So schlimm wie im vergangenen Jahr dürfte es diesmal nicht werden, schätzt Triathlet Christoph Schlagbauer beim Blick auf die ein wenig entzerrten Startzeiten beim Ironman Mallorca in Port d´Alcúdia am Samstag (26.9.). Mit schlimm meint der österreichische Profi die Neigung vieler Athleten, sich auf der Radstrecke einfach an den Vordermann anzuhängen und sich im Windschatten mitziehen zu lassen.

Das Fachwort für die Unsitte heißt Drafting, sie war trotz des strengen Verbots zuletzt häufiger zu beobachten. „Vor allem im vergangenen Jahr beim ersten Full Ironman auf Mallorca", so Schlagbauer. Die Vorschriften besagen, dass die Amateure zehn Meter Abstand zum nächsten Sportler einhalten müssen, bei den Profis sind es zwölf Meter. Auch nebeneinander dürfen die Athleten nicht fahren, hier gilt ein Abstand von drei Metern. „Daran haben sich beim letzten Mal viele nicht gehalten."

Nach der Premiere des Wettbewerbs im vergangenen September war das Netz voller Schimpftiraden, die Klagen über das Windschattenfahren erreichten nie gekannte Ausmaße. Zusätzlich zu Facebook und Twitter schrieben sich viele Athleten in Blogs ihren Frust von der Seele, so etwa auf der Website triathlon-szene.de, die vom Freiburger Triathleten Arne Dyck herausgegeben wird. Dyck schießt heftig gegen den Veranstalter. „Die Ergebnislisten sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind. Sie geben nicht das Leistungsvermögen der Teilnehmer wider, höchstens beim Schwimmen." Beim Studium der Radfahrzeiten, vor allem bei den Wettkämpfen im vergangenen Jahr auf Mallorca und in Barcelona, lachte sich Insider schlapp. Der Betrug an den „wenigen fair fahrenden Athleten" sei offensichtlich.

Große Teile der Ironman-Teilnehmer unter Generalverdacht zu stellen, ist sicher nicht zutreffend. Doch wie sehr das Thema den Nerv der Sportler trifft, zeigen auch die Erfahrungen von Profi-Triathlet Matthias Fackler. Der 33-Jährige beschreibt auf www.pa-a.de seine Erlebnisse vergangenes Jahr in Port d´Alcúdia. Er habe immer wieder feststellen müssen, dass sich ganze Gruppen an sein Hinterrad gehängt hätten und ihn nach einer Zeit im Windschatten überholt hätten. „Es ist wirklich ätzend, dass die Sportler hier einfach nicht fair sind. So viele Motorräder mit Referees kann der Veranstalter gar nicht zur Verfügung stellen. Hier muss sich jeder an die eigene Nase packen."

Nicht immer richtet sich die Kritik der Sportler gegen die Organisatoren. Die allerdings haben in diesem Jahr reagiert. Wie es allerdings heißt, eher aus „Sicherheitsgründen" als aufgrund der massiv eingegangenen Beschwerden. „Wir haben in diesem Jahr die Zahl der Kontrolleure auf der Strecke deutlich von 20 auf etwa 40 erhöht und können so das Drafting wirkungsvoller unterbinden", so Gonzalo Marchena, der für die Ironman-Veranstaltungen auf Mallorca und in Barcelona verantwortlich ist, gegenüber der MZ: Sobald ein Kontrolleur einen oder mehrere Athleten beim Windschattenfahren erwische, zücke er die schwarze Verwarnungskarte. Die Sportler müssten absteigen und fünf Minuten pausieren. Wer sich dreimal erwischen lasse, werde vom Rennen ausgeschlossen.

Die zweite Maßnahme, auf die Marchena und auch Schlagbauer anspielt, ist eine Entzerrung der Startzeiten. Statt wie im vergangenen Jahr alle Amateure gleichzeitig ins Wasser rennen zu lassen, gibt es diesmal einen „fliegenden Start". Das heißt, es gehen im Abstand von wenigen Sekunden immer Grüppchen von zehn Leuten ins Rennen. Die Zeitnahme beginnt erst im Wasser. Die Profis starten ein paar Minuten vor den Amateuren.

Für Schlagbauer allerdings ist das nicht ausreichend. Auch diesmal wieder würden sich speziell Profi-Frauen und schnelle Hobbyathleten auf der Radstrecke mischen. „Im vergangenen Jahr hat sich die Gesamtzweite Dede Griesbauer immer wieder an schnelle männliche Altersgruppenathleten angehängt und so eine Radzeit hingelegt, die sie niemals alleine hätte schaffen können."

Das Drafting sei allerdings nicht nur ein Problem der Fairness. „Die Veranstaltung auf Mallorca ist mit 2.500 Teilnehmern derart vollgestopft, dass ein faires Fahren auf manchen Teilstücken gar nicht möglich ist", beklagt Schlagbauer. Arne Dyck wird in seinem Blog deutlicher und bescheinigt der World Triathlon Corporation mit den Marken Ironman und Ironman 70.3 rein wirtschaftliche Interessen. Diese hätten zu einer Massifizierung geführt: „Wie können unter dem Ironman-Label rund 2.500 Athleten auf die gleiche Strecke geschickt werden, wenn nicht unter Hintanstellung der sportlichen Fairness?"

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 24. September (Nummer 803) lesen Sie außerdem:

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