Die Münze fällt auf den staubigen Asphalt. Es klirrt. Daniel Orellana beugt sich nach unten und greift nach ihr. Sie steht auf dem Kopf. Der Ecuadorianer gibt David Basantes, Juan Carlos España und Luis Jijón den Ball. Er ist Schiedsrichter und hat soeben entschieden, wer den ersten Aufschlag machen darf. Mit der rechten Hand steckt er den Euro wieder in die Tasche. In der Linken hält er eine kleine Holzleiste mit nummerierten Löchern. Mit einem Nagel kann er die Punkte der Teams zählen. Sie spielen Ecuavóley. Es ist ein Zwischending zwischen Volley- und Beachvolleyball - gespielt wird mit einem Fußball und auf Beton.

Somit ist alles bereit um kurz nach vier Uhr im Park Krekovic in Palmas Stadtteil Levante. Knapp dreißig Ecuadorianer haben sich eingefunden. Der Park ist zu ihrem zweiten Zuhause geworden. Die meisten tragen Jeans und T-Shirt. Manche spielen oberkörperfrei. An drei drei Meter hohen Stangen hängen zwei Netze für ebenso viele rot umrandete Spielfelder. Die Stangen und Netze bringen die Ecuadorianer mit. Sie haben bei der Stadt auch eigens eine Erlaubnis eingeholt, um hier spielen zu dürfen.

„Ecuavóley ist meine Leidenschaft", sagt David Basantes. „In unserer Heimat ist es ein Volkssport. Fast jeder spielt es." Der 25-Jährige Bauarbeiter kommt oft nach der Arbeit in den Park und trifft seine Freunde. Manchen von ihnen stehen auch noch Nachtschichten bevor - sie kommen vor der Arbeit vorbei.

Das ganze Jahr über und an fast jedem Tag in der Woche sind die Ecuadorianer vor Ort. 50 bis 60 von ihnen kommen unter der Woche, am Wochenende sind es noch wesentlich mehr - bis zu 150. An Sonntagen sind nicht nur Spieler aus Palma da, sondern auch aus den Inseldörfern. „Frauen spielen nur sehr wenige mit", sagt David Basantes. Wieso, weiß er nicht so recht und fügt hinzu: „Wir Jungs sind doch alle ganz nett."

Auf dem rechten Spielfeld treten die Anfänger oder nicht ganz so Ambitionierten gegeneinander an, das Linke wird den Besseren überlassen. Letztere sind es auch, die bei Turnieren antreten. Sie finden einmal im Monat in verschiedenen Vierteln in Palma statt. Zuletzt traten in einem anderen Park vier Mannschaften gegeneinander an. Eine stellte der Park Krekovic, eine der Gastgeber, und zwei kamen aus dem Dorf Vilafranca de Bonany. Krekovic gewann und heimste ein Preisgeld von 450 Euro ein. Beim kommenden Kräftemessen im November im Stadtteil Son Gotleu sind gar 1.000 Euro ausgeschrieben. Die inoffizielle Ecuavóley-Liga wird von einigen wenigen Schiedsrichtern organisiert, die Spieler müssen Startgeld zahlen.

Luis Jijón ist einer der ältesten Spieler der „ersten Liga" des Park Krekovic, spielt bei den Turnieren aber nicht mit. „Mir reicht Ecuavóley als Hobby. Ich feuere die Jungs dann an." Überhaupt tut sich beim Ecuavóley neben dem Spielfeld fast ebenso viel wie auf dem Spielfeld. Eine Gruppe sitzt auf dem Boden und spielt Karten. In ihrer Mitte stehen eine große Flasche Bier und Plastik­becher. Andere Zuschauer haben sich gleich Klappsessel mitgebracht. Jung und Alt sind dabei, Ecuavóley in Palma ist generationen­übergreifend beliebt.

Und das schon seit Ende der 90er Jahre. Damals wurde das südamerikanische Land von einer tiefgreifenden Wirtschaftskrise heimgesucht. Für zwei Jahre versank es in ökonomischem Chaos. Viele, vor allem junge Ecuado­rianer, suchten Arbeit und machten sich auf den Weg nach Europa. In Palma fanden sie eine neue Heimat. Ein spanisches Visum war damals noch nicht nötig.

In den vergangenen Jahren ist die ecuadorianische Insel-Community wieder etwas geschrumpft - nun wegen der Wirtschaftskrise hier. Viele Ecuadorianer sind zurück in ihre Heimat gezogen, wo die Konjunktur wieder angezogen hat.

David Basantes ist geblieben. Er trägt neongelbe Schuhe, lächelt gerne, hat ein Tattoo am rechten Arm und auf seinem Handy ein Video von Leo Rojas. Der Panflöten-Spieler hat 2011 bei RTL das „Supertalent" gewonnen. Luis Jijón und David Basantes sind mächtig stolz auf Rojas. „Kennst du ihn auch?", fragen sie den Reporter.

David Basantes arbeitet als Bauarbeiter in Palma. Wenn der Vater einer zweijährigen Tochter gerade nicht spielt, wettet er hin und wieder auf eines der Teams. „Bei guten Matches ist hier einiges an Geld im Spiel", sagt er. Besonders am Wochenende. Wenn das Niveau steigt, gehe es schon mal gut und gerne um 700 Euro pro Spiel. „Die Zuschauer wollen halt Emotionen", sagt er.

Auf dem linken Feld wird derweil gehechtet, gebaggert, geflucht und gejubelt. Ecuavóley ist ein sehr intensiver Sport, die Matches dauern trotz relativ langer Ballwechsel nur etwa eine halbe Stunde. David Basantes hat an diesem Donnerstag nicht auf den Ausgang gewettet. Aber das ist auch nicht so wichtig. Ecuavóley ist in all seinen Facetten zu einem wichtigen Bestandteil seines Lebens geworden.

Ecuavóley: Drei gegen drei

Ecuavóley ist eine Variante des Volleyballs und hat seinen Ursprung in Ecuador. Es wird mit einem Fußball der Größe fünf und auf Asphalt gespielt. Im Gegensatz zum Volleyball, wo sechs Spieler auf dem Feld stehen, spielen nur drei Spieler beim Ecuavóley. Das Netz hängt zudem höher und ist schmaler. Gleich sind die Maße des Spielfelds von 19x8 Metern. Im Gegensatz zum Volleyball (25 Punkte pro Satz, drei Gewinnsätze) werden die Sätze bis zwölf oder fünfzehn Punkten bei zwei Gewinnsätzen gespielt. Beim Ecua­vóley ist es erlaubt, den Ball unter einer Sekunde festzuhalten, beim Volleyball stellt dies einen Fehler dar. Der Sport wird in ­Ecuador meist in Parks anstatt in Vereinen gespielt.

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