Steine zu schleudern ist eine jahrtausendealte Tradition auf den Balearen. Früher benutzten die Mallorquiner die Schleuder bei der Jagd, später als Waffe im Krieg und heute als Sportinstrument. Man sollte meinen, dass die Insulaner bei Wettkämpfen der klare Favorit seien. Doch beim vierten internationalen Schleudertreffen, der inoffiziellen Weltmeisterschaft Anfang März in Palma, stand am Ende wieder ein Deutscher ganz oben auf dem Siegertreppchen. Das zweite Jahr in Folge schnappte Silvio Vass aus Altensalzkoth dem Mallorquiner Juanjo Caballero den Titel weg.

Der balearische Steinschleuderverband zeigte sich derart begeistert von der Leistung des 45-Jährigen, dass der Vorsitzende Pere Ribas den Deutschen als offiziellen Delegierten der Bundesrepublik ernannte. „Das Ziel ist, die Deutschen für das Steineschleudern zu begeistern", sagt Vass. Etwa 100 Schleuderer würde es in ganz Deutschland verteilt geben. Mit dem Verein Lebendige Geschichte e.V. versucht Vass, die Sportler zu organisieren.

Bereits seit sieben Jahren nimmt der Niedersachse an dem Turnier auf Mallorca teil. In diesem Jahr brachte er drei weitere deutsche Schleuderer mit. „Wir kennen uns aus der Reenactment-Szene", sagt Vass. „Dort treffen sich Leute, die historische Ereignisse nachstellen." Bei diesen Mittelalter-Treffen ist das Steineschleudern ein beliebter Freizeitspaß. Aus 20 Metern wird auf eine Holzplatte geschleudert, auf der eine runde Metallplatte befestigt ist. Ein Treffer auf das Holz gibt einen Punkt, ein Treffer auf das Metall zählt doppelt.

Nicht nur die Deutschen sorgten für Aufmerksamkeit auf Mallorca. Zwei Schleuderer kamen extra von der Pazifikinsel Guam angereist. „Die saßen einen ­ganzen Tag im Flugzeug", sagt Vass. Die Guamer haben wie die Balearen eine lange Steinschleuder-Tradition. In der Flagge des Landes ist sogar ein Schleuderstein abgebildet. Gegen Vass hatten sie dennoch keine Chance.

Warum er gewonnen hat, weiß der 45-Jährige selbst nicht so recht. Eigentlich hatte er kaum trainiert. „Das Wetter war im Winter zu schlecht und Hallenzeiten habe ich keine bekommen." Unter der Schirmherrschaft des balearischen Verbandes soll sich das nun ändern. Stolz zeigt Vass sein Zertifikat, das ihn als Delegierten ausweist. „So ein Blatt Papier ist in Deutschland viel wert. Der Landessportbund nimmt mich jetzt viel ernster."

Vass will versuchen, mehr für den Sport zu werben. „Es kommen so viele deutsche Touristen auf die Insel. Alle kennen sie den Ballermann, aber von den balearischen Traditionen wissen sie nichts."

Vass hat versucht, eine deutsche Meisterschaft auf die Beine zu stellen. Der Zuspruch hielt sich jedoch in Grenzen. Mit kleinen lokalen Treffen soll der Sport in Deutschland nun ­wachsen. Denkbar sei auch, dass die Mallorquiner zu einem Turnier anreisen. „Das sind bisher aber nur Gedanken", sagt Vass. „Wir haben bislang nicht die finanziellen Mittel, um so ein Turnier wie in Palma zu organisieren."

Um seiner neuen Rolle als balearischer Verbandsbeauftragter gerecht zu werden, lernt Vass fleißig Spanisch. Beim internationalen Schleudertreffen hätte die Kommunikation schon ganz gut geklappt. Wobei die Insulaner ihm auf spanische Fragen bevorzugt auf mallorquin geantwortet hätten ? ganz traditionell.