Früher hat sich Andrea Eskau einfach aufs Rad gesetzt und ist losgefahren. 1998 wurde die 41-jährige Thüringerin bei einer Ausfahrt von einem Auto erfasst. Ab diesem Tag konnte sie ihre Beine nicht mehr bewegen. Doch den Sport aufzugeben kam für sie nicht in Frage. Sie wollte in Bewegung bleiben und damit auch ihre positive Einstellung zementieren.

Wenn sie heute Rad fahren will, muss sie zwar mühsam aus ihrem Rollstuhl klettern und sich auf ­Knien in den Sitz ihres sogenannten Handbikes pressen, aber sie hat es weit gebracht: Eskau ist eine der besten deutschen querschnittsgelähmten Radsportlerinnen. Bei den Paralympics 2008 holte sie die Goldmedaille auf dem Handbike. Momentan trainiert sie wie 30 ihrer Nationalmannschaftskollegen auf Mallorca für die Paralympics, die ab dem 29. August in London stattfinden.

Wie der gesamte Kader ist ­Andrea Eskau im Hotel Jardín del Sol in Costa de la Calma untergebracht, weil dort der Radverleiher Philipp´s Bike Team seinen Stützpunkt betreibt und der Mannschaft mit Fahrdiensten und Know-how unter die Arme greift. Am Sonntag (4.3.) sind die 30 Sportler und das Trainerteam um Bundestrainer Patrick Kromer angereist. Bis 18.3. bleiben sie auf der Insel, „um Grundlagen zu schaffen", sagt Kromer.

„Außerdem geht es uns vor allem um das Teambuilding. Wir wollen nicht nur am Anschlag trainieren, sondern uns auch als Mannschaft besser kennenlernen." ­Deswegen stehen auch etliche Stopps auf dem Programm, bei denen viel geplaudert wird.

Je nach Behinderung fahren die Sportler auf einem handelsüblichen Rennrad, einem Tandem, einem Dreirad oder dem Handbike. Handbike fährt auch Bernd Jeffré, dessen Leben von einem Arbeitsunfall auf einer Straßenbaustelle verändert wurde. Vorher hatte er überhaupt keinen Sport betrieben. Danach kämpfte er sich auf dem Handbike bis in die deutsche Elite hoch.

Wer meint, Eskau und Jeffré würden in ihrem Trainingslager zunächst einmal gemächlich durch die Landschaft rollen, sieht sich schnell getäuscht. Die MZ macht den Test und begleitet die beiden mit ihren Handbikes bei der ersten Trainingsausfahrt auf Mallorca. Der Reporter schnappt sich ein Rennrad und stellt fest: In der Ebene kommt er noch einigermaßen mit. Es geht zwar nicht langsam zu, doch mit einem Rennrad ist es zumindest noch nicht schweißtreibend. Geschwindigkeiten von 30 Kilometer pro Stunde erreichen Eskau und Jeffré spielend.

Sie kurbeln dazu mit ihren Händen an eigens dafür konstruierten Hebeln. Im Grunde sind es Pedale wie bei einem normalen Fahrrad. Jeder Sportler kann sich die Handpedale so einstellen, dass sie für ihn gut zu bedienen sind. Eskau und Jeffré kurbeln und kurbeln. Es sieht leicht aus, „aber es ist irre anstrengend", sagt Eskau.

Dann geht es den ersten Abhang hinunter. Beide kurbeln weiter und flitzen in einem irren Tempo bergab. Der Reporter kann nicht mehr folgen, obwohl er inzwischen mit rund 60 km/h unterwegs ist.

Für Eskau und Jeffré scheint Angst ein Fremdwort zu sein. Wenn jetzt ein Lkw um die Kurve fährt, gibt es keine Rettung. „Dafür haben wir ja unsere Fahnen hinten am Rad befestigt", sagt Jeffré seelenruhig, als es wieder einen kleinen Hügel hinaufgeht und der Reporter atemlos aufholen kann.

Ganz vor Unfällen schützen die Fahnen aber auch nicht. „Auf Gran Canaria bin ich schon einmal mit einem Auto zusammengestoßen", erzählt der Kieler Jeffré. Und Eskau ergänzt: „Das ist aber auch typisch Bernd. Er gibt immer Vollgas. Wenn er mal einen Moment nicht kurbelt, gehen in seinem Kopf gleich die Warnlichter an." Fazit nach 40 Trainingskilometern: Eskau und Jeffré sind zwei Vollblutsportler. Olympia kann kommen.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 15. März (Nummer 619) lesen Sie außerdem:

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