als Lethargie. Auch Ultra-Fans gibt es, aber sie werden von einer Frau angeführt, die ihre Anfeuerungsrufe in ein Megafon kreischt, worauf etwa 20 Männer antworten. Alles ist ein bisschen anders bei diesem Verein, der sich anschickt, in die zweite Liga, die Segunda División A, aufzusteigen. Badalona kommt zwar später besser ins Spiel, muss sich dem Tabellenführer aber mit 2:3 geschlagen geben.

Dass dem Verein momentan viel Sympathie entgegenschlägt, hat unter anderem damit zu tun, dass Real Mallorca, der Vorzeigeclub der Insel, in den tristen Gefilden des Abstiegskampfes in der Primera División herumdümpelt und mit internen Ränkespielen, Trainerwechseln und herumstänkernden Spielern negative Nachrichten in Serie produziert. Dagegen eilt Atlético Baleares von Sieg zu Sieg, während hinter den Kulissen Ruhe herrscht – oder zumindest kein Lärm nach außen dringt.

Der Verein war zuvor nicht durch übermäßige Erfolge aufgefallen. Erst 2010 sicherten sich die Blau-Weißen die Rückkehr in die Dritte Liga. In der Saison danach schafften die Kicker von der Ringautobahn mit Kratzen und Beißen den Klassenerhalt.

Doch bereits in diesem Sommer deutete sich an, dass die zweite Kraft im mallorquinischen Fußball höhere Ziele anstrebt. Laut Präsident Fernando Crespí wurde der Etat um 400.000 Euro auf über eine Million Euro aufgestockt. Dieses Wunder war vor allem dem Engagement des regionalen Großunternehmers Bartolomé Cursach (MegaPark, Tito´s) zu verdanken. Mit dem aufgepumpten Etat – 90 Prozent stammen laut Crespí von Privaten – ging der Club auf die Jagd nach Spielern mit Erstliga-Erfahrung. Nachdem dies jahrelang weitgehend erfolglos probiert worden war, klappte es diesmal. Als erster biss Antoñito an, ein Mittelstürmer, der unter anderem bereits beim FC Sevilla und Racing Santander in der Elite-Klasse gespielt hatte. „Seine Verpflichtung hat viel Aufmerksamkeit erregt." Crespí wird heute noch ganz euphorisch, wenn er davon spricht. „Ein Glücksfall."

Nun rochen auch andere Ex-Erstliga-Kicker Lunte und schlossen sich dem ehrgeizigen Projekt an, das sich auf Mallorca abzeichnete. Überzeugt habe man die Profis „mit soliden Wirtschaften und den begeisterungsfähigen Fans".

So kamen insgesamt sechs weitere Ex-Erstliga-Kicker zu Atlético, darunter Dani (Ex-Betis), Jesús Perera (ehemals Celta Vigo und Real Mallorca) und David Sánchez (ehemals Albacete). Perera ist momentan bester Torschütze der Liga mit neun Treffern. Außerdem fanden zwei nigerianische Nationalspieler den Weg an die Vía Cintura, dazu kamen vielversprechende Talente aus den eigenen Reihen – fertig war das Team, das der Konkurrenz schon vor dem Ligastart Respekt einflößte.

Mit Gustavo Siviero agiert zudem ein alter Hase als Trainer, er spielte zu seiner aktiven Zeit bei Real Mallorca.

Zu Beginn der Saison ruckelte es noch ein wenig im Getriebe, die Mannschaft musste sich erst einmal finden. Doch inzwischen stehen nach 13 Partien stolze 30 Punkte auf dem Konto, nur einmal musste sich das Team geschlagen geben. Natürlich sei die Rede vom Aufstieg noch verfrüht, warnt Crespí, zumal dieses Unterfangen in der Segunda División B alles andere als ein Kinderspiel sei.

In Spanien gibt es vier regional organisierte Gruppen der Segunda División, und nur wer in seiner jeweiligen Gruppe Meister wird, misst sich in einem Aufstiegsspiel mit einem Meister einer anderen Gruppe. Die beiden Sieger steigen sicher auf. Die Verlierer dieser Duelle spielen mit den Zweit-, Dritt- und Viertplatzierten jeder Gruppe in einem regelrechten Turnier zwei weitere Aufsteiger aus. „Deshalb ist es so wichtig, dass wir Meister werden", sagt Crespí.

Dem kann Miquel Pou, der Präsident der Atlético-Fanclubs, nur beipflichten: „Wir haben in diesem Jahr wirklich gute Chancen." Den Oberfan würde es im Gegensatz zum Atlético-Präsidenten auch richtig gefallen, wenn Real Mallorca im nächsten Jahr absteigen würde und die beiden Mannschaften dann in einer Liga aufeinanderträfen. „Abgesehen davon wünsche ich mir ja immer, dass Real Mallorca verliert, genauso wie ein Real-Fan sich das von Atlético wünscht."

Seit jeher herrsche eine massive Rivalität zwischen den beiden großen Stadtvereinen von Palma. Wobei Atlético seit jeher darauf bedacht war, sich deutlich vom „großen Bruder" abzugrenzen. „Real Mallorca hatte immer den kapitalistischeren Anstrich. Dort gehen die feineren Leute hin", sagt Pou. Bei Atlético dagegen fänden eher bescheidenere Menschen ihr Zuhause. Die Ursprünge des Clubs gehen auf eine Spielgemeinschaft von Arbeitern einer Firma zurück. Das ist zwar 100 Jahre her, aber diese Atmosphäre sei auch heute noch zu spüren: „Die einfacheren Leute und die Menschen vom Land sind Anhänger von Atlético."

Er vergleicht die Blau-Weißen mit dem deutschen Club FC St. Pauli: immer etwas bescheidener als der Rest der Welt, aber immer auch ein Stück weit benachteiligt. Am Ende des Gesprächs erzählt Pou noch von einer Legende, die bei Atlético-Fans kursiere: Missgünstige Politiker hätten Palmas Ringautobahn Vía Cintura so geplant, dass die Ausfahrt nach einer scharfen Rechtskurve schon wenige Meter danach direkt vor dem Eingang des Stadions von Atlético vorbeiführt. „Schauen Sie sich mal auf dem Satellitenbild die eigenartige Biegung der Via Cintura beim Stadion an."

Die Heimspiele finden in der Regel sonntags um 12 Uhr statt. Nächstes Heimspiel: 27.11.

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