Um kurz nach zehn ist noch alles friedlich an diesem Freitag­morgen auf der Plaça Ramon Llull in Petra. Ältere Herren sitzen rauchend vor den Bars. Ein erster Kaffee, ein erster Likör.

In der Bar Ca´n Tomeu hingegen wird konzentriert gearbeitet. Orangenspalten werden auf Tellern angerichtet, die Getränke kaltgestellt. In Petra ist zwischen Februar und Mai, wenn die Radfahrer nach Mallorca kommen, Hochsaison. Im Zentrum der kleinen Ortschaft im Inselinneren mit ihren knapp 3.000 Einwohnern wird es eng. Sieben Bars verteilen sich über die Plaças Ramon Lull und Fra Juniper Serra und buhlen um die Radurlauber.

Ca´n Tomeu war eine der ersten Bars, die das Geschäft mit den Radfahrern für sich entdeckten. Das war Ende der 80er Jahre, erzählt Tomeu Santandreu, der den Familienbetrieb mit seiner Schwester Magdalena führt. In den 90ern ging es dann richtig los. Damals begann die Tourismus­agentur Ibatur um Radfahrer zu werben.

Auf der Landstraße zwischen Petra und Son Serra gibt es auf zwei Kilometern eine sehr hügelige Strecke. Hier wurde 1992 ein Werbefilm für Radfahren auf Mallorca gedreht, der danach jahre­lang europaweit lief, erzählt der pensionierte Beamte Miquel Riera. Er arbeitete damals im Rathaus von Ariany und half den Produzenten ein Team aus lokalen Radfahrern für den Film zusammenzustellen. „Der Film hat sicher auch zur

Popularität von ­Petra als Radfahrziel beigetragen."

Wohl noch wichtiger: Petra liegt strategisch günstig zwischen s´Arenal und Cala Ratjada, zwischen Porto Cristo und Alcúdia. Zudem hat das Dorf durch die beiden Plazas in der Mitte auch den Platz, um die stetig wachsende Anzahl Radfahrer zu bedienen. 300 bis 600 können es schon mal sein an guten Tagen - pro Bar. Statistiken über die Zahl der Radfahrer hat man im Rathaus nicht. Mittlerweile versuchen auch die Bars an den Außenrändern zu profitieren. Die große Action findet aber im Dorfkern statt.

Es ist schon fast halb zwölf, als deutlich wird, was der tägliche Fahrradwahnsinn für die Wirte ­bedeutet. Fast im Minutentakt kommen neue Fahrradfahrer an, fahren über die Plaça del Fra Juniper Serra in Richtung Plaça de Ramon Llull. Joan Salom steht vor seiner Bar Ca´n Salom und begrüßt sie in der Hoffnung, manche als Kunden zu gewinnen. Die Wirtin von Es Brollador macht ein paar Meter neben Salom dasselbe. Die beiden Bars teilen sich den Platz. Salom hat den weitaus größeren Anteil. Er hat den Familienbetrieb im Dezember übernommen. Es ist seine erste Radfahrsaison.

Radfahrer brauchen Kohlen­hydrate. Kuchen, Spaghetti, Sandwiches sind die häufigsten Bestellungen in den Bars. 90 Kuchen verkauft Salom an guten Tagen. Ein paar Meter weiter im Hotel-Restaurant Sa Plaça gibt Tarek Sliti die tägliche Ration mit 50 an. Sliti hat ein paar Jahre in Hannover gelebt, Salom in Hamburg studiert. Gutes Deutsch gehört ebenso wie Englisch zum Standard der Wirte an den Plazas.

Die meisten Radfahrgruppen kommen mit Guides. Es ist kein Geheimnis, dass diese ihre Getränke und ihr Essen gratis bekommen, wenn sie die Gruppen in die jeweiligen Bars führen. Die Fahnen der Tourunternehmen, die an fast jeder Bar hängen, sind hingegen nur ein Lockmittel für die Radfahrer. Verpflichtungen bestünden keine, sagen alle Wirte.

„Ich finde es nicht selbstverständlich, dass ich als Guide alles umsonst bekomme", beeilt sich Dieter Birkenstock zu erklären. Er ist mit einer zwanzigköpfigen Gruppe unterwegs. Hauptsächlich Männer. Sie fahren täglich etwa 100 Kilometer.

Birkenstock ist zum zweiten Mal als Guide für ein niederländisches Tourunternehmen auf Mallorca. Einmal pro Woche kommt er nach Petra. Normalerweise hält er mit seinen Gästen an der Plaça de Ramon Llull, heute hat er sich für den anderen Platz entschieden. Er fühlt sich da frei.

Längst sind es nicht mehr nur Bars und Cafés, die die Radfahrer anlocken. Vor drei Jahren hat an der Plaça de Ramon Llull eine Filiale des Münchner Sportartikel­handels Bikedress eröffnet. Inhaber Heiko Wild verkauft von März bis Mai Trikots, Socken und was der Radfahrer sonst noch so benötigt.

Über die bei so viel Konkurrenz entstehenden Differenzen unter den Nachbarn will keiner so wirklich gerne reden. „Jetzt gerade haben wir eine gute Phase", sagt etwa Magdalena Santandreu von Ca´n Tomeu. „Wir legen uns nicht mit den anderen an", heißt es bei Joan Salom. Tarek Sliti sagt, das Verhältnis sei problemlos. Die Konkurrenz erlebe er als positiv.

Nur wenn das Mikro aus ist, hört man hier und da Klagen über die ungerechte Verteilung der Tische, fehlende Kollegialität oder die mangelnde Koordination im Rathaus.

Gegen 13 Uhr wird klar, dass dieser Freitag ein eher schwacher Tag bleibt. Nur die Hälfte der Tische ist besetzt, dafür sind die Radler recht gleichmäßig über die Bars verteilt. Und morgen geht es ja wieder von vorne los.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 23. April (Nummer 781) lesen Sie außerdem:

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