Timon Wellenreuther macht nicht den Eindruck, als komme er gerade vom Fußballplatz. Die Frisur sitzt perfekt, der 20-jährige Torwart des Fußball-Zweitligisten Real Mallorca erscheint beinahe geschniegelt zum Gespräch mit der MZ am Freitag (8.4.). Und das, obwohl er eine halbe Stunde vorher von einem regelrechten Wolkenbruch bis auf die Knochen durchnässt worden war. Der Sohn des Präsidenten des Karlsruher SC, Ingo Wellenreuther, weiß natürlich, dass er sich nicht beklagen darf. Würde er bei Schalke 04 spielen, dem Club, der ihn nach Mallorca ausgeliehen hat, dann stünde er wohl deutlich öfter im Regen. Und zugleich wohl seltener im Tor als beim Insel-Zweitligisten.

Real Mallorca schwebte lange Zeit in akuter Abstiegsgefahr, erst in den jüngsten Spielen gab es einigermaßen regelmäßig Punkte. Was hat sich im Team geändert?

In der Hinrunde waren wir in vielen Begegnungen die bessere Mannschaft und haben oft unglücklich verloren, weil wir ein einziges Tor kassierten und keines schießen konnten. Da habe ich manchmal schon gedacht, ich bin im falschen Film. Wir hatten unheimliches Pech. Jetzt haben wir die Defensive noch einmal verbessert und im Winter einige gute Neuzugänge bekommen. Diese Mischung funktioniert so langsam. Und wir haben inzwischen mehr Glück auf dem Platz. Ich weiß nicht, ob da der liebe Gott im Spiel ist.

Spielerisch liefert das Team weiterhin nicht gerade Glanzleistungen ab. Hemmt die Angst vor dem Versagen die Kreativität?

Nein, wir gehen nicht mit Angst auf den Platz. Das würden wir machen, wenn wir sechs Spiele in Folge verlieren. Aber das ist uns nie passiert. Wir sind uns bewusst, dass wir oft besser waren als die Gegner.

Sie sind nach Ihrer Drei-Spiele- Sperre wegen einer Roten Karte schnell wieder zum Stammtorwart geworden. Überrascht?

Nein, ich habe mit dem Trainer nie darüber gesprochen. Ich denke, dafür ist die Trainingsleistung ausschlaggebend, und da habe ich mich eben voll reingehängt.

Angeblich sollen Sie damals im Februar zum Schiedsrichtergespann „Putos mierdas" gesagt haben, ein ungewöhnliches und grammatikalisch nicht ganz korrektes Schimpfwort.

Ich weiß bis heute nicht, warum das behauptet wird. Ich habe nie so etwas gesagt, weil ich diese Worte überhaupt nicht kenne. Das hat mich sehr geärgert. Ich habe nach dem Spiel die Schiedsrichter im Spielertunnel, wo ich das angeblich gesagt haben soll, überhaupt nicht mehr gesehen.

Man hat aber gesehen, dass Sie wütend zum Referee rannten ?

Ja, aber nach dem Schlusspfiff bin ich lediglich zu ihm gegangen und habe mich auf Spanisch bedankt. Der Club wollte eigentlich in Berufung gegen die Sperre gehen, hat es dann aber doch nicht gemacht.

Wie beurteilen Sie Ihre Leistung auf der Insel? Zu Saisonbeginn gab es einige sensationelle ­Paraden, danach auch mal Fehlgriffe.

Ich bin sehr zufrieden mit der Saison. Vor allem damit, dass ich so viel Einsatzzeit bekomme. Ich glaube, zum jetzigen Zeitpunkt meiner Karriere bietet der Wechsel zu Real Mallorca die beste Entwicklungsmöglichkeit für mich.

Sie haben vor gut einem Jahr mit dem FC Schalke 04 bei Real Madrid gewonnen. Wie geht man nach so einem Erlebnis den Alltag Liga Adelante an?

Ich kann die Partie im Estadio Bernabéu gut einschätzen. Das war ein Höhepunkt, ein einzelnes tolles Erlebnis. Und es war ja auch Zufall, dass ich dabei war (die beiden anderen Schalker Torhüter waren verletzt, Anm. d. Red.). Dadurch, dass ich in Madrid im Tor stand, habe ich aber meine Ziele hochgeschraubt. Ich will darauf hinarbeiten, etwas Ähnliches wieder zu schaffen.

Werden Sie Real Mallorca in der kommenden Saison erhalten bleiben?

Da gibt es noch keine Tendenzen. Es kommt ja auch nicht nur auf mich an, und ich bin in das Geschäftliche auch nicht direkt involviert. Aber in den kommenden Wochen werden wir uns mal zu Gesprächen zusammensetzen.

Hoffen Sie insgeheim darauf, dass Real Mallorca die Ablösesumme an den FC Schalke zahlt und Sie bleiben können?

Es wäre schön, wenn ich noch ein bisschen hierbleiben könnte.

In der deutschen U 21-Nationalmannschaft führt auch kein Weg an Ihnen vorbei. In der Qualifikation für die EM 2017 ist das Team ungeschlagen. Sehen wir nach 2009 mal wieder einen deutschen Europameister?

Wir sind auf jeden Fall einer der Favoriten auf den Sieg. In diesem Jahr fahren wir zu den Olympischen Spielen nach Rio und wollen da den Titel holen. Wir haben in diesem Jahr wirklich eine überragende Truppe. Wenn ich zu den Spielen mit der U 21 berufen werde, kann ich dort meist ein bisschen

durchschnaufen.

Weil Sie dort wenig zu tun haben im Tor, die Mannschaft dominiert die meisten Spiele deutlich.

Wir haben unter Trainer Horst Hrubesch einen ganz anderen Spielstil als bei Real Mallorca. In der U 21 werden kaum lange Bälle gespielt, wir versuchen, die Situationen durch ständiges Kombinieren spielerisch

zu lösen.

Schweifen Sie eigentlich mal mit den Gedanken ab, wenn Sie 90 Minuten im Kasten stehen und so gut wie nichts zu tun haben?

Nein, ein Torwart muss immer voll bei der Sache sein. Ich spiele höchstens mal Situationen durch, die mich erwarten könnten. Aber ich verfolge die ganze Zeit entweder den Ball oder schaue auf die Spieler, zu denen der Ball kommen könnte.

Trainieren Sie auf Mallorca anders als in Deutschland?

Das Torwarttraining ist tatsächlich sehr unterschiedlich. Während in Deutschland hauptsächlich auf Kraft und Sprungtraining Wert gelegt wird, trainiere ich hier in Spanien viel ausgiebiger meine Reaktionen. Hier ist es extrem wichtig, dass ich schnell auf dem Boden bin, wenn ein Ball kommt. Der Mix aus beiden Philosophien kommt mir sehr zugute.

Wann debütieren Sie im deutschen A-Nationalteam?

Das ist noch weit weg, es gibt da ja ein paar andere ganz gute Spieler, die momentan noch vor mir stehen. Aber es ist natürlich mein Ziel. Irgendwann will ich mal gegen die Größten spielen. Das reizt mich viel mehr als alles Geld, das man im Fußball verdienen kann.