Es ist Montagabend kurz nach 18 Uhr: Spanien tritt gegen Australien nach seiner Stippvisite in Brasilien von der großen Bühne des Fußballs ab - und Pepe Moya, Inhaber des Fußballgeschäftes Todo Goles nahe der Avenidas in Palma hat es noch nicht einmal mitbekommen. Auf seinem kleinen Fernseher im mit Trikots über und über vollgehängten Laden läuft ein uralter Western. Moya bedient noch einen Mann, der auf der Suche nach einem Trikot von Real Madrid ist. Der National­dress von Spanien hat längst ausgedient. Die Enttäuschung der Menschen nach den beiden verlorenen Auftaktbegegnungen sitzt tief. Und hat nun auch direkte Auswirkungen auf die Wirtschaft eines Landes, das gerade erste Anzeichen einer Besserung zeigt.

Pepe Moya ist ein gemütlicher Mann, ein bisschen in die Jahre gekommen, was ihn offenbar unerschütterlich hat werden lassen. „Es gibt Leute, die werden jetzt nervös, weil sie soundsoviele Spanien-Trikots geordert haben, und jetzt nichts mehr verkaufen. Ich habe das auch gemacht, doch nervös macht mich das nicht mehr." Dabei verliert der gebürtige Andalusier nach eigenen Angaben etwa 20.000 bis 25.000 Euro Umsatz. 150 Spanien-Trikots lagern in irgendwelchen Kisten in seinem ohnehin schon räumlich sehr begrenzten Laden und werden nun gar nicht mehr oder nur noch für einen Bruchteil dessen verkauft, was sie bei einer florierenden „Roja" wert gewesen wären. „Ich muss die alle stark reduzieren und hoffen, dass sie irgendwann weggehen. Zurückgeben können so kleine Läden, wie wir das sind, überhaupt nichts. Das erlauben die Hersteller nur großen Ketten."

Moya hat zwischenzeitlich doch den Kanal gewechselt, in Curitiba läuft gerade die 25. Minute. Das Bild hat starke Empfangsstörungen. Das 1:0 von David Villa kann man nur aufgrund des beinahe lächerlich euphorischen Kommentators erahnen. Doch auch den Führungstreffer bekommt Pepe Moya nicht mit. Er muss einen kleinen Jungen bedienen, der mit Mutter und Oma erschienen ist, um eine Torwartausrüstung für Hallenfußball zu kaufen. Für das Spanien-Spiel interessiert sich der Junge nicht die Bohne. Als die Familie wieder draußen ist, sagt Moya: „Ich hatte damit gerechnet, dass Spanien diesmal nicht so weit kommt. Viertelfinale höchstens, die Spieler waren nach der Saison platt."

Andere hatten da mehr erwartet. Vor allem Bars und Restaurants, die die Partien übertragen, spüren das frühe Aus der Spanier. Eine Kellnerin der Bar „Mas Q Espuma" in Palma, die alle Spiele auf großen Fernsehern zeigt, sagt: „Wir merken sehr deutlich, dass die Leute wegbleiben. Bei Spanien-Spielen war hier alles gerappelt voll. Bei anderen Partien haben wir fast mehr freie Stühle als Gäste." Weniger Gäste bedeuten weniger Kellner und weniger Getränkeumsatz. „Zum Glück bestellen wir die Getränke nicht lange im Voraus, sonst hätten wir jetzt ein Problem", sagt die Dame, die nicht genannt werden möchte. Ihre Hoffnungen ruhen nun auf den deutschen und argentinischen Residenten. „Die kommen recht zahlreich vorbei. Ein Finale Deutschland-Argentinien wäre für uns zumindest noch ein ganz gutes Trostpflaster." Auf welche Summe sich die Verluste in der Bar belaufen, kann oder möchte die junge Frau nicht sagen.

Landesweit hat man da schon mal nachgerechnet: 600 Millionen Euro Schaden habe das peinliche Abschneiden der Spanier in der Volkswirtschaft verursacht, so eine Studie des Vergleichsportals Kelisto.es. Zu den Leidtragenden gehören auch die großen Medien­gruppen des Landes und allen voran Mediaset, deren Sender Telecinco und Cuatro die spanischen Übertragungsrechte der WM-Spiele haben. Schätzungen gehen davon aus, dass sich die Verluste bei Mediaset auf etwa 15 Millionen Euro belaufen. Für die Rechte habe das Medienunternehmen etwa 35 Millionen Euro ausgegeben, eingenommen werden dürften nun durch Werbung nur noch etwa 20 bis 25 Millionen Euro. Laut den Fachleuten von Kepler Chevreux hatte Mediaset mit sieben Spielen der Spanier kalkuliert. Mit anderen Worten: Das Team um Trainer Vicente del Bosque hätte entweder ins Finale oder zumindest ins Spiel um Platz 3 kommen müssen.

Fast noch härter trifft das Scheitern von Iniesta, Piqué und Co. die Zeitungen. Die ohnehin um ihre Werbeeinnahmen bangenden Verlage hatten sich über große Sponsoren-Kampagnen wie etwa des Energie­versorgers Iberdrola oder der Biermarken San Miguel und Cruzcampo gefreut. Nach dem Aus sind sie drastisch zurückgefahren oder ganz gestrichen worden. Vor allem die Sportzeitungen wie „As" und „Marca" leiden unter der Spanien-Pleite. Aber auch die Big Player „El País" und „El Mundo" verlieren nach Schätzungen der Studie einen siebenstelligen Betrag.

Pepe Moya unterdessen freut sich, dass er auch noch andere Trikots im Angebot hat. „Die deutschen Shirts zum Beispiel laufen super. Ich habe schon 25 Originaltrikots verkauft und habe kein einziges mehr auf Lager." Was seine Landsleute angehe, die seien eben, wie sie seien: „Entweder himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt."

Ihm wäre es unterdessen ganz recht, wenn ein lateinamerikanisches Land am Ende ganz oben stehen würde. „Die Südamerikaner kaufen schon Ausrüstung wie die Weltmeister." Als hätte es eines Beweises bedurft, betritt eine ecuadorianische Familie das Geschäft. Die etwa zwölfjährige Tochter wünscht sich nichts sehnlicher als das Trikot ihrer Nationalmannschaft.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 26. Juni (Nummer 738) lesen Sie außerdem:

- "Aber es war ja nur Australien": Letztes Spanien-Spiel in der Taxifahrer-Kantine

- Mallorquiner spielt bei den New York Red Bulls

- Real Mallorca mit neuem sportlichen Leiter