Doch schnell stellten sie fest, dass der schüchterne groß gewachsene Jugendliche keine Witze machte, sondern tatsächlich zu einem der prestigeträchtigsten Clubs der Welt wechselt. Sicher, er wird nicht mit Messi, Iniesta und Xavi auf dem Feld stehen - aber immerhin als Torwart für die Mannschaft der Cadete A, vergleichbar mit der B-Jugend in Deutschland.

Der 15-Jährige Mallorca-Resident, der bereits als Einjähriger mit seinen Eltern auf die Insel gezogen war und bisher das Tor der Jugendmannschaften von San Francisco und seit zwei Jahren von Real Mallorca hütete, steht vor dem Umzug in die Talentschmiede La Masia. Dort, wo schon Lionel Messi, Andres Iniesta, Gerard Piqué und viele andere spätere Barça-Stars das Tiki-Taka von der Pike auf gelernt haben.

Wobei es bei Dennis eher nicht darauf ankommt, möglichst gewiefte Doppel­pässe zu spielen oder mit Körpertäuschungen den Gegner zu verwirren. Er möchte in die Fußstapfen von Torhüter Victor Valdés treten, der ebenfalls in der Masia zur Schule ging. „Ich bin schon mein ganzes Leben lang Barça-Fan", sagt der Nachwuchsspieler, der niemals damit gerechnet hatte, dass er eines Tages von den Talentspähern des großen katalanischen Clubs beobachtet werden würde - und es zu Beginn überhaupt nicht mitbekam.

Mutter Karen erzählt: „Wir haben das erst wahrgenommen, als uns Eltern von Dennis´ Mannschaftskollegen sagten, dass beim Training und bei den Partien ein Spielerscout aus Barcelona auf der Tribüne saß." Das war schon vor über einem Jahr. Seitdem flogen die Spielerbeobachter immer wieder auf die Insel, im Frühjahr dann auch einer der Torwarttrainer. Der wich eine Woche lang auf dem Fußballfeld nicht von Dennis´ Seite. Danach stand der Entschluss der Masia-Verantwortlichen, den Jungen mit einem Vier-Jahres-Vertrag nach Barcelona

zu holen, fest.

Und Dennis musste nicht lange überlegen. Obwohl Mutter Karen betont, dass auch die Jugendarbeit bei Real Mallorca sehr engagiert und professionell abgelaufen sei, habe ein Angebot des FC Barcelona eben doch eine andere Faszination. Zu Gesprächen mit Dennis oder seinen Eltern war es während der langen Beobachtungsphase noch nicht gekommen.

Was letztlich den Ausschlag für den FC Barcelona gegeben hat, weiß die Familie nicht genau. Aber Dennis ist mit seinen 1,93 Metern für sein Alter ungewöhnlich groß und hat eine exzellente Ballbehandlung, wie ihm seine Trainer auf der Insel bescheinigen. Damit passt er natürlich ins Barça-Konzept. Dort muss der Torwart nämlich nicht nur auf der Linie stehen und Bälle aus dem Winkel holen, sondern er soll zumindest die technischen Grundfertigkeiten eines späteren Barça-Spielers mitbringen.

Um sich die anzueignen, wird Dennis ab dem 19. August auf dem Festland anzutreffen sein. An diesem Tag ist Trainingsauftakt. Dann wird er sein Zimmer in dem vor zwei Jahren eröffneten Neubau der Masia beziehen.

Die Akademie war zuvor in einem alten katalanischen Bauernhaus nur einen Steinwurf vom Stadion Camp Nou untergebracht. Dann wurde aber mehr Platz benötigt, und man hat in Barças Sportstadt einen Neubau errichtet, in dem etwa 80 Nachwuchskicker ein neues Zuhause gefunden haben.

Dennis Eltern verabschieden ihren Sohn mit einem lachenden, aber auch mit einem weinenden Auge. „Natürlich sind wir sehr stolz auf Dennis. Aber es ist auch ein eigenartiges Gefühl, einen 15-Jährigen daheim ausziehen zu sehen", sagt Mutter Karen. Doch es habe sie sehr beruhigt zu sehen, dass in der Masia alles nach Plan ablaufe und auch die schulische Ausbildung nicht zu kurz komme. Anfang Juni hatte Familie Otto zusammen mit einem Spielerberater und einem Anwalt in Barcelona nach der Vertrags­unterzeichnung die Einrichtungen besichtigt.

Was Dennis dort erwartet, weiß er noch nicht so genau. Nur der grobe Plan steht bereits: Vormittags von 8.30 bis 13.30 Uhr geht es in die nahegelegene Schule zum Unterricht. Danach steht das Mittagessen in der Masia an. Nachmittags ist dann Zeit für eine Siesta und Schularbeiten, bevor es um 19 Uhr auf den Trainingsplatz geht. Vier- bis fünfmal die Woche stehen zwei Stunden Training an, dazu am Wochenende die Spiele. Außerdem muss Dennis auch außerhalb des Mannschaftstrainings zum Torwarttraining.

Des Weiteren wird er wohl auch im Fitness-Studio antreten und Gewichte stemmen müssen. Seine Mitspieler sind davon zunächst noch befreit, bis sie 16 Jahre alt sind. Auch das ist Teil der Barça-Philosophie des Masia-Gründers Johan Cruyff. Der sagte dazu einst: „Barca lehrt, nicht kräftig, sondern intelligent zu sein." Deshalb wird die ersten Jahre alles direkt am Ball geübt. Was die Jungs ohnehin lieber machen als Zirkeltraining.

Und damit die Fußball-Schüler auch in ihrem Zimmer immer vor Augen haben, wo sie gerade sind, wird ein bisschen nachgeholfen in Sachen Identitätsstiftung. Mutter Karen: „Wenn man den Fernseher auf dem Zimmer einschaltet, ist zuerst das Logo von Barça zu sehen und es wird die Hymne gespielt. Erst dann kann man umschalten."

Viel Zeit zum Fernsehen wird kaum bleiben, auch das Internet darf nur sporadisch genutzt werden. „Nachts um elf wird die Verbindung gekappt." Es wird nichts dem Zufall überlassen. Klar wisse Dennis noch nicht, ob er eines Tages einmal im grandiosen Rund des Camp Nou im Tor stehen wird. Aber die Chance, dieses Ziel zu erreichen, hat er ab August.

Und selbst, wenn es nicht klappt - wie sagte schon Pep Guardiola: „Jeder Spieler, der La Masia absolviert hat, unterscheidet sich vom Rest: Er hat den Barça-Stempel." Und damit dürfte er für alle anderen Clubs der Welt ein interessanter Spieler­kandiat sein.

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