Die Stimmung war schon mal besser im Profi-Radrennstall ­Katjuscha, der derzeit auf Mallorca im Trainingslager weilt. Seit das vom ­russischen Staat geförderte Team im Dezember vom Radsport-­Weltverband UCI von der World Tour 2013 ausgeschlossen wurde, ist die Unsicherheit groß, ganz zu schweigen vom erlittenen Imageschaden. Der Ausschluss von der World Tour bedeutet zwar nicht, dass Katjuscha nicht an den großen Rundfahrten teilnehmen kann, das Team ist aber nicht automatisch gesetzt, sondern auf eine Einladung der Veranstalter angewiesen.

Den ersten Korb gab es bereits: Der Giro d´Italia wird voraussichtlich ohne den Rennstall stattfinden, in dessen Reihen der UCI-Weltranglisten-Erste von 2012, Joaquím Rodríguez, fährt. Die UCI hatte die Sperre mit der wiederholten Verstrickung von Katjuscha in Doping-Fälle begründet. Vier Fälle stehen im Raum, wobei einer davon, der um Alexander Kolobnew, umstritten ist. Der Russe wurde nachträglich vom Doping-Verdacht freigesprochen. Er musste eine verbotene Substanz aus medizinischen Gründen einnehmen.

Kolobnew steht allerdings auch im Verdacht, 2010 mit Hilfe des Katjuscha-Teams den Sieg beim Klassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich an den Kasachen Alexander ­Winokurow verkauft zu haben. Das Team hat vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS Klage gegen das Urteil der UCI eingelegt.

Seit Samstag (12.1.) versucht Katjuscha nun, im Trainingslager auf der Insel einigermaßen Normalität zu simulieren. 24 Mann stark ist der Fahrerkader, noch einmal etwa 16 Team-Mitglieder (darunter drei Mechaniker, vier Masseure, zwei Physiotherapeuten sowie Teile des Managements) sind beim Camp im Iberostar Hotel Playa de Muro mit am Start. Topfahrer Rodríguez ist nicht dabei. Er bestreitet mit der spanischen Fraktion von Katjuscha ab dem 20. Januar in Argentinien die Tour de San Luis.

Der Rest der Mannschaft, in der mit Rüdiger Selig und Marco Haller ein Deutscher und ein Österreicher stehen, soll bei der zwölftägigen Zusammenkunft auf Mallorca trotz des Schwebezustandes neuen Mut eingehaucht bekommen. Was die Sperre des Weltverbandes angeht, gibt sich Katjuscha zugeknöpft. Von offizieller Stelle heißt es, man äußere sich nicht zu schwebenden Verfahren.

Auch Head Coach Sebastian Weber spricht nicht gerne über das Thema. Der deutsche Sportwissenschaftler nimmt eine tragende Rolle beim Training ein. Der 35-Jährige war im Herbst 2011 als erster von mehreren Deutschen zu Katjuscha gestoßen. Nach ihm kamen noch der zwischenzeitlich wieder ausgeschiedene Generalmanager Hans-Michael Holczer (früher Gerolsteiner) sowie die sportlichen Leiter Erik Zabel, Thorsten Schmidt und Uwe Peschel zu dem Team, das vom Gardasee aus operiert.

Weber, der in Köln das STAPS-Institut für Leistungsoptimierung gegründet hat, war zunächst vom deutschen Team T-Mobile im Zuge der Anti-Doping-Kampagne angeheuert worden. Später arbeitete er beim Team HTC-Columbia. Trotz vieler kritischer Stimmen, auch aus seinem Umfeld, entschied er sich bewusst für den russischen Rennstall. Katjuscha stünde Neuerungen im Trainingsablauf generell sehr aufgeschlossen gegenüber. „Der Wille für die beste Versorgung jedes Fahrers ist da." So etwas ist selbstredend auch eine Geldfrage, und bei Katjuscha herrscht diesbezüglich offensichtlich kein Mangel.

Weber arbeitet vor allem daran, den Kraftaufwand der Fahrer auf dem Rad zu minimieren und die maximale Leistung herauszuholen. In seinem Institut hat er eine eigene Leistungsdiagnostik entwickelt, die er in die Arbeit einbringt. Wichtig ist ihm zum Beispiel ein flächen­deckender Trainingsplan. Die Fahrer müssten täglich wissen, „warum sie was wie machen."

Manchmal kommt Weber dabei die Sprachbarriere in die Quere; Russisch spricht er nicht. Vielleicht auch deshalb setzt der Head Coach auf eine Philosophie, laut der jeder Fahrer im Grundsatz das gleiche Training bekommt. Alle müssen daheim auf die Radbahn und in den Windkanal, um auszuloten, wo noch ein paar Sekunden Spielraum bestehen. „Klar ist das vor allem für die Zeitfahrer wichtig, aber im Grunde sollten alle diese Tests durchlaufen."

Weitere Ansätze: die Sitzposition der Fahrer auf dem Rad verbessern, die Ernährung und das Training aufeinander abstimmen oder vor jeder Ausfahrt eine Viertelstunde Gymnastik für die Fahrer. „Das klingt alles so selbstverständlich, ist es im Radsport aber noch nicht," sagt der Sportwissenschaftler. Bis zu drei Kilometer pro Stunde könnte beispielsweise jener Fahrer schneller fahren, der perfekt sitze.

Dreimal drei Tage fünf Stunden lang mit jeweils einem Ruhetag dazwischen werden die Katjuscha-Fahrer auf den mallorquinischen Straßen unterwegs sein. Zudem kehren sie Anfang Februar zur Mallorca Challenge zurück. Weber selbst ist schon länger Insel-Fan: „Hier können wir das Training planen und dann auf die Karte schauen. Es gibt immer eine Strecke, die perfekt passt. Überall sonst müssen wir das Training an die Strecken anpassen."

Es könnte alles so schön sein für Katjuscha. Wäre da das UCI-Urteil nicht.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 17. Januar (Nummer 663) lesen Sie außerdem:

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