Wer gerne Fußball schaut, in Spanien lebt und sich irgendwann mal auf die Suche nach einer Website gemacht hat, auf der Sportereignisse aus aller Welt live übertragen werden, ist mit großer Wahrscheinlichkeit auf rojadirecta.me gelandet. Die optisch wenig ansprechende Seite, die eine Domain von Montenegro nutzt, hat sich darauf spezialisiert, Sportveranstaltungen per Streaming zu zeigen.

Auch Exotisches findet der Fan dort. Rojadirecta übertrug zum Beispiel am vergangenen Sonntag (19.7.) die Begegnung Ratchaburi FC - Sisaket FC aus der thailändischen Fußball-Superliga, das Duell Leon De Huanuco - Sport Loreto aus der peruanischen Primera División oder um 2 Uhr nachts auch die Taekwondo-Wettbewerbe der Panamerican Games.

Die Seite, die auf Deutsch etwa mit „glatt Rot" in Anspielung auf die Rote Karte übersetzt werden kann, genießt nicht nur in Spanien Kultstatus. Und sie ist für ihren Gründer, den Galicier Igor Seoane, zu einer echten Goldgrube geworden. Der heute 31-Jährige hat die Plattform gegründet, damit Sportanhänger auch von zu Hause aus Fußballspiele sehen konnten, die nicht im Free-TV übertragen wurden - ohne in eine Kneipe gehen und dort eines oder mehrere Bier trinken zu müssen.

Rojadirecta ist inzwischen weltweit die größte Website für Live-Streaming von Sportereignissen. Das Portal gehört regelmäßig zu den 2.000 am häufigsten aufgerufenen Seiten weltweit. Die Seite wirft schätzungsweise pro Tag 3.000 Euro Gewinn ab und ist, so wird gemunkelt, bis zu 100 Millionen Euro wert. Neben Spaniern klicken sich auch Sportfans in den USA und den latein­amerikanischen Ländern regelmäßig bei Rojadirecta rein. In Spanien hat die Plattform unter den Top5-Sportseiten einen festen Platz, noch vor der Website der Primera División.

So weit, so schön für Seoane. Doch die Sache hat einen großen Haken: Die Website ist im Grunde nicht legal, sie schmarotzt sozusagen Livebilder von allen möglichen Internetseiten der Welt und bündelt sie zu einem attraktiven Angebot. Dieses Geschäftsmodell ist vor ­allem den Fernsehsendern ein Dorn im Auge, die horrende Beträge für die Fußball-Über­tragungsrechte zahlen.

Laut einem Bericht der Zeitung „El Mundo" verlieren die Pay-TV-Sender, die in Spanien Fußball zeigen, pro Jahr etwa 509 Millionen Euro nur wegen Rojadirecta. Das sind beeindruckende Zahlen, die aber durchaus realistisch sein könnten. Immerhin 44,5 Prozent der Nutzer des Portals haben in einer Studie angegeben, dass sie sich Pay-TV für zu Hause anschaffen würde, wenn es Rojadirecta nicht gäbe. Zudem, so „El Mundo", entgehen dem Staat Steuereinnahmen von etwa 107 Millionen Euro pro Jahr.

Die Seite von Seoane existiert nun seit mittlerweile zehn Jahren. Doch erst Mitte Juni dieses Jahres hat ein Gericht in Madrid, Rojadirecta und ihrem Gründer einen ersten Riegel vorgeschoben. Die Richter verboten der Seite, Spiele aus der spanischen Primera División zu übertragen. Daran wird sich der Galicier wohl oder übel halten müssen. Geklagt hatten die Sender Mediapro und Gol TV.

Frühere Versuche, Rojadirecta auf dem Gerichtsweg zu belangen, waren zumeist aufgrund der stümperhaften Herangehens­weise der Kläger gescheitert. Große Medienkonzerne wie etwa die Prisa-Gruppe unterschätzten Seoane lange. Der Galicier hingegen präsentierte sich zu den Gerichtsverhandlungen bestens vorbereitet und arbeitete mit einigen der angesehensten Anwälte des Landes zusammen.

Schon zu Beginn von Roja­directa spielte Geld im Hause Seoane nur eine untergeordnete Rolle: Der Vater besitzt eine große Matratzenfabrik. Igor Seoane, der unter anderem in Finnland und Irland studiert hat und fünf Sprachen spricht, war schon in seiner Kindheit und Jugend ein Computernarr. Unter anderem brachte er Google zur Weißglut, indem er sich die falsch geschriebenen Domains www.gogle.es, www.guugle.es und www.googil.es ­sicherte. Der Netzgigant klagte - und musste doch 2010 vor Gericht aufgeben.

So schillernd seine Internet­karriere ist, so gewöhnlich gibt sich Seoane privat. Er lebt sehr zurückgezogen, fährt ein gebrauchtes BMW-Cabrio und soll sehr sparsam sein. Was er wohl nicht sein muss, denn dass Rojadirecta demnächst ganz schließen muss, ist unwahrscheinlich. Die Plattform wird quer durch alle Schichten genutzt. Das hat Igor Seoane bei seiner ersten Vernehmung auf einer Polizeistation - damals war er 22 - bereits erfahren, wie er „El Mundo" erzählte. Auf der Wache versuchten ihm die Beamten eindringlich, aber freundlich zu erklären, dass er seine Website schließen müsse. Gleichzeitig gaben sie aber zu, selbst bei Rojadirecta Fußballspiele zu schauen.