4José del Río ist ein Showman. Wenn er in den Ring steigt, Sonnenbrille auf der Nase, und seinen Boxermantel auszieht, um seinen komplett tätowierten Rücken zu entblößen, zeigt er ein Gehabe, das eines Rockstars würdig ist, der noch an seinen Job glaubt. Beeindruckender ist allerdings, was danach im Ring passiert. Del Río schlägt mit einer beeindruckenden Schnelligkeit und Kraft auf seinen Gegner ein. Er sei ein Verrückter, hört man, wenn man mit anderen Boxern über ihn spricht. Das ist durchaus respektvoll gemeint.

Umso charmanter ist es, diesen freundlichen jungen Mann an einem sonnigen Dienstagmorgen in seinem Boxstudio in Palmas Viertel Foners zu treffen. Seit zwei Jahren trainiert del Río hier Amateure und auch Profis. Eine junge Frau steht im Ring mit einem etwas älteren Mann. Die beiden schenken sich nichts. Immer wieder unterbricht der Trainer seine Schützlinge, erklärt, wie sie ihre Bewegungsabläufe optimieren können. Man merkt, dass hier ernsthaft gearbeitet wird.

Del Río ist in Palma geboren und mittlerweile 31. Trotzdem wird er immer noch „El Niño" (der Junge) genannt. Mit dem Boxen fing er als Zwölfjähriger an, weil sein älterer Bruder zum Training ging. Wenige Wochen später wollte er nicht mehr nur zugucken. Sieht man sein jugendliches Gesicht auf den Plakaten, die für seine ersten Kämpfe warben, versteht man, woher der Spitzname kommt. „Früher fand ich das natürlich blöd, so genannt zu werden. Ich wollte nicht der Junge, sondern ein Mann sein. Aber jetzt?", sagt er lachend. „In meinem Alter ist dieser Name doch großartig."

Insgesamt hat er 29 Profikämpfe absolviert. 23 davon hat er gewonnen. Bei seinem bisher letzten Kampf auf Gran Canaria im November holte er sich den spanischen Meistertitel im Weltergewicht zurück, den er 2011 schon mal gewonnen hatte. Der Kampf gegen den Lokalmatador Nabil ´Sultán´ Krissi wurde im Fernsehen übertragen. Es war ein großer Moment für „El Niño".

Am Samstag (18.3.) hat er seinen nächsten Kampf. Eigentlich sollte er hier seinen Titel verteidigen, vor den treuen Fans in seiner Heimat. Es sollte einen Rückkampf gegen Krissi geben, aber der sagte ab. Auch der Versuch, eine freiwillige ­Titelverteidigung gegen Jonathan Valero aus Zaragoza zu ­organisieren, scheiterte an einer Verletzung des Gegners.

Also geht es nun in der Sporthalle Galatzó in Santa Ponça in zehn Runden gegen den Briten Adil Anwar. „Es wird ein sehr geschlossener Kampf. Er ist ein sehr guter Boxer, es wird schwierig werden, ihn zu besiegen." Vor heimischem Publikum zu kämpfen sei aber immer ein Vorteil. „Allein der Umstand, nicht fliegen zu müssen und in seinem eigenen Bett schlafen zu können, lässt mich viel ruhiger an die Sache rangehen. Und wenn es doch knapp werden sollte, kann die Unterstützung des Publikums den Ausschlag geben."

Del Río befindet sich seit Wochen in der intensiven Vorbereitungsphase. Wobei die keinen großen Unterschied zum Rest des Jahres macht. „Ich versuche, immer auf 80 Prozent meines Niveaus zu sein. In den Wochen vor dem Kampf ziehe ich noch einmal an." Das heißt Training vormittags und nachmittags, besonderen Fokus auf Kraft, Explosivität und Schnelligkeit. Samstags gehe er Schwimmen, Sonntags ist Ruhetag. Es gibt auf Facebook Videos von del Ríos Training. Im Vergleich dazu wirkt das Training seiner Schützlinge an diesem Morgen wie ein Pilateskurs für Senioren.

Die Vorbereitung durch Videos des Gegners sei auch dabei, spiele aber eine geringere Rolle. „Von meinen 29 Kämpfen habe ich nur zwei absolviert, bei denen der Gegner im Ring genau so angetreten ist, wie ich es auf den Videos gesehen hatte. Die meiste Zeit muss man einfach improvisieren. Der Gegner schaut sich ja auch Videos von mir an und plant seinen Kampf dementsprechend." Nervös sei er ohnehin immer noch, wenn er in den Ring geht. „Das ist auch gut so. Man darf diese Nervosität nicht verlieren. Sonst lässt man nach."

Als „Show of the Year" wird der Kampf am Samstag beworben. Neben del Ríos Kampf gibt es noch sechs Amateurkämpfe und drei weitere Profikämpfe. Unter anderem tritt auch der abogado-boxeador (Anwalt-Boxer) ­Coco Campaner zu seinem siebten Kampf an. Der Titel für den Abend mag hochtrabend klingen. Aber es ist tatsächlich eine gute Gelegenheit, um zu sehen, was die Insel zurzeit in Sachen Boxen zu bieten hat. „Das Niveau ist hier gerade ungemein hoch", sagt „El Niño".

Show of the Year, 18.3., 19 Uhr, Polideportivo Municipal Galatzó; Karten: 15/20 Euro.