Rein vom Stil her gleicht die mittelalterliche Kapelle des Hilton-Hotels Sa Torre bei Llucmajor dem Mainzer Dom ein wenig. Beide Bauwerke sind gotischen Ursprungs, beide haben filigran gearbeitete hohe Fenster und die charakteristischen Spitzen auf den Türmen. Die Fußballer des Bundesligisten FSV Mainz 05 mussten sich also, was die sakrale Architektur in ihrem Umfeld anbelangt, gar nicht groß umstellen, als sie in ihrem Trainingslager auf Mallorca am Freitag (6.1.) ankamen.

Vom gepflegten Rasenplatz ist die Kapelle gut zu sehen und wird auch in die Anweisungen von Trainer Thomas Tuchel eingebaut. „Jetzt spielt die Mannschaft Kirche gegen die anderen", ruft er am Montagvormittag über den Platz. Mit dem „Team Kirche" sind die Spieler gemeint, die näher an der Kapelle stehen. In abgeschiedener, beinahe gespenstisch stiller Umgebung bereitet sich der 1. FSV Mainz 05 auf die am 21. Januar beginnende Rückrunde in der Fußball-Bundesliga vor. Zufrieden mit der Hinrunde ist niemand.

Von Krisenstimmung ist beim Karnevalsverein aus Rheinhessen aber zumindest bei den Spielern nichts zu merken. Überall lachende Gesichter, ständig wird gewitzelt. Vielleicht liegt das auch daran, dass die lockeren Aufwärmübungen mit Ball direkt vor den Linsen der zahlreich erschienenen Kamerateams und Fotografen stattfinden. Ist man demonstrativ locker?

Nur Trainer Tuchel ist nachdenklich. Er sitzt minutenlang auf einem Ball am Boden und guckt melancholisch in die Ferne. Dann erhebt er sich und ordnet eine Trinkpause an. Nichts erinnert an die Unbeherrschtheiten, die sein positives Image in den vergangenen Monaten ein wenig angekratzt hatten. Stattdessen eine eigentümliche Mischung aus Lethargie und Konzentration.

Nach der Pause wird ein neuer Spielzug für die Offensive einstudiert – die Achillesferse des Mainzer Fußballs in dieser Saison. Der Ball will einfach noch nicht oft genug ins Tor. 22 Treffer in 17 Partien – das ist noch verbesserungswürdig. Im vergangenen Jahr hatten die Mainzer zur gleichen Zeit schon 30 Mal getroffen. Damals standen sie aber auch zur Winterpause auf Rang zwei.

Wenngleich in Mainz niemand an eine Wiederholung der Sensation aus der Vorsaison geglaubt hatte – ein wenig trauern die Verantwortlichen und die Fans der Hinrunde 2010 schon nach.

Fans wie Dorli und Peter Spengler, die hinter dem Zaun sitzen und den Kickern aufmerksam bei ihrer Arbeit zusehen. Peter trägt ein 05er Käppi, seine Frau ist auf den ersten Blick nicht als Fußballfan zu identifizieren. Bis sie anfängt zu erzählen: „Freunde haben mir eine Fußballreise geschenkt. Wir sind sechs Tage lang zusammen mit der Mannschaft im Hotel." Kontakt zum Betreuerstab ist vorhanden, die Spieler sieht man im Hotel eher selten, denn sie wohnen in einem anderen Trakt und essen in einem eigenen Restaurant.

Spenglers organisieren ihren Tagesablauf nach den Trainingszeiten der Mainzer. Als sie hören, dass Montagnachmittag und Dienstagvormittag keine Übungseinheiten stattfinden, machen sie als Alternativprogramm Tourismus – sie sind zum ersten Mal auf der Insel.

Sechs Zimmer seien an Fans vermietet, sagt ein Mitarbeiter des Hotels. Aber immer wieder kämen auch Zaungäste von außerhalb. „Es sind schon Fans vorgefahren, die gesungen haben und am Auto Fähnchen in den Mainzer Farben befestigt hatten."

Thomas Tuchel kann mit seinen 23 Mann ungestört arbeiten. Er ist nicht zufrieden mit dem Trainingsspiel und wird das erste Mal lauter: „Mann, Mann, diese Ballverluste dürfen uns nicht passieren! Es war null Druck im Spiel und trotzdem verliert ihr hier sofort die Bälle." Mallorca soll der Wendepunkt für die Mainzer sein. Tuchel will nach der Winterpause aus dem tristen Abstiegssumpf heraus und den Anschluss ans Mittelfeld schaffen.

Dafür hat er nichts dem Zufall überlassen. Das Hotel hat er im vergangenen Jahr selbst mit ausgesucht. „Weil wir uns die Anlage auf keinen Fall mit einem anderen Club teilen wollten." Die Angst mussten die 05er nicht haben. In den vergangenen Jahren sind nur noch wenige Bundesligisten auf die Insel gekommen. Ob Mainz wiederkommt, hängt wohl vom Erfolg des Trainingslagers ab. Den wird man ab dem 22. Januar abschätzen können, wenn Mainz zum Start der Rückrunde auswärts gegen Bayer Leverkusen antritt.

Überschattet wurde der Trainingsaufenthalt von einem gesundheitlichen Zusammenbruch des Mainzer Vizepräsidenten Peter Arens. Der 74-Jährige musste am Montag (9.1.) vom Notarzt ins Spital gebracht werden, wie die „Bild"-Zeitung meldete. Nach einer Rippenfellentzündung hatten sich Komplikationen ergeben.

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