Ein wenig stinkt es Marc Sánchez schon, dass er sich in seiner Parade­disziplin 1.500 Meter Freistil nur über einen Umweg für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro qualifiziert hat. Der 23-jährige Schwimmer aus Palma hatte eigentlich erwartet, die vom spanischen Verband vorgegebene Olympia-Norm zu erfüllen. „Um eine Zehntelsekunde hat es dann nicht geklappt", hadert Sánchez immer noch mit seiner schwimmerischen Leistung, während er der MZ am Telefon vom Leistungszen­trum Blume in Madrid aus Rede und Antwort steht.

Doch zum Glück gab es ja noch die Olympianorm des Weltverbandes, die deutlich weniger streng war als die spanische. Die erfüllte Sánchez spielend. Auch der spanische Verband sah ein, dass der Mallorquiner wohl die größten Chancen auf eine gute Platzierung haben würde, sodass Sánchez nun doch über die 1.500 Meter an den Start gehen darf. Zudem hat er noch die Norm für die 4?x?200 Meter Freistil-Staffel geschafft.

Es sind die ersten Olympischen Spiele für den bescheidenen jungen Mann, der seit seinem sechsten

Lebensjahr für den Club Natació Voltor Balear schwamm. Seine größere Schwester steckte ihn mit dem Virus Schwimmen an und machte ihn zur Wasserratte. Sie hörte irgendwann auf, der kleine Bruder aber blieb dabei und legte eine ­rasante Entwicklung hin.

Irgendwann gab es dann auf den Balearen keine geeigneten Trainer mehr für ihn: Sánchez wagte 2010 den Sprung aufs Festland. Mit nur 17 Jahren ergatterte er einen Platz im Leistungszentrum Sant Cugat nahe Barcelona, neben dem Blume-Zentrum in Madrid eine der beiden Top-Adressen für Spitzensportler in Spanien. Dort lernte er von den Besten und profitierte vor allem von einer Trainingsgruppe unter Fred Vergnoux mit Spaniens Ausnahmeschwimmerin Mireia Belmonte. „Mit Mireia zu schwimmen war eine echte Herausforderung. Sie hat immer derart Vollgas gegeben, dass ich aufpassen musste, dass sie mich im Training nicht überholt."

Die Einheiten mit der zweimaligen Silbermedaillen-Gewinnerin bei Olympia 2012 in London haben Sánchez reifen lassen. Eine persönliche Bestmarke nach der anderen riss der Mallorquiner in dieser Zeit. Und auch nationale Rekorde knöpfte er sich vor. So verbesserte Sánchez bei den spanischen Meisterschaften im Schwimmbad Son Hugo in seiner Heimatstadt Palma die Marke über 1.500 Meter Freistil auf der 25-Meter-Bahn auf 14:30.79 Minuten. Auf der Mitteldistanz gibt es derzeit weit und breit keinen Schwimmer in Spanien, der es mit Sánchez aufnehmen könnte.

Vor etwa eineinhalb Jahren entschied er sich dann, im Leistungszentrum Blume weiter­zutrainieren. „Ich brauchte einen Wechsel." Und nun also Olympia. Sánchez klingt nicht sonderlich nervös vor dem Großereignis und zieht eisern seine Einheiten durch. „Ich schwimme sehr viel Aus­dauer zurzeit, zwischen 80 und 90 Kilometern in der Woche", berichtet er. Eine hohe Trainingsintensität sei fundamental, um die 1.500 Meter Freistil vorzubereiten. Seit Dienstag (12.7.) tritt Sánchez auf den Kanaren auch noch bei der spanischen Meisterschaft an. Doch der Terminstress stört ihn nicht - eher im Gegenteil. „Das ist eine perfekte Trainingsmöglichkeit vor Rio."

Was für ihn in Brasilien gehen könnte, da ist sich Sánchez selbst nicht so sicher. „Eine Medaille über die 1.500 Meter liegt wohl außer Reichweite, aber ich möchte eine neue persönliche Bestzeit aufstellen." Die Konkurrenz auf seiner Lieblingsdistanz sei sehr groß. Etwas lockerer dürfte es da in der Staffel zugehen, ein schöner Gegenpol zum manchmal etwas verbitterten Mann-gegen-Mann-Schwimmen. „Ich schätze diese Abwechslung sehr. Schwimmen ist ja doch meist ein Individual­sport, in der Staffel aber kämpft man gemeinsam für ein Ziel. Das tut gut und motiviert." Dennoch: Eine reine Spaßveranstaltung soll auch die Staffel nicht werden. Ein neuer spanischer Rekord sollte es schon werden, wenn es nach ­Sánchez geht.