Volksläufe sind auf Mallorca das große Ding. Erstmals wird jetzt diese Szene auch auf Deutsch ausführlich dargestellt. Andreas Butz, ein deutscher Ex-Manager und Lauftrainer, und Jürgen Lucht, der seit 1989 in Llucmajor lebt und dort eine Tischlerei betreibt, haben dazu ein E-Book veröffentlicht: „Laufen auf Mallorca. Die ­Balearen laufend erleben" (etwa bei Amazon, 4,99 Euro). Wir sprachen mit Jürgen Lucht, der mit der Laufgruppe „Corredors de Llucmajor" an den Start geht.

Ihr E-Book zählt über 140 Volksläufe auf der Insel auf, wie sind Sie denn an die alle gekommen?

Viele haben wir auf der Website www.elitechip.net gefunden, wo man sich auch für die meisten anmelden kann. Auf andere wurden wir durch Bekannte aufmerksam. Trotzdem gibt es Läufe, von denen wir nichts mitbekommen, weil sie spontan und privat auf die Beine gestellt werden. Unser Ziel war, einen möglichst umfassenden Überblick zu geben, weil wir in Deutschland oft gefragt werden, wo man denn auf Mallorca gut laufen könne.

Sind Sie bei allen Veranstaltungen selbst an den Start gegangen?

Nein, das würde mein Zeitbudget sprengen. Natürlich haben wir bei einigen Läufen mitgemacht. Bei anderen hoffen wir aber auf die Mitwirkung der Leser, die uns ihre Erfahrungen mit den Läufen schicken können. Wir arbeiten sie dann ein. Das Buch ist deshalb ganz bewusst als E-Book angelegt, weil es so ständig aktualisiert werden kann.

Haben Sie einen Favoriten unter den Läufen auf der Insel?

Den Spendenlauf von Es Fangar im April. Das ist eine landschaftlich tolle und riesengroße Finca. Der Trail-Lauf geht quer durchs Gelände. Super ist auch der „Malalts de Turmell" rund um Sant Llorenç im August. Da muss man zwischendurch auch mal Privat­gärten und sogar eine Garage durchqueren. Eine witzige Angelegenheit. Viel Atmosphäre hat auch der Lauf Sa Llego in Sa Pobla. Da gehen über 1.800 Leute an den Start.

Was macht denn den Reiz dieser Läufe aus?

Das Drumherum. Man trifft andere Läufer, tauscht sich aus und tut was für den Körper. Normalerweise kommen zu den Volksläufen 150 bis 200 Leute. Man kennt sich nach kurzer Zeit. Einige trainieren gar nicht, sondern machen jedes Wochenende einen Volkslauf mit, um in Form zu bleiben. Das Ambiente ist entspannt und meist familiär.

Mallorquiner unter sich also?

Ja. Wenn neben mir noch vier Ausländer am Start stehen, ist das schon viel. Oft tritt die ganze Familie an, bei kleineren Rennen sind dann auch mal Kinderwagen und Hund dabei. Manchmal geht es da auch ein wenig chaotisch zu. Bei einer Laufveranstaltung in Palma starten beispielsweise Halbmarathon und ein fünf Kilometer langer Volkslauf gleichzeitig. Da hätte mich einmal fast ein Hund zu Fall gebracht.

Das heißt, Leistungssportler sollten bei Volksläufen lieber nicht antreten?

So kann man das nicht sagen. Sicher gehen die meisten Athleten diese Läufe, die üblicherweise zwischen sechs und acht Kilometer lang sind, recht locker an. Doch es gibt auch eine Riege Mallorquiner, die gerade bei den größeren Events mitlaufen und immer vorne dabei sind. Da gehören die Ausdauerläufer Miguel Capó und Tòfol Castanyer genauso dazu wie etwa Toni Roldán oder Esteve Barceló. Bei den Frauen führt an Mavi Garcia kein Weg vorbei. Wenn die am Start ist, dann weiß jeder, wer oben auf dem

Podest stehen wird.

Wirklich motivierend ist das für die anderen nicht.

Ach, das ist schon okay. Die anderen freuen sich, Anschauungsmaterial von Profis zu bekommen. Ich kann mir da zum Beispiel immer etwas in Sachen Lauf­technik abschauen.

Die Mallorquiner sind kreativ, wenn es um diese Veranstaltungen geht: Unterwäschelauf in Bunyola oder Brutatlon in Andratx. Wäre das was für Sie?

Nein, in Unterwäsche zu laufen, ist nicht mein Ding. Der Hindernislauf Brutatlon schon eher, aber da muss man sich als Team einheitlich verkleiden. Das erfordert eine aufwendige Vorbereitung.

Wo steht denn eigentlich eine Veranstaltung wie der ehemalige Tui-Marathon, der ab sofort Palma de Mallorca Marathon heißen soll?

Das ist eine andere Dimen­sion. Auf so einen Marathon bereitet man sich zwölf bis 16 Wochen lang systematisch vor. Beim Volkslauf kommst du normalerweise eine Stunde vorher an, läufst eine halbe Stunde und sitzt nach zweieinhalb Stunden wieder geduscht daheim auf dem Sofa. Beim Marathon in Palma holst du am Vortag schon deine Startnummer ab, gehst zur Pasta-Party, läufst dann am nächsten Tag und feierst noch die After-Race-­Party. Da bist du ein Wochenende lang beschäftigt.

Und was ist mit den Trailläufen, wie der über 100 Kilometer lange Ultra Serra de Tramuntana?

Auch das hat nichts mehr mit Volksläufen zu tun. Hier geht es ständig hoch und runter, man muss extrem fit sein. Im vergangenen Jahr haben vier Frauen aus meinem Laufclub die Variante über 66 Kilometer mitgemacht, drei haben es bis zum Ende geschafft. Aber sie haben sich monatelang vorbereitet. Außer dem Ultra Trail gibt es auf Mallorca nicht so viele Trailläufe.

Lohnt es sich aus finanzieller Sicht, bei den Volksläufen zu gewinnen?

Meistens gibt es nichts außer einem Pokal. In Sant Llorenç bekommt der Sieger schon mal einen Kürbis oder eine drei Meter hohe Palme. Da geht es dann eher um die Gaudi zu sehen, wie er die ins Auto verfrachtet. Geld gibt es so gut wie nie, sonst würden wahrscheinlich schon die ersten Äthiopier mitlaufen, wie in Deutschland. Da „adoptiert" ein Club einen Läufer aus Afrika, der gewinnt, und das Geld wird unter den Clubmitgliedern aufgeteilt.

Auf der Insel sammelt man eher Geld für den guten Zweck ?

Viele Läufe haben Benefizcharakter. Meist geht ein Teil der Anmeldegebühr an einen guten Zweck. Wir haben in Llucmajor auch einen Benefiz­lauf, da sammeln wir Spielzeuge für Kinder von armen Familien. Die Läuferszene ist sehr solidarisch und teilt gerne.

Jetzt steht in Sa Pobla ein Halbmarathon an. Ist er zu empfehlen?

Er eignet sich gut für eine persönliche Bestzeit, da mit dem Halbmarathon von Palma zu den flachsten der Insel gehört.