Als Achim Schlöffel Mitte Juli nach Mallorca kam, um für eine Tauchschule die Unterwasserwelt rund um die Insel nach Höhlen und Wracks abzusuchen, war das für ihn wie eine Art austauchen. Zwei Wochen zuvor hatte er den härtesten Tauchgang seines Lebens absolviert. Noch nie zuvor hatte es jemand geschafft, den Ärmelkanal zwischen England und Frankreich auf diese Weise zu durchqueren. Zehn Stunden lang tauchte er im Dunkeln durch eine der meistbefahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt, €in der ein Lärm herrscht, als würde keine fünf Meter entfernt mit drei Presslufthämmer gearbeitet".

Aber der 40-Jährige darf sich nicht beschweren: Der Münchner Berufstaucher hat es freiwillig getan. Um die rund 60 Kilometer zurückzulegen, behalf er sich mit einem sogenannten Scooter sowie zwei Atemgeräten. €Der Scooter sieht ein bisschen wie ein Unterwasser-Motorrad ohne Räder aus, wird mit Akkus betrieben und hat sogar eine Art Windschutzscheibe."

Tischgroße Ölklumpen

Die war nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern durchaus nützlich. Denn was in den Fahrrinnen zwischen England und Frankreich herumschwimmt, ist nicht ganz ungefährlich. €Ich ­habe mehrere tischgroße Teer- und Ölklumpen auf mich zukommen sehen." Ihm sei zwar klar gewesen, dass der Ärmelkanal kein karibisches Gewässer sei, aber mit einem derartigen Schmutz hätte er nicht gerechnet. €Auf der zehnstündigen Reise habe ich drei Lebewesen getroffen: drei Fische, die nicht größer als meine Hand waren."

Obwohl sich Schlöffel drei ­Jahre lang auf den Tauchgang vorbereitete, überraschte ihn dieses ökologische Desaster doch. Er fühlte sich €wie in einer ­Kloake". Dazu die über seinem Kopf hinwegdonnernden Schiffe. Und dabei hatte er noch Glück. Auf seinem Weg bekam er es €nur" mit zwei großen Pötten zu tun, der Fähre €Spirit of Britain" und einem Container-Schiff. Er hätte auch auf einen Supertanker oder sogar einen Flugzeugträger treffen können.

Doch die beiden Schiffsbegegnungen reichten ihm. Er war mit seinem Scooter in einer mittleren Tiefe von 35 Metern unterwegs, um auch dem größtmöglichen Schiff, das einen Tiefgang von 22 Metern hat, aus dem Weg zu gehen. Doch sowohl bei der Begegnung mit der Fähre als auch mit dem Container-Schiff war selbst in 35 Metern Tiefe die ­Vibration so stark, dass es Schlöffel in seinem Scooter regelrecht herumwirbelte. Er musste bis auf den Boden abtauchen, und selbst dort, in 54 Metern Tiefe, bewegte sich der Schlick am Meeresgrund noch deutlich.

Während der gesamten Zeit unter Wasser hatte Schlöffel keinen Kontakt zu seiner Frau ­Mandy und seinen anderen Begleitern, die ihn in Dymchurch absetzten und von dort mit der Fähre nach Frankreich fuhren, um den Taucher dort wieder zu empfangen. Panik habe ihn deswegen nicht überkommen. €Ich habe die Aktion als einen Höhlentauchgang angesehen."

In der Finsternis

Wo genau er an Land gehen würde, war vorher unklar. Die Sicht im Ärmelkanal €ist äußerst dürftig. Beim Einstieg war die Sicht Null, nach 40 Minuten dann immerhin ein paar Meter". Ohne GPS wäre Schlöffel aufgeschmissen gewesen. Schließlich tauchte er bei Calais wieder auf und war froh, den Dreck und den Lärm hinter sich gelassen zu haben.

Bei allem Ehrgeiz, der erste tauchende Ärmelkanal-Bezwinger zu sein, hatte seine Aktion auch einen ernsten Hintergrund. Schlöffel nutzt die gewonnene Aufmerksamkeit als Projektpate der international tätigen Wal- und Delfinschutzorganisation WDCS. Er engagiert sich im Tierschutz gegen Lärmbelastung und Meeresverschmutzung und sammelt Spenden. Nun hat er am eigenen Leib zu spüren bekommen, dass für Wale und Delfine eine Kommunikation über Laute unter Wasser bei einem derartigen Lärm unmöglich ist. Deshalb kommen sie immer wieder vom Weg ab oder verlieren den Kontakt zu ihren Artgenossen.

Besser hätte es da die Tierwelt vor Mallorca, sagt Achim Schlöffel. Auf die Insel verschlägt es ihn regelmäßig, weil ein Freund an der Ostküste eine Tauchschule besitzt. Die beiden erkunden dann den Meeresboden vor der Insel. Wenn sie Höhlen oder Wracks finden, stellen sie die Informationen den Tauchschulen in der Umgebung zur Verfügung, auch €um Mallorca als Touristenziel ­interessanter zu machen". In den Ärmelkanal wird er sicher wieder zurückkehren, €wegen der Unmengen an Schiffswracks". Ganz durchtauchen aber wird er ihn wohl nie wieder.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 26. Juli (Nummer 638) lesen Sie außerdem:

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