Die Goldmedaille bei den Europa­meisterschaften Ende Mai in London war eine ziemliche Überraschung für die Magdeburger Schwimmerin Franziska Hentke. Über die 200 Meter Schmetterling setzte sich die 27-Jährige hauchdünn gegen ihre schärfste Konkurrentin Liliána Szilágyi aus Ungarn durch. Nun schaut Deutschland bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro auf Hentke, die sich nach der EM für zehn Tage im Best Swim Centre in Colònia de Sant Jordi einquartierte und damit die heiße Phase der Olympia-Vorbereitung einläutete.

Sie haben mit Ihrem Sieg Deutschland vor der ersten Europameisterschaft seit 1958 ohne Titelgewinn bewahrt. Hatten Sie vor, in London um Gold mitzuschwimmen?

Ich bin ehrlich gesagt ohne Erwartungen an das Finale herangegangen. Wichtiger war mir, im Hinblick auf Olympia die üblichen Abläufe mit Vorlauf, Halbfinale und Finale noch einmal zu üben. Nach dem Halbfinale habe ich dann aber schon an eine Medaille gedacht. Mein Ziel im Rennen war, auf den letzten 50 Metern am schnellsten zu sein, was ich auch geschafft habe. Die Favoriten sind zu schnell losgeschwommen, sodass ihnen am Ende etwas die Kräfte ausgegangen sind.

Sie sind bei Ihren Gegnerinnen berüchtigt für Ihre Schlussspurts. Wo nehmen Sie die Kraft am Ende her?

Das hat viel mit der richtigen Renntaktik zu tun. Seit ich mit meinem Trainer Bernd Berkhan zusammenarbeite, haben wir uns sehr auf die taktische Ausrichtung konzentriert. Mental ist das für meine Konkurrentinnen natürlich schwierig, wenn sie wissen, ich könnte jeden Moment von hinten anrauschen.

Richten Sie Ihre Taktik auch nach den jeweiligen Gegnern im Rennen aus?

Eher nicht. Ich behalte meine Grundtaktik bei, die ich mit meinem Trainer geübt habe. Die Gegnerinnen schaue ich mir gar nicht so genau an.

Wie viel Aussagekraft hat diese Medaille aus London nun für die Spiele in Rio?

Relativ wenig. Ich bin natürlich überglücklich über meine erste Medaille und vor allem, dass es dann auch noch Gold geworden ist. Aber am nächsten Tag habe ich trotzdem mit dem Training weitergemacht und bin sieben Kilometer geschwommen. In Rio geht es wieder komplett von vorne los.

Wie schätzen Sie jetzt Ihre Chancen in Rio ein?

Es sind meine ersten Olympischen Spiele. Mein Ziel ist das Finale, aber dort ist natürlich alles möglich. Ich rechne damit, dass es ein sehr umkämpftes und spannendes Finale sein wird. Die Schwimmerinnen an der Weltspitze liegen extrem eng beieinander in diesem Jahr.

Gilt es dann, die Spanierin Mireia Belmonte zu schlagen, die in London nicht dabei war?

Sie ist sicherlich eine der Favoritinnen auf die Goldmedaille. Aber dann muss man auch noch Schwimmerinnen aus Japan, China, Amerika oder Australien auf der Rechnung haben, die immer stark sind und die jetzt bei der EM als Gratmesser natürlich gefehlt haben. Ich will im Finale meine Bestzeit schwimmen. Wenn das klappt, bin ich zufrieden. Ob das für eine Medaille reicht, kann man vorab nicht sagen.

Welche Erwartungen haben Sie an die Spiele abseits des sportlichen Aspekts?

Ich freue mich sehr darauf, wenn Unmengen von Sportlern aus aller Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt versuchen, ihre Bestleistungen abzurufen. Dieses Ambiente muss sehr motivierend sein. Das haben mir mehrere Sportler bestätigt, die bereits bei Olympia dabei waren.

Mehrere spanische Sportler haben angekündigt, aufgrund des Zika-Virus nicht nach Rio zu fahren. Haben Sie Bedenken?

Ich mache mir diesbezüglich überhaupt keine Gedanken. Ich halte es für eine Energieverschwendung, mir darüber jetzt den Kopf zu zerbrechen, zumal die Lage ja offenbar vor Ort nicht so dramatisch ist. Aber als Sportler arbeitet man vier Jahre auf die Olympischen Spiele hin, da lasse ich mich jetzt nicht durch so etwas beirren.

Werden Sie Ihr Training jetzt für Olympia noch einmal verschärfen?

Nein, ich habe die Grundstruktur bereits im vergangenen Herbst mit meinem Trainer zusammengestellt. Die Schwerpunkte, die wir damals festgelegt haben, sind noch in Arbeit, aber ich werde jetzt nichts mehr ändern.

Sie holen sich auch Hilfe von einer Psychologin. Welche Rolle übernimmt sie?

Ich arbeite schon seit 2007 mit ihr zusammen. Das hat mir sehr geholfen. Ich bin mental viel stärker als noch vor zwei Jahren. Es ist eine sehr umfangreiche Arbeit, wir besprechen professionelle Dinge, wie etwa die Situationen vor dem Start, aber auch viel Privates. Denn das schleppt man ja immer auch in den Wettkampf mit.

Jetzt geht es noch einmal ins Höhentrainingslager in die Sierra Nevada. Was ist der Sinn dieser letzten Trainingseinheit vor Olympia, wo Rio doch auf Meereshöhe liegt?

Während des Höhentrainings bin ich noch einmal vier Wochen voll fokussiert. Außerdem bilden sich mehr rote Blutkörperchen. Das wiederum führt dazu, dass ich mehr Ausdauer habe, was für meine Strategie, am Schluss am schnellsten zu schwimmen, fundamental ist. Bei mir wirkt das Höhentraining sehr gut.

Legales Doping also?

Wenn Sie so wollen, ja.