Seit vergangenem Freitag (19.12.) ist Utz Claassen Präsident des ­mallorquinischen Zweitligisten Real Mallorca. Offenbar kam die Wahl in einer routinemäßigen Verwaltungsratssitzung auch für ihn selbst überraschend. Nächstes wichtiges Datum ist nun der 5. Januar. Bis dahin sollte eine Kapitalerhöhung unter Dach und Fach sein. Der ehemalige EnBW-Manager und seine Frau Annette könnten dann auch die Aktien­mehrheit übernehmen. Wir befragten Utz Claassen per E-Mail.

Sie sind jetzt Präsident von Real Mallorca: Sollen wir Sie beglückwünschen oder Ihnen unser Beileid aussprechen?

Das bleibt Ihnen überlassen. Ich bin mir völlig darüber im Klaren, dass es nach vier Jahren des sportlichen und wirtschaftlichen Missmanagements eine sehr schwierige Aufgabe ist. Aber sie ist auch sehr interessant und herausfordernd.

Verfügen Sie eigentlich mittlerweile über den von Ihnen so oft angemahnten Überblick über den finanziellen Zustand des Vereins? Wie sieht er aus?

Leider haben wir immer wieder unangenehme Überraschungen erlebt, weil über Jahre systematisch Verträge und damit finanzielle Verpflichtungen dem Verwaltungsrat vorenthalten worden sind. Insgesamt kann man sicher sagen, dass meine Kritik als ´sogenannte Opposition´ im Verwaltungsrat mehr als berechtigt war. Wirtschaftlich sieht es, wie bekannt ist, nicht einfach aus. Es wird ein hartes Stück Arbeit, die Fehler zu korrigieren und den Club nach vorn zu bringen.

Hand aufs Herz: Haben Sie vor der Verwaltungsratssitzung am Freitag eine Absprache mit dem geschassten Biel Cerdà getroffen oder nicht?

Natürlich nicht. Das ergibt sich im Übrigen allein schon daraus, dass der Vorschlag, den Präsidenten abzuwählen, von Serra Ferrers Vertreter im Aufsichtsrat kam.

Gehen Sie davon aus, dass auch Llorenç Serra Ferrer den Verein jetzt verlässt?

Das müssten Sie ihn schon selbst fragen. Seine Ämter im Verein hat er inzwischen allesamt nieder­gelegt.

Verfügen Sie bereits jetzt, direkt oder indirekt, über die Aktienmehrheit bei Real Mallorca?

Nein.

Werden Sie diese Aktienmehrheit Anfang Januar haben?

Wir werden sehen, wer an der Kapitalerhöhung teilnimmt. Ich werde sicher alle Anteile zeichnen, auf die ich ein Anrecht habe.

Was ist, wenn die Kapitaler­höhung nicht zu Ihren Gunsten ausgeht?

Wichtig ist, dass die Kapitaler­höhung zugunsten des Vereins ausgeht, dass sie also in Summe erfolgreich ist.

Was muss jetzt als Erstes verwaltungstechnisch passieren?

Die Liste der Baustellen ist sehr lang. Um nur ein paar Aufgaben zu nennen: Wir brauchen mehr Einnahmen, sei es durch Investoren oder Sponsoren. Das Problem des alten Stadions Lluís Sitjar müssen wir gemeinsam mit der Stadt lösen. Wir müssen die Infrastruktur des Trainingsgeländes in Son Bibiloni und des Stadions in Son Moix auf Vordermann bringen. Son Bibiloni ist ein Schatz, der aber gehegt, gepflegt und entwickelt werden will. Die Website des Clubs ist uralt. Ich könnte jetzt eine Zeit lang so weiter machen, aber zwei Dinge sind Ihnen sicher klar: Es gibt jede Menge zu tun. Und wir werden das nicht von heute auf morgen schaffen, sondern brauchen etwas Zeit.

Und sportlich?

Das nächste Spiel am 3. Januar gegen Albacete zu gewinnen, wäre ein guter Start. Mittelfristig ist der Anspruch, in die Erste Liga aufzusteigen. Die Fans auf der schönsten Insel der Welt verdienen es, dass ihr Club in der besten Liga der Welt spielt. Aber ich werde keinen ungesunden Druck auf die Mannschaft ausüben. Was passieren kann, wenn der Druck und die Erwartungen zu hoch sind, konnte man in der vergangenen Saison sehen, als wir nur um ein Haar den Abstieg vermieden haben.

Genießt Waleri Karpin nach der Niederlage gegen Ponferradina noch Ihr uneingeschränktes Vertrauen?

Karpin ist ein sehr guter Trainer, der intensiv mit dem Team arbeitet. Aber natürlich müssen im Fußball auch die Resultate stimmen. Wichtig ist für mich stets, wie Sport­direktor Miguel Angel Nadal die Situation beurteilt.

Die jahrelangen Auseinandersetzungen haben viele Verletzungen und Ressentiments hinterlassen. Sie müssen jetzt Vertrauen gewinnen. Wie wollen Sie das tun?

Ich bin fest davon überzeugt, dass Offenheit, Transparenz und Dialog helfen werden. Ich werde die Fans sehr viel stärker einbinden, so wie ich es bereits vor vier Jahren vorgeschlagen hatte. Aber am Ende schafft nichts mehr Vertrauen als gute Ergebnisse.

Was können Sie jetzt ganz spezifisch als Deutscher beitragen? Vielleicht die berühmten deutschen Sekundärtugenden?

Wenn Sie damit Fleiß, Gehorsam und Pünktlichkeit meinen, kann ich Ihnen versichern, dass es bei Real Mallorca davon in den vergangenen Jahren eher zu viel gab, „Gehorsam" gab es jedenfalls im Übermaß. Mein Führungskonzept hingegen basiert auf Motivation und Partizipation und nicht auf einseitiger Dominanz. Was hilft es, wenn ein Angestellter pünktlich kommt und geht, aber seine Vorgesetzten kein Vertrauen haben, und er nicht selbständig arbeiten kann? Der Club braucht jetzt vor allem Innovation, Kreativität und Mut. Und Professionalität, Integrität und Würde.

Was können die deutschen Residenten und Urlauber allgemein zu Real Mallorca beitragen?

Sehr viel. Wir freuen uns über jeden Fan, der die Mannschaft im Stadion unterstützt. Die nächste Gelegenheit ist am Sonnabend, 3. Januar, um 18 Uhr gegen Albacete. Ich finde, dass so viele Residenten und Urlauber wie möglich ein Mallorca-Trikot tragen sollten, um zu zeigen, für wen und für welche Insel ihr Herz schlägt.